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[Jimin]
Kurz zuvor
„Du arbeitest so viel, willst du nicht eine Pause machen? Es ist sowieso schon kurz vor Mitternacht", sagte ich und schmiegte mich von hinten an Yoongi, der an seinem Arbeitstisch saß.
„Ich würde gerne, aber du weißt doch, dass ich momentan viel zu tun habe. Wir starten ein neues Projekt unter meiner Leitung, weil mein Vater meine Fähigkeiten sehen will. Es darf nicht schief gehen, denn ich will ihm beweisen, dass ich und er Lage dazu bin-", sagte er, wurde aber unterbrochen von dem Klingeln, das durch die Wohnung hallte.
„Hat er wieder seinen Schlüssel vergessen?", fragte ich, seufzte dabei leise und ging zur Tür. Es passierte öfter mal, dass Jungkook seinen Schlüssel vergaß, da er so ziemlich immer neben der Spur war und sich nicht richtig konzentrierte, aber das passierte jedem mal.
Sofort ging ich zur Tür und öffnete sie einfach, ohne dabei wirklich nachzudenken. So erschrak ich, als ich nicht Jungkook vor mir sah, sondern Taehyung, meinen alten Klassenlehrer und seinen Ex-Freund.
„Du solltest nicht hier sein", meinte ich seufzend und wollte die Tür sofort wieder schließen, jedoch verhinderte der Ältere das, indem er seine Hand dagegen schlug und letztendlich einfach hinein kam. Ich versuchte ihn aufzuhalten, denn ich wusste, Jungkook würde jeden Moment hier auftauchen, jedoch war ich nicht gerade der Stärkste.
„Wo ist er? Wo ist Jungkook?", fragte er immer wieder, ging dabei unachtsam durch unser Zuhause und schaute sich um, als sei es seins. „Ich weiß, ihr lebt hier zusammen, also sag mir endlich wo er ist!"
Aber ich blieb ruhig. Der Mann sollte nicht erfahren, dass Jungkook gerade bei Jackson war, denn ich wusste, das würde nur Probleme bringen, aber irgendwas musste ich mir einfallen lassen, damit er so schnell wie möglich von hier verschwinden würde, denn ich wollte nicht, dass mein bester Freund wieder in ein altes Kapitel seines Lebens zurückgezogen werden würde. Nun, da er jemanden hatte, bei dem ich mir sicher war, dass es funktionieren könnte, hatte Taehyung nichts mehr hier verloren und sollte auch nicht stören. Yoongi dachte da aber ganz anders.
Im Gegensatz zu mir, der versuchte unseren alten Lehrer so schnell wie möglich aus diesem Appartement zu schmeißen, lud Yoongi ihn sogar fröhlich ein, einen Tee mit uns zu trinken. Da ich gegen meinen Freund nicht viel sagen konnte, endete es alles damit, dass wir nun zu dritt im Wohnzimmer saßen und Tee tranken. Anfangs noch in unangenehmer Stille.
„Wieso bist du hier?", fragte ich letztendlich irgendwann, weil ich nicht mehr ruhig bleiben konnte. „Nachdem du Jungkook damals einfach so verlassen und ihn wie Dreck behandelt hast, habt ihr zwei Jahre lang keinen Kontakt mehr gehabt! Wieso kommst du jetzt? Weißt du, wie unpassend das gerade ist? Zum ersten Mal seit zwei Jahren scheint er wieder glücklich zu sein und dich endlich vergessen zu haben! Was, wenn er hier gleich reinkommt und dich sieht? Denkst du er wird glücklich in deine Arme laufen und dir verzeihen?"
Erst zuckte er mit den Schultern, dann kam das Nicken und ein leichtes Lächeln, welches zeigte, wie überzeugt er von sich selbst war. Mit einem Mal ging so viel Wut durch meinen Körper, dass meine Hände sich sofort zu Fäusten ballten, mit denen ich Taehyung am liebsten mitten ins Gesicht geschlagen hatte, jedoch zog Yoongi mich etwas enger an sich und beruhigte mich somit wieder.
„Du bist wirklich dreckig Taehyung! Deine Persönlichkeit ist schwarz wie die Pest und selbst ein Stein hat mehr Charakter als du. Hast du denn Spaß? Dieser Junge hat dir nichts getan und ist dir jahrelang wie ein Schoßhündchen hinterhergelaufen, hat alles für dich gema-", entgegnete ich gerade, aber wurde unterbrochen von der Haustür, die gerade aufging. Zwar sah man sie nicht, jedoch hörte man leichtes kichern und definitiv das Geräusch von Küssen. So plötzlich wie das passierte, saßen wir hier kurz in einer Starre, bis wir Jungkooks leises Stöhnen wahrnahmen und wussten, was hier gerade passierte.
Ich wollte ihn noch aufhalten, aber Taehyung war schneller und rannte sofort in den Flur, wo sich Jungkook und Jackson aufhielten.
„Lass die Finger von ihm!", hörte man den Mann durch die ganze Wohnung schreien und keine Sekunde später, sah man ihn nur noch über Jackson liegen und auf ihn einschlagen. Dieser ließ das natürlich nicht auf sich sitzen und schlug zurück, sodass hier gerade eine regelrechte Prügelei stattfand, die vorerst nur Jungkook unterbrechen wollte, der bereits vollkommen aufgelöst aussah. Da er es nicht schaffte, trat Yoongi ein und hatte es irgendwie hinbekommen, die Beiden erst einmal auf Abstand zu bringen, weshalb ich erleichtert ausatmete, weil sie vorerst nicht mehr aneinander geraten wollten, dachte ich.
-
[Jungkook]
„Tut es noch sehr weh?", fragte ich Jackson und nahm das Kühlpack weg, welches ich die ganze Zeit über schwach gegen die Stellen drückte, die bereits ein wenig blau geworden waren. „Wie konnte er das tun? Mitten ins Gesicht", murmelte ich und strich ganz sanft mit meinen Fingerspitzen darüber.
Sofort griff er meine Hand und hielt sie in seiner, lächelte dabei leicht.
„Mach dir keine Sorgen um mich, mir geht es gut, ja? Du solltest jetzt zu ihm, er ist hier, um mit dir zu reden", meinte mein Professor leise. Mein Herz erwärmte bei diesem Anblick und seinen Worten, denn er zeigte für Taehyung noch so viel Verständnis, obwohl dieser ihn grundlos mehrmals geschlagen hatte.
„Aber das will ich nicht! Ich habe mit ihm abgeschlossen und wollte weitergehen, nicht mehr in der Vergangenheit leben. Deswegen hatten wir unser Date heute ja und ich habe sofort gemerkt, dass ich mit dir sein will, weil ich mich bei dir glücklich fühle", nuschelte ich leise vor mich hin und war schon kurz davor, wieder in Tränen auszubrechen, jedoch konnte ich mich noch einigermaßen davon abhalten.
Jackson legte seine Hand an meine Wange, beugte sich vor und küsste mich einmal, bevor er sich wieder von mir löste und meine Hand etwas drückte.
„Geh und rede mit ihm. Klärt die Dinge von damals, damit du nicht allzu verletzt bist, wenn du in die Zeit von damals zurück schaust, ja? Es ist wichtig, dass man zu jedem Menschen wenigstens ein neutrales Verhältnis hat, vor allem zu denjenigen, die mal eine wichtige Rolle spielten, sonst wird es immer etwas geben, dass dich belastet. Mach dir um mich keine Sorgen, ich werde hier auf dich