[Jungkook]
Es war bereits eine Woche vergangen, seitdem die Sache im Club und dann letztendlich bei Taehyung geschah. Wir hatten weder miteinander geschrieben noch irgendwie über eine andere Weise Kontakt gehabt. Das konnte auch nicht möglich sein, schließlich hatte ich in diesen sieben Tagen mein Zimmer nur verlassen, wenn ich in der Küche etwas zu Essen holen wollte oder auf Klo musste. Die Sache machte mir wirklich zu schaffen, obwohl es ja irgendwie auch mein Plan war, mit ihm im Bett zu landen oder wenigstens kurz davor zu sein, jedoch hätte ich ja nicht ahnen können, dass es damit enden würde, dass er letztendlich im Vorteil läge und nicht ich.
„Jungkook, ich weiß, du möchtest nicht, aber kommst du einmal kurz raus? Du hast einen Besucher", hörte ich Jimin sagen, der unbemerkt in mein Zimmer gekommen war. Ich holte mein Kopf aus der Decke hervor und schaute ihn an, sagte aber nichts. „Es ist wichtig, du solltest rauskommen", meinte er noch und ging wieder.
Nur seufzend rappelte ich mich auf und schaute mich im Spiegel an, der an der Wand hing, sodass ich mich direkt von meinem Bett aus angucken konnte. Ich sah aus wie ein kleiner Reinfall, Haare komplett durcheinander, ungepflegt, tiefe Augenringe und blasse Haut. Ich sah aus, als hätte ich die letzten sechs Wochen keine Sekunde mehr geschlafen, nicht mehr geduscht oder gegessen, dabei verbrachte ich momentan den Großteil meines Tages in der Badewanne, schlief meist über zwölf Stunden und schling das Essen hinunter wie ein Staubsauger.
Auch wenn ich wirklich nicht wollte, kriegte ich mich irgendwie hoch und versuchte mich mit zwei Handgriffen wenigstens ein wenig präsentabel aussehen zu lassen, bevor ich dann ins Wohnzimmer ging, wo mich, zu meiner Überraschung, Young-Mi erwartete. Irgendwie hatte ich damit gerechnet, dass nach dieser Woche aus Funkstille, Taehyung vielleicht vorbei käme, jedoch war es seine Tochter, die bei uns im Wohnzimmer auf dem Sofa saß und gerade aus einem kleinen Saftpäckchen trank.
„Na du", sagte ich und setzte mich mit einem leichten Lächeln zu ihr. Sofort lagen ihre großen Augen auf mir, sie sprang auf und griff dabei meine Hand, an der sie zog.
„Du musst ganz schnell mit nach oben kommen! Papa geht es nicht gut", meinte sie und brachte mich dazu, selbst einfach aufzuspringen. Sie war nur ein Kind, daher wusste sie nicht, wie sie in solchen Situationen zu handeln hatte, aber es überraschte mich, dass sie nach unten gefunden hatte zu uns, um mir das mitzuteilen. Weil ich nicht einfach loslaufen konnte, mit ihr hinter mir, da es viel zu extrem für das kleine Kind gewesen wäre, nahm ich sie auf den Arm und ging ganz normal nach oben, um nicht Panik auszulösen und ihr das Gefühl zu geben, ihr Vater sei in Gefahr. Dabei wusste ich ja nicht einmal, was los war.
Da der Mann mir den Türcode geschrieben hatte, der rein zufällig mein Geburtsdatum war, konnte ich problemlos in das Appartement hinein, wo ich ihn dann tatsächlich nicht gut aussehend auf dem Sofa liegend fand. Er schien zu schlafen, denn seine Augen waren geschlossen und er reagierte nicht auf uns, jedoch war er auch unter großen Schmerzen, denn er wimmerte leise und lag nicht ruhig, die Stirn leicht gerunzelt.
„Geh du in dein Zimmer spielen, ja? Dein Papa ist nur ein bisschen krank. Ich kümmere mich schon um ihn", meinte ich zu Young-Mi und obwohl sie wirklich sehr besorgt war, hörte sie auf mich und ging in ihr Zimmer, wo man sie kurze Zeit später dann auch ausgedachte Dialoge der Barbie-Puppen aufsagen hörte.
Ich kannte mich hier zwar nicht aus, dennoch fand ich aber relativ schnell eine kleine Schüssel, die ich mit lauwarmen Wasser füllte, und ein Handtuch, welches ich immer wieder darein tunkte, bevor ich es auf Taehyungs Stirn legte. Er hatte Fieber, sein Körper war heiß angelaufen, aber er schien zu frieren, denn er zitterte am ganzen Leib und während er da so unruhig schlief, zog er immer wieder die Decke bist zu seinem Hals hoch.
Und dann öffnete er seine Augen, nur ganz leicht, schaute mich an, aber sagte nichts.
