31« Daniels Brief
Lieber Daniel,
ich wünsche mir manchmal, dass wir uns unter anderen Umständen getroffen hätten. Vielleicht früher und an einem anderen Ort.
Dann wieder denke ich, dass es so vielleicht am besten ist oder es vielleicht sogar noch besser wäre, wenn wir uns nie begegnet wären.
Wenn du das hier liest, gehe ich davon aus, dass Tears die Briefe gefunden und es zu dir und Davis geschafft hat. Ich habe nie daran gezweifelt, dass diese Briefe zu ihren rechtmäßigen Adressaten kommen. Dieser Brief hier ist für dich, Daniel.
Er ist für dich, weil ich dir eine Erklärung schulde, die schon längst überfällig war. Ich habe dich nämlich belogen oder um es besser auszudrücken: Ich habe dir etwas verschwiegen.
Etwas Großes, etwas Böses und etwas, was überhaupt der Grund dafür ist, warum ich dir diese Zeilen schreibe.
Wenn du das hier liest, dann gehe ich schwer davon aus, dass ich tot bin. Ich würde es gerne anders nennen, vielleicht tut dir dieses Wort weh, aber es beschreibt meine Lage am besten.
Ich habe dir verschwiegen, dass ich krank bin. Um genau zu sein bin ich schwer krank. Ich habe Krebs.
Vielleicht hast du geahnt, dass mit mir etwas nicht stimmt. Es waren nämlich keine Asthmaanfälle und ich war auch nie erkältet. Es ist dieses Etwas, was mich von innen nach außen auffrisst und mir alle Kraft stiehlt. Ich kämpfe schon lange, lebe seit Jahren mit einer Diagnose, nehme Medikamente und gehe zum Arzt, aber es war von Beginn an klar, dass ich früher oder später sterben werde.
Es tut mir leid, dass ich dir diese Krankheit verschwiegen habe, bitte sei nicht sauer auf Tears, denn sie hatte bei dieser Entscheidung kein Mitspracherecht. Ich habe dir nichts gesagt, weil ich wollte, dass du mich siehst und nicht meine Krankheit. Du solltest keine Rücksicht nehmen, dich nicht hemmen und du solltest mich auch nicht anders behandeln, als andere.
Alles, was ich immer wollte, war ein Freund, der mich mag und der mit mir witzelt und lacht und redet und albert, als sei alles in Ordnung. Und glaube mir, wenn du da warst, dann war es das. Es war alles in Ordnung.
Ich danke dir, für die schönsten vierzehn Tage meines Lebens. Ich danke dir, dass du mir ein wahrhaftiger Freund warst und mir deine Aufmerksamkeit geschenkt hast. Ich danke dir für alles, Daniel. Du bist mein bester Freund und ich schwöre dir, dass du das auch immer sein wirst.
Ich habe dich lieb.
Ich weiß, wir hatten nicht viel Zeit miteinander, aber du bist mir unglaublich wichtig geworden.
Ich mochte dich schon, als wir uns im B-N getroffen haben.
Du hattest ein blaues Auge und aufgeschlagene Finger und im ersten Moment schienst du mir wie ein typischer Draufgänger, der nachts die Stadt unsicher macht und sich nach Belieben prügelt und mit Alkohol zulaufen lässt.
Ich hatte keine Angst vor dir.
Ganz im Gegenteil. Ich mochte das Bauchkirbbeln, als du dich neben mich gesetzt hast und spätestens als du gelächelt hast, wusste ich, dass du mir einmal ungemein wichtig werden würdest.
Ich lag schon damals richtig: Die harte
Bad Boy-Schale hat einen weichen Kern. Bitte fühl dich jetzt nicht gekränkt, ich weiß, dass du weist, dass du ein warmes Herz hast.
Du bist rücksichtsvoll und aufmerksam und liebevoll. Ich könnte noch weitere Tausend Worte schreiben und sie würden alle auf dich zutreffen. Aber ich möchte nicht zu sehr über dich schwärmen, damit du mir nicht noch abgehobener wirst, als du sowieso schon bist.
Ja, Daniel Harson, du besitzt ein ungeheures Ego, aber ich glaube, das liegt in der Familie. Ihr Jungs seit alle sehr hartnäckig und willensstark. Auch deswegen mag ich dich. Du kämpfst für das, was dir wichtig ist und du beschützt, was du liebst.
Ich weiß, dass du genau deswegen manchmal in der Scheiße steckst.
Es ist nicht, weil du dich auflehnen willst und dir versuchst ein Image anzueignen. Es ist, weil du auf etwas aufmerksam machen möchtest, was dir nicht passt.
Vielleicht suchst du dafür nicht immer den einfachsten Weg, Güte du bist manchmal echt kompliziert, aber du handelst mit einem reinen Herzen und das ist alles, was für mich zählt.
