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[Jungkook]
„Papa, bist du Zuhause?", hörte ich plötzlich eine sehr helle Stimme sagen und erschreckte mich, drehte mich sofort um und sah ein kleines Kind dort stehen, sich müde die Augen reibend und zu uns schauend. Das kleine Mädchen schien nicht angezogen fürs Bett und hatte scheinbar auf Taehyung gewartet, da sie sofort zu ihm lief.
„Wer ist dieser Mann?", fragte die Kleine und schaute mich mit großen Augen an, war aber nicht ängstlich, denn sie hielt mir schwach lächelnd ihre Hand hin, weshalb ich diese sofort ergriff und schüttelte. „Mein Name ist Young-Mi und wie heißen Sie?"
Anders als selbst zu lächeln, konnte ich da nicht, denn sie war wirklich bezaubernd und in ihrem jungen Alter schon so höflich. Mich in die Hocke setzend, schaute ich sie an und beantwortete ihre Frage.
„Mein Name ist Jungkook. Es freut mich, dich kennenzulernen!"
„Wieso bist du noch wach? Ich habe doch gesagt, du sollst schon schlafen gehen", meinte Taehyung und strich dem Mädchen durch ihre langen, braunen Haare, die glänzten wie Seide. „Papa wollte nur kurz alten Freunden Hallo sagen. Hattest du dich nicht schon bettfertig gemacht und bist du denn gar nicht müde?"
„Du hast gesagt, wir machen heute ein Foto in der neuen Wohnung, wie wir das immer gemacht haben", erwiderte Young-Mi und schaute den älteren Mann dabei ziemlich enttäuscht an. „Wir haben immer noch kein Bild gemacht! Meine Haare sehen jetzt so schön aus und morgen nicht mehr", entgegnete sie noch und schmollte leicht.
„Ich kann ein Bild von euch machen", meldete ich sofort und kurze Zeit später, standen die beiden schon in Position für das Bild. Während seine Tochter auf dem Tisch stand und ihm von hinten die Arme um den Hals geschlungen hatte, stand Taehyung vor dem Tisch, lächelte leicht und hielt zwei Finger hoch. Schnell machte ich einige Bilder mit dem Handy Taehyungs und gab es ihm dann wieder, woraufhin Young-Mi sofort dankend mein Bein umarmte und zu mir aufschaute.
„Du bist jetzt mein bester Freund!", sagte sie herzlich lächelnd, weshalb ich nicht anders konnte, als sie auf meine Arme zu nehmen und ihr glücklich zuzustimmen. Weil sie sich nicht mehr von mir lösen wollte, blieb dies auch einige Zeit lang so, bis sie letztendlich einschlief.
„Ich bring sie ins Bett", meinte mein Ex-Freund lediglich und nahm sie mir ab. Er ging mit ihr auf den Armen ins Schlafzimmer, wobei er sie ganz vorsichtig nahm, damit sie nicht wach werden würde. Zu sehen, dass er nun endlich seinen größten Wunsch erfüllen konnte, brachte mir ein warmes Gefühl ums Herz, weshalb ich meinen Blick etwas traurig senkte, da ich darüber nachdachte, dass ich wohl ziemlich viel verpasst hatte. Ich wollte stark bleiben, aber es fiel mir so schwer, vor allem, nachdem ich Taehyung nun endlich als den glücklichen Vater sah, der er immer sein wollte.
Ich war nun bestimmt schon eine halbe Stunde hier oben und sollte eigentlich wieder runter zu Jackson, jedoch hatte ich so viele Fragen, die mir in den Sinn fielen, weshalb ich noch blieb.
„Sie ist wirklich ein kleiner Engel", murmelte ich ganz leise, als er wieder neben mir auf dem Sofa saß. „Nun erzähl schon, wie kam das zustande?"
Der Mann schaute mich kurz etwas verwirrt an, weil er wohl nicht damit gerechnet hatte, dass ich darüber sprechen wollen würde, vor allem, nachdem ich ihm zuvor so viel an den Kopf geworfen hatte, hob die Mundwinkel dann aber zu einem schwachen Lächeln.
„Ich habe sie adoptiert, nicht lang, nachdem es mit uns vorbei war. Der Arzt sagte mir damals, dass ich nicht in der Lage dazu sein würde, selbst ein Kind zu zeugen, nicht einmal durch Hilfe von Eingriffen, weshalb mir nur das übrig blieb. Mein Herz war allein, was meine eigene Schuld war, weswegen ich eines Tages in ein Heim ging und die Kinder kennenlernte, die dort lange Zeit gelebt hatten. Young-Mi stach mir sofort ins Auge, denn sie war die einzige, die keine Angst vor mir hatte. Für ihr damaliges Alter, war sie schon so reif, dass es mich wirklich überraschte. Einige Male besuchte ich sie noch, wodurch wir schon so etwas wie eine kleine emotionale Bindung aufbauten, sodass es kein Problem mehr für sie war, an meiner Seite zu sein, als ich sie adoptierte. Zwar war das Jugendamt nicht ganz einverstanden damit, dass ich sie als alleinerziehender Vater adoptieren würde, da meine Arbeitszeiten zum Teil sogar kürzer sind als ihr Tag, damals im Kindergarten, und jetzt in der Grundschule, kritisierten sie nur noch die Gegend, in der ich lebte, weshalb ich umzog. Wir zogen damals schon nach Seoul, weil ich hier eine schöne Wohnung fand, direkt in der Nähe von einem Kindergarten, mit Spielplätzen und Möglichkeiten für Kinder, sich miteinander zu treffen. Yoongi erzählte mir von diesem Wohnungskomplex, weil wir noch in Kontakt waren, nachdem wir uns einmal in einem Café getroffen hatten und meinte, dass es für ein Kind hier wirklich perfekt wäre, daher sind wir in dieses Appartement gezogen", erklärte er mir. Es war eine wirklich schöne Geschichte, der ich gerne zuhörte, obwohl ich mit Taehyung schon abgeschlossen haben wollte und Letzteres brachte mich noch dazu, etwas zu grübeln.