„Ich denke es wäre besser, wenn ich dich zum Arzt bringe", meinte ich leise und half dem Mann dabei, sich aufzusetzen. Seine Haut war blass wie Papier und er sah tatsächlich schlimmer aus als ich, hatte schon gar keine Kraft mehr in seinem Körper, wodurch er sich selbst kaum aufrecht halten konnte. Schnell schrieb ich Jimin noch, dass er wieder auf Young-Mi aufpassen sollte, während Yoongi mir helfen würde, Taehyung zum Arzt zu bringen.
[...]
„Young-Mi und ich waren zusammen einkaufen und haben alles gebracht, was du mir geschrieben hast", meinte Jimin, der gerade aus dem Zimmer der Kleinen kam. Wir waren gerade erst zurück vom Arzt, setzten den Braunhaarigen erst einmal auf das Sofa nieder, wo er natürlich sofort von seiner Tochter erwartet wurde, die mit einem kleinen Spielzeug-Arztkoffer auf seinem Schoß saß und ihn behandelte. Kurze Zeit beobachtete ich das mit einem Lächeln, bevor ich mich dann aber ins Zeug machte.
Noch von meinen besten Freunden verabschiedend, die nach unten gingen, fing ich dann an, erst einmal nur alles einzuräumen, was in den Tüten war und dann die Wohnung ein wenig aufzuräumen, da das in den letzten Tagen scheinbar nicht gemacht wurde. Der Arzt sagte, dass Taehyung die Grippe hatte, also konnte ich es auch verstehen, dass er wenig Kraft hatte, noch für Ordnung zu sorgen.
„Du musst das alles nicht machen", sagte der Ältere, als ich zu ihm kam und etwas zu Trinken für ihn auf den Tisch legte. Er schaute zu mir, seufzte leise und ich konnte mir nur vorstellen, wie er sich wohl fühlen musste, so kraftlos, obwohl er immer derjenige sein wollte, der für alle sorgte und sich um jeden kümmerte. Das erinnerte mich an den Abend, an dem ich damals zum ersten Mal bei ihm war und nur sein Handy vorbeibringen wollte, dass er bei uns vergessen hatte, letztendlich aber bis spät in der Nacht bei ihm blieb, weil er direkt nach seiner Trennung in Glas getreten war.
So fand ich mich für einen kurzen Augenblick in einer Starre, weil ich an die Zeit zurückdenken musste, jedoch fasste ich mich schnell wieder und lächelte nur leicht.
„Nein, es ist alles gut! Ich möchte gerne helfen, da auch du mir schon oft geholfen hast", murmelte ich leise und schaute dann zu Young-Mi, die noch ein wenig mit der Plastikspritze an Taehyung fummelte. „Möchtest du mir vielleicht beim Kochen helfen?", fragte ich das kleine Mädchen, dass mich sofort mit großen Augen anschaute und hastig nickte.
So ließen wir den Vater ein wenig zur Ruhe kommen, während wir zusammen das Essen machten. Jimin hatte es tatsächlich in so kurzer Zeit geschafft, ein für Kinder sicheres Messer zu finden, welches nicht scharf genug war, um sich damit schneiden zu können, sodass ich Young-Mi, natürlich nur unter meiner Aufsicht, die kleinen Karotten und einige andere Kleinigkeiten schneiden ließ, die sie mit dem Messer durchzuschneiden schaffte. Es war ein wirklich süßer Anblick und weil ich mir sicher war, dass auch Taehyung das sehen wollte, machte ich einige Bilder davon.
So fanden wir uns bei der fast gleichen Szene wie vor einer Woche wieder, zusammen am Esstisch, wobei wir Erwachsenen eher ruhig blieben, während die Kleine uns alles mögliche erzählte. Weil es bereits am Abend war, half ich ihr noch dabei, sich bettfertig zu machen, bevor ich sie letztendlich ins Bett brachte, wo sie dann, müde wie sie war, sofort einschlief.
„Ein Engel", hauchte ich leise und blickte noch in die Richtung ihrer Tür, als ich mich zu Taehyung auf das Sofa setzte. Er hatte seine Beine angewinkelt und lag da, schien durch die Medikamente und das Essen bereits ein wenig besser zu sein, natürlich aber noch sehr krank. Ich merkte, dass er immer wieder das Gesicht leicht verzog, weshalb ich nicht lange wartete, bis ich nachfragte.
Es war ihm peinlich, weil er kein Mensch war, der gerne Schwäche zeigte, aber er erzählte mir, wo es weh tat, sodass ich kurze Zeit später seine Beine auf mir liegen hatte und sie massierte. Ich kannte das, denn immer wenn ich krank war, hatte ich Schmerzen in den Beinen und jedes Mal blieb meine Mutter damals bei mir und massierte sie mir, damit es mir besser ging. Als Kind hatte ich natürlich nicht viel Ahnung von Krankheiten, aber ich dachte immer, dass die Massage dafür sorgte, dass ich so schnell wieder gesund wurde, weshalb ich immer sagte, dass sie magische Hände gehabt hätte.