Ich bitte dich, ändere dich nicht für die anderen.
Wenn sie dich schlecht abstempeln, dann merke dir meine Worte und glaube mir, dass du perfekt bist und sie einfach nicht sehen, was ich sehe: deine Vollkommenheit.
Ich kenne sie nicht persönlich, aber die Leute aus deiner Schule, die haben überhaupt keine Ahnung. Sie kennen dich nicht und wenn sie wirklich so sind, wie du sie mir beschrieben hast, dann haben sie es auch nicht verdient dich kennenzulernen.
Halte dich immer an die Menschen, die auch sehen, wie wunderbar du bist.
Ich finde, du bist wunderbar.
Tears findet das auch und Davis sowieso. Wir alle haben dich unglaublich lieb, egal wie viele Dummheiten du noch machen wirst. Du wirst immer in meinem Herzen bleiben und dort wunderbar sein.
Ich wollte, dass du das weist.
Und ich möchte, dass du weist, dass ich dein Lächeln mag.
Ja, ich liebe dein Lächeln sogar.
Du solltest öfter lächeln, denn damit erhellst du selbst dunkle Tage.
Ich mag deine Haare.
Ich mag deine Nase.
Ich mag deinen pinken Einhornpullover, der ganz hinten links in deinem Schrank liegt.
Ich mag deine abgelatschten Converse.
Ich mag deine Stimme.
Ich mag deinen Namen.
Ich mag deine Dummheit.
Ich mag dein Wissen.
Ich mag deinen Musikgeschmack.
Ich mag deine Witze.
Ich mag, wenn du mir das Essen klaust.
Ich mag, wenn du meine Wange streichelst.
Ich mag deine Blicke.
Ich mag deine Lache.
Ich mag, wie rücksichtsvoll du bist.
Ich mag es, wenn du dir Sorgen machst.
Ich mag deine Ratlosigkeit und deinen Wagemut.
Ich mag, dass du am liebsten den ganzen Tag an einem Fenster stehen und hinaussehen würdest.
Ich mag, dass du keine Cola magst.
Ich mag es, wenn du deinen Bruder aufziehst.
Ich mag es, wenn du über ihn lästerst.
Ich mag es, wenn du frech bist.
Ich mag deine Gleichgültigkeit und das dir so manche Sache nicht einmal annähernd peinlich ist.
Ich mag, dass du besonders die kleinen Dinge wertschätzt.
Ich mag dich, Daniel.
Du bist eine Mischung aus meinem Bruder, besten Freund und meinem Liebsten.
Es tut mir leid, wenn ich kitschig bin, aber jetzt wo ich bald sterbe, darf ich das wohl.
Ich bin nur ein kranker Teenager, der auf seinem Bett liegt und an einen Jungen denkt.
Ich weiß, dass du jetzt wieder einen Kommentar hättest, aber du bist nicht hier. Du bist gerade auf der anderen Seite des Sees und hast keine Ahnung, wie verheult ich bin, weil ich dir all diese Dinge so gerne ins Gesicht sagen würde, aber es einfach nicht kann.
Ich bin zu schwach, das war ich schon immer, aber du und Tears und ihr alle, habt mich die letzten Tage stark gemacht.
Ihr habt mich für vierzehn Tage leben lassen, ohne das ihr, du, eine Ahnung hattet.
Du hast Anteil daran, dass ich ein unglaublich glücklicher Mensch bin, der mit einem Gewissen gehen kann, von diesem Leben erfahren zu haben. Ich habe nicht alles auf dieser Erde gesehen, das muss ich auch nicht, aber vielleicht siehst du für mich diese Welt an und ich schwöre dir, wenn du mir von deinem Leben erzählst, dann sitze ich neben dir am Fenster, starre nach draußen und höre dir zu.
Du hast immer gerne über England gesprochen und über dein Leben Zuhause und von Seattle.
Du hast mir gerne Geschichten erzählt, bitte hör niemals damit auf, Erzähl mir alles, was dir im Leben widerfährt, denn ich tue nichts lieber, als deiner Stimme zu lauschen.
Dein Abschied war der letzte Moment in dem wir uns gesehen haben. Jetzt fliegst du zurück nach England, bist guter Laune, denkst vielleicht an mich und unser Wiedersehen.
Ich schwöre dir, wir werden uns wiedersehen. Irgendwann, irgendwo, ich weiß nicht, wo und ich weiß nicht wann, aber wir sehen uns wieder.
Es wird vermutlich noch ein wenig länger dauern, als du geplant hast.
Das tut mir leid. Das alles tut mir leid, aber ich möchte mir die schönen Tage trotzdem nicht nehmen lassen.
