»66«
[Jungkook]
„Taehyung, ich will das wirklich nicht machen! Ich habe sie seit zwei Jahren nicht gesehen", entgegnete ich leise und zitterte nervös am ganzen Leib, als wir am besagten Tag darauf warteten, dass meine Eltern hier aufkreuzen würden. Zwar war ich wütend und enttäuscht, ebenso verletzt von ihnen, aber dennoch legte ich einen großen Wert auf ihre Meinung, immerhin waren sie meine Eltern. Aus diesem Grund, hatte ich so große Angst vor diesem Treffen, denn Taehyung wollte es vor ihnen nicht verstecken, dass wir in einer Beziehung waren. Sie wussten aber, dass er mal mein Lehrer war.
Ohne etwas zu sagen, griff er nach meinem Handgelenk und zog mich in seine Arme. Mich fest drückend, küsste er meinen Kopf einmal, bevor er mich mit einem schwachen Lächeln anschaute.
„Hab keine Angst und mach dir keine Sorgen, ja? Ich bin hier bei dir und bleibe an deiner Seite, aber sie werden dir ja nichts tun. Es ist nur wichtig, dass du mit ihnen redest, denn du weißt nie, was passieren mag", meinte der Mann und hatte sofort eine veränderte Miene drauf. Er sah plötzlich so verletzt aus, obwohl er lächelte, weshalb sofort alle Alarmglocken in meinem Kopf läuteten.
„Taehyung? Tust du das, wegen dem, was mit deinen Eltern passiert ist?", fragte ich unsicher, weil ich nicht wusste, wie gut er darauf anzusprechen war. Aber er nickte nur.
„Kläre es mit deinen Eltern und mach nicht dieselben Fehler wie ich. Die letzten Worte, die ich zu meinen gesagt hatte, waren nicht schön und ich konnte mich nicht einmal dafür entschuldigen, da sie starben. Bis heute gebe ich mir die Schuld dafür, auch wenn es dumm klingen mag, aber es fühlt sich einfach nicht richtig an. Tue mir den Gefallen Jungkook und rede wenigstens mit ihnen."
Auch wenn ich das nicht wollte, hatte er recht damit, dass ich es tun musste. Ich wusste nicht, wie es ihnen ging, was sie machten und wie es bei ihm war, konnte es auch bei mir sein, dass sie eines Tages einfach nicht mehr da sein würden. Sie hatten mich zwar wirklich verletzt, aber ich wollte nicht, dass ihre letzte Erinnerung an mich das Hinausstürmen in beleidigendem Ton sei.
Das gab mir letztendlich den nötigen Mut und die fehlende Kraft, mit nicht allzu zittrigen Beinen dort zu stehen und nicht einfach wie das schwache Kind zu wirken, das ich damals war. So öffnete ich die Tür, als es klingelte und empfang sie, aber es war so befremdlich. Kein herzliches Wiedersehen oder lange Umarmungen. An mich nicht einmal ein Lächeln oder Händeschütteln, aber ich konnte es verstehen, immerhin hatte ich meine Eltern aus meinem Leben geschlossen und den Kontakt zu ihnen abgebrochen.
„Schön, dass Sie heute hier sind", hörte ich meinen Freund sagen, der die Beiden in Empfang nahm, die natürlich sofort darauf bestanden, dass er sie duzt. Ich seufzte nur leise und ging schon einmal vor ins Wohnzimmer, wo wir nur kurze Zeit saßen. Aus mir kam kein einziges Wort und ich saß lediglich da, hörte zu bei ihren Gesprächen, als seien sie Schulfreunde gewesen, die sich auf einem Klassentreffen nach zehn Jahren zum ersten Mal wieder sahen und viel zu berichten hatten. Es brach mir ein wenig das Herz, aber vorerst musste ich damit klarkommen.