„Woran denkst du? Du lächelst so schön, aber siehst so traurig aus", merkte der Mann an und wollte sich aufsetzen, weil es ihn scheinbar beunruhigte, dass ich ein trauriges Lächeln hatte, jedoch hinderte ich ihn sofort davon, indem ich meine Hand an seine Brust legte und ihn wieder runterdrückte, wobei mir auffiel, wie schnell sein Herz raste, als ich meine Hand dort platzierte.
„Nur an meine Kindheit. Meine Mutter hat meine Beine immer massiert und ich dachte, dass ich deswegen so schnell gesund wurde", murmelte ich vor mich hin und machte weiter mit der Massage. Taehyung blieb kurz ruhig.
„Es fühlt sich tatsächlich gut an", lächelte er schwach und machte dann wieder eine kleine Pause, bevor er weiterredete. „Du vermisst deine Eltern wirklich sehr, oder? Hast du sie in diesen zwei Jahren denn nicht ein einziges Mal gesehen?"
Ich schüttelte nur den Kopf. Nicht nur hatte ich sie kein einziges Mal mehr gesehen, sondern auch nichts mehr von ihnen gehört, denn es bestand keinerlei Kontakt mehr zu meiner Familie, weder zu meinen Cousinen, noch zu meinen Onkeln oder Tanten. Ich lebte, als sei ich eigenständig durch die Welt gekommen, ohne Familie.
„Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich ziemlich unwohl damit, wieder zurück zu gehen. Was ist, wenn es dir in der Nacht sehr schlecht geht? Young-Mi soll um diese Uhrzeiten nicht alleine zu uns kommen und ich bezweifle, dass sie weiß, wie sie mich anrufen kann", meinte ich leise, lenkte somit von dem Thema ab und schaute zur Uhr, um festzustellen, dass es bereits kurz vor Mitternacht war. „Ich bringe dich ins Bett und schlafe dann einfach hier auf dem Sofa, wenn das für dich klar geht."
Aber er schüttelte den Kopf, weshalb ich ihn nur leicht nickend anschaute.
„Du schläfst im Schlafzimmer und ich hier auf dem Sofa. Nach all dem, was du heute für mich getan hast, kann ich dich doch nicht einfach im Wohnzimmer schlafen lassen", sagte er und es schien eigentlich schon beschlossen.
Letztendlich endete es aber damit, dass wir beide im Bett lagen, auf Abstand natürlich. Wir hatten zwar vor einer Woche erst miteinander geschlafen, weil ich aber keine Erinnerung daran hatte, war das hier gerade ein sehr komisches Gefühl für mich, was ich mir natürlich nicht anmerken lassen wollte.
Zu meinem Glück schlief Taehyung relativ schnell ein, weil er sehr erschöpft sein musste. Ich hingegen hatte es wirklich schwierig, denn ich wurde nicht einmal müde bei all den Gedanken, die mir durch den Kopf gingen und bei meinem rasenden Herzen. Einmal schaute ich für einen ganz kurzen Augenblick zu ihm rüber und wandte meinen Blick sofort wieder ab, jedoch bemerkte ich, wie friedlich er beim Schlafen nun aussah, anders als vorhin, als es so aussah, als würde er schlecht träumen.
So konnte ich mir ein leichtes Lächeln wirklich nicht verkneifen und auch, wenn ich mich dadurch anstecken konnte, fand ich mich keine zwei Minuten später schon direkt an seiner Seite, mit meinen Fingerspitzen ganz vorsichtig und sanft die Konturen seines Gesichtes entlang streichend. Ich wollte es eigentlich dabei belassen und schlafen, jedoch schien Taehyung entweder dadurch geweckt worden oder die ganze Zeit über wach gewesen zu sein.
Mit noch geschlossenen Augen, drehte er sich plötzlich zu mir auf die Seite, legte seine Arme um mich und zog mich fest an seine Brust.
„Ich kann nicht schlafen, wenn du mich die ganze Zeit anguckst", nuschelte er und zog die Decke noch etwas weiter über uns. Mir wurde sehr schnell sehr warm, aber es war keine unangenehme Wärme, sondern eine sehr schöne, die mich ein Gefühl von Geborgenheit spüren ließ. Auch wenn ich anfangs sehr erschrocken war darüber, wie wir hier gerade lagen, fing ich sehr schnell an, es wirklich sehr zu genießen, sodass ich irgendwann mit einem schwachen lächeln letztendlich einschlief.
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