Vielleicht bereust du, mich kennengelernt zu haben, weil ich dich jetzt und hier verletze, aber ich bereue es nicht, dich zu kennen.
Es war nicht meine Absicht, dich zu verletzten, ich wünschte, ich müsste es nicht tun, aber genau das muss ich.
Ich muss gehen. Ich wünschte, ich könnte dir das erklären, aber was gibt es zu erklären?
Diese Welt ist einfach nicht die richtige. Ich hoffe, eines Tages verstehst du das.
Eines Tages, wenn du alt bist und am Fenster stehst und deine Kinder im Garten beobachtest.
Liv, Hope und September. Ja, ich weiß genau, dass du dir drei Mädchen wünschst und ich hoffe von ganzem Herzen, dass du sie bekommst. Drei kleine Prinzessinnen mit deinen schönen Kulleraugen.
Ich freue mich sie irgendwann zu sehen und ich freue mich, wenn du dich über sie freust und vielleicht freust du dich in zwanzig Jahren, wenn du sie in den Armen hältst, dass ich mich für dich freue. Denn das tue ich und das werde ich. Ich werde mich über alles schöne in deinem Leben freuen und ich hoffe du tust das auch.
Ich weiß nicht wie traurig du bist, wenn du das hier liest.
Vielleicht weinst du gerade und ich seine auch, weil du weinst.
Vielleicht, und das hoffe ich sehnlichst, lächelst du aber auch und erinnerst dich mit mir zusammen an alles, was wir erlebt haben.
Vielleicht erinnerst du dich an mich. Und wenn nicht, dann ist auch das okay, denn alles, was auf der Erde zählt, bist du.
Ich bin nur ein Mensch, der dich kennen durfte und ich werde Gott im Himmel dafür danken.
(Und ich werde ihn fragen, ob es da oben Pizza gibt).
Bis wir uns wiedersehen, wünsche ich dir alles erdenklich Gute.
Lebe dein Leben, vergiss mich nicht, du Blödmann und bau soviel Scheiße, wie du nur kannst!
Ich weiß, dass du deinen eigenen Weg irgendwann finden wirst. Du bist etwas Besonderes, Daniel, und wenn du das erkannt hast, dann wirst du besondere Dinge tun.
Vergiss nicht, dass du jung bist.
Du darfst so viele Fehler machen, wie du willst, das ist es, was uns Menschen bei Strecke hält. Fehler!
Du darfst anders sein, du darfst komisch sein, lustig sein, traurig sein, fröhlich sein.
Du kannst und du darfst und du sollst alles sein, was du möchtest!
Du bist du und niemand wird je gleich sein.
Sei du selbst, mein Freund.
(Das ist ein Befehl!)
Wir alle haben dich am liebsten, wenn du du selbst bist. Wir lieben dich, auch wenn du manchmal glaubst, es sei nicht so. Bitte, bitte vergiss das nicht.
Ich werde versuchen dich zu erinnern, ich werde alles erdenkliche tun, damit du mich auch fernerhin in deiner Nähe spürst, solltest du mich jemals brauchen.
Wenn du an mich denkst und dich fragst was wohl gerade bei mir abgeht, dann stell dir einen Haufen voller Donuts vor, auf dem ich sitze und dich beobachte.
Ja, mein Freund, ich habe nicht vergessen, dass du mir damals im Park meinen Donut vor der Nase weggegessen hast. Du schuldest mir was, wenn du mir irgendwann als alter Knacker nachfolgst.
(Vergiss das nicht, denn ich kann sehr nachtragend sein.)
Genug mit dem Spaß. Ich weiß nämlich gar nicht mehr ob ich vor lachen oder vor Trauer weine.
Dabei wollte ich dir eigentlich nur sagen, dass ich dich vermissen werde und unglaublich stolz auf dich bin.
Du bist ein toller Junge, ein toller Freund, ein toller Sohn, ein toller Bruder und irgendwann wirst du ein toller Vater sein.
Ich wünsche mir, dass du glücklich wirst. Irgendwann, irgendwo. Womöglich an einem Ort, den ich bis jetzt noch nicht kenne. Das muss ich auch nicht. Du machst das schon ganz alleine.
(Klinge ich wie deine Mutter? Tut mir leid)
Ich sollte aufhören, nicht das du mir zu einem Wasserfall wirst.
Du musst nicht weinen. Das hier ist kein Abschiedsbrief, das hier ist ein Versprechen. Ein Versprechen, dass wir uns wiedersehen, so, wie du immer wolltest. Ich kann warten, ich werde auf dich warten, lass dir Zeit und mach erst mal ein paar Erfahrungen im Leben, bevor du mich wieder besuchen kommst.
Viel Spaß beim Leben.
Bis bald ...
Deine Jane ...
•♥️•
Ps: Ich liebe Schokoladen Donuts.
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