Selbst als wir am Esstisch saßen, veränderte sich nicht viel, denn der Braunhaarige redete mit ihnen und sie mit ihm, wobei ich nur in meinem Essen herumstocherte und den Mund hielt. Als meine Mutter ihm Essen auf seine Schüssel legte, damit sie auch sichergehen konnte, dass er genügend aß, war es für mich vorbei. Meine innere Mauer fiel in Schutt und all die dahinter verborgenen Emotionen strömten hinaus wie ein Tsunami, wodurch ich letztendlich, unter meinen eigenen Tränen, beinahe ertrank.
„Entschuldigt mich kurz", nuschelte ich vor mich hin, hielt meinen Blick stets gesenkt, damit man nicht sah, dass ich anfing zu weinen, stand auf und ging schnell aus dem Esszimmer raus, direkt in Richtung des Schlafzimmers, wo ich mich mit einem schmerzenden Herzen auf das Bett setzte und stumm weinte. Nach all den Jahren, die ich gut mit meinen eigentlich liebevollen Eltern gelebt hatte, trennten sich unsere Wege wegen einer kleinen Auseinandersetzung, was aber niemals dafür sorgte, dass ich sie zu lieben aufhörte. Daher tat es nur umso mehr weh zu sehen, dass sie scheinbar über mich hinweg waren und mehr von Taehyung hielten, der nicht einmal ihr eigener Sohn war.
Mit allem, was ich hatte, versuchte ich mich zu beruhigen und wischte immer wieder die Tränen weg, die über meine Wangen liefen, jedoch hatte nichts einen wirklichen Erfolg.
„Wieso weinst du? Du bist niemand, der so einfach weint", hörte ich dann aber die sanfte Stimme meiner Mutter plötzlich sagen, weshalb ich sofort meinen Blick hob und sie erschrocken anschaute. Hektisch wischte ich mir die Tränen wieder von den Wangen und schüttelte hastig den Kopf.
„Meine Augen Tränen nur, weil ich sie jucken. Ich weine nicht", meinte ich schnell, aber wen versuchte ich hier anzulügen? Sie war meine Mutter, kannte mich besser als jeder andere und wusste, dass ich sie anlog. Es lag in ihrem Gefühl, oder eben sowas.
„Dein Vater und ich sind deinetwegen hier, das weißt du. Aber du redest nicht mit uns", seufzte sie und setzte sich neben mich. „Wir haben zwei Jahre lang auf dich gewartet, stets gehofft, die Tür würde sich öffnen, mussten zusehen, wie es einen Skandal über dich gab, obwohl du keine Person des öffentlichen Lebens bist. Danach bist du vollkommen von der Bildfläche verschwunden, bist umgezogen, hast uns aus deinem Leben geschlossen. Hast du vergessen, dass es uns gibt? Wie konntest du das all die Zeit lang tun? Wir haben nie die Hoffnung verloren, dass du zu uns kommen würdest!"
„Ich wollte euch vergessen, ihr habt mich nämlich wirklich verletzt! Man erwartet von niemandem Vertrauen, außer den Eltern! Aber was habt ihr getan? Eine Kamera aufgestellt! Eine Kamera!", entgegnete ich und wagte es gar nicht, ihr in die Augen zu schauen.
„Was ist daran denn so schlimm? Wir haben sie nicht aufgestellt, um dich zu kontrollieren, sondern weil wir uns Sorgen gemacht haben, dass über die Zeit etwas passiert und wir dann nicht einmal wissen, wie es zu Stande kam. Weißt du, wie viele Häuser Überwachungskameras haben? Das ist völlig normal", erklärte sie und legte plötzlich ihre Hand auf die meine. „Ich weiß, wieso es dich damals so gestört hat. Taehyung hat uns vorher schon erzählt gehabt, dass ihr darauf zu sehen wart in einer Lage, die für euch Beide, aber vor allem für ihn ungünstig gewesen wäre. Aber ich muss dich fragen, wieso hast du uns das nicht einfach erzählt?"
„Dein Ernst? Hätte ich einfach zu euch gehen sollen, um zu sagen, dass ich mit meinem vierzehn Jahre älteren Lehrer zusammen bin, während er mich noch unterrichtet hat? Und das eure Kamera uns aufgenommen hat, weshalb ich das Videomaterial sofort wieder gelöscht habe? Ihr wärt doch vollkommen ausgeflippt!", erwiderte ich und zog meine Hand weg.
„Wieso sollten wir das tun? Natürlich wären wir erst einmal erschrocken gewesen, immerhin hat man das nicht alle Tage, dass das eigene Kind mit seinem Lehrer zusammenkommt, aber wir sind deine Eltern und für uns ist das einzige, was zählt, dass du glücklich bist und es dir gut geht. Verhindern können wir Gefühle nicht, weder deine, noch die von Taehyung. Wir hätten ihn genauso mit offenen Armen empfangen deswegen, dass er dein Freund ist, wie wir es getan hatten, als er Probleme mit seiner Ex-Freundin hatte. Immerhin sind wir hier nicht in einem Film, in dem die Eltern ausrasten müssen, damit Spannung entsteht", meinte die Frau und ich sah, dass sie leicht lächelte. „Ich bin nicht dumm und habe dich neun Monate lang in meinem Bauch gehabt, denkst du wirklich, dass ich nicht von erster Sekunde an gemerkt hatte, dass du deinen Lehrer liebtest? Vor allem als ich dich zu ihm gefahren habe, weil er sein Handy bei uns vergessen hatte, warst du so nervös, dass du kurz davor warst deine kompletten Finger aufzukratzen! Eigentlich wartete ich nur darauf, dass du mir endlich davon erzählt, denn ich hatte auch von seiner Seite aus gesehen, dass er dich nicht nur als seinen Schüler sah. Aber es kam nie dazu."
Mein Herz raste und ich merkte, wie meine Atemzüge kürzer wurden. Ich wusste, dass Mütter fast alles wussten, aber das hier überforderte mich gerade.
„Du hättest also nichts dagegen gehabt?", fragte ich ganz leise.
„Hörst du dich selbst? Als Taehyung uns anrief und alles erzählte, setzte mein Herz aus! Zu wissen, dass du dich selbst gegenüber deinen eigenen Eltern geopfert hat, um das Video zu vernichten, was ihm hätte schaden können, nicht dir, genügte vollkommen aus. Weder hätte ich damals, noch habe ich heute etwas dagegen. Als der Anruf kam und wir erfahren haben, dass du hier bist, glücklich zu sein scheinst, sind dein Vater und ich beinahe in Tränen ausgebrochen! Wir haben seitdem oft darüber nachgedacht, wie wir den Kontakt zu dir aufbauen könnten, aber hielten es für wäre besser, wenn es von dir käme, weil es dann sicher sei, dass du es wirklich willst. Wie gesagt, wollen wir nur das Beste für dich, also wollten wir nicht einfach so wieder in dein Leben treten, ohne zu wissen, ob du damit klar kommen würdest", sagte sie noch. Sie wollte weiter sprechen, aber ich ließ ihr keine Chance und drückte sie fest.
Fast schon wie ein kleines Kind, schluchzte ich in den Armen meiner Mutter und es dauerte nicht lang, bis auch mein Vater dazu kam, der sich von der Seite an mich schmiegte, meine Mutter und mich in seinen Armen hielt.
Einige Zeit blieb das so, bis ich mich ein wenig beruhigen konnte und letztendlich zur Tür schaute, wo mein Freund stand. Seine Lippen zierte zwar ein Lächeln, aber ich sah dennoch in das Gesicht eines weinenden Menschen, weil ich wusste, dass das, was sich gerade vor ihm abspielte, etwas war, dass er sich sicherlich schon immer wünschte, aber nie haben konnte.
Ohne ein Wort zu sagen, stand ich also auf und ging zu ihm, griff seine Hand ganz fest, was dafür sorgte, dass er mich etwas verwirrt musterte, weil dieser Moment eigentlich meinen Eltern und mir gewidmet sein sollte, so dachte er.
„Taehyung, du bist meine Familie und ich deine. Vergiss das nie, ja?", meinte ich ganz leise und er nickte nur, lächelte weiterhin. Auch wenn meine Eltern im Raum waren und ich sowas noch nie gemacht hatte, stellte ich mich auf Zehenspitzen und küsste den Mann meiner Träume.
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