„Also bist du gar nicht meinetwegen hier hergezogen?", fragte ich verwirrt und zeigte dabei auf mich. „Als du vorhin meintest, dass du hier lebst, dachte ich, du seist hier für mich."
Der Braunhaarige schüttelte sofort den Kopf und lachte dann leise.
„Nein, du solltest wissen, dass ich kein solcher Mensch bin. Tatsächlich wusste ich nicht einmal, dass du hier mit Yoongi und Jimin lebst, bis ich dich heute Morgen das Gebäude hab verlassen sehen und aus diesem Grund war ich heute bei euch", sagte Tae und wandte sein Blick von mir ab. Auch ich schaute hinunter und sagte nichts mehr, weil mir nichts einfiel.
Es war eine wirklich sehr unangenehme Stille, schließlich hatten wir uns zwei Jahre lang nicht mehr gesehen und wirklich im Guten waren wir auch nicht auseinandergegangen, weshalb es nichts wirklich gab, worüber man reden konnte. Außer Young-Mi.
„Wie alt ist sie eigentlich? Sie scheint ja kein Kleinkind mehr zu sein", fragte ich, um diese Ruhe zu brechen. Mein Gegenüber schien ziemlich tief in Gedanken zu sein, denn er zuckte fast schon, als ich plötzlich wieder anfing zu sprechen.
„Oh, sie ist dieses Jahr sechs geworden."
Mehr sagten wir auch nicht mehr, denn weil es wieder ruhig wurde, verabschiedete ich mich einfach und ging schnell nach unten. Auch, weil ich merkte, dass mein Herz mal wieder so sehr raste und das definitiv nicht wollte, wenn ich bei Taehyung war, musste ich sofort zu Jackson, der die ganze Zeit auf mich gewartet hatte, obwohl er wirklich müde aussah.
Total verwirrt und auch mit einem Chaos aus Gedanken im Kopf, legte ich mich einfach ins Bett, nicht ganz an den Älteren heran, hielt meinen Abstand und seufzte leise. Er legte sich seitlich hin, sodass er direkt zu mir schauen konnte und griff meine Hand.
„Du liebst ihn noch, habe ich recht?", fragte mein Professor mich mit einem etwas gleichgültig wirkendem Schmunzeln auf seinen Lippen, als seien seine Worte ein Fakt, den er bereits eingesehen hatte. „Ich merke es, dass du nicht bereit bist einen Schritt weiter zu gehen und das auch nie sein wirst, weil er der Einzige ist, den du möchtest und vor allem, den dein Herz will."
Ich riss die Augen auf und zog die Luft scharf ein.
„Ich nehme dir das nicht übel, schließlich kennst du ihn schon viel länger als mich, aber überstürze nichts, schließlich scheint er wirklich gravierende Fehler gemacht zu haben. Du solltest erst zu ihm zurück, wenn du ihn wirklich zu deinem gemacht hast. Fast schon wie ein kleines Schoßhündchen", meinte er noch leise lachend.
„Aber-", fing ich an und wurde nicht gelassen, weiter zu sprechen. „Kein Aber! Nimm die Sache in die Hand und lass Taehyung nach deiner Pfeife tanzen, denn erst dann kannst du dir sicher sein, dass er auch wirklich bei dir bleibt. Er soll nur dich vor seinen Augen haben und nur für dich leben, dann kannst du auf ihn eingehen."
„Ich verstehe nicht so ganz", sagte ich leise.
„Stell ihn dir wie ein Gemälde vor. Du bist der Künstler und musst dieses Gemälde fertigstellen, bevor du etwas damit machen kannst. Sobald du fertig bist, wird man immer wissen, dass es Dein ist, denn jeder Künstler hat eine individuelle Art, seine Werke anzufertigen, was bedeutet, dass Taehyung letztendlich, komme was wolle, nicht von deiner Seite weichen wird, weil er dir gehört und du ihm. Dem Künstler gehört das Gemälde und dem Gemälde gehört der Künstler. Mach ihn zu Deinem."
Einige Tränen hatten sich bereits in meinen Augen gebildet und bahnten sich ihren Weg über meine Wangen, weil es mir in einer Weise wirklich das Herz brach, zu sehen, dass Jackson mich aufgab, obwohl wir nicht einmal richtig angefangen hatten, nur damit ich mit Taehyung glücklich sein konnte, einem Mann, der mich selbstsüchtig vor zwei Jahren einfach verlassen hatte, den ich seitdem aber nie vergessen konnte.
Wie ich es von Anfang an geahnt hatte, war er wirklich ein herzensguter Mensch. Jemand, den man in seinem Leben definitiv brauchte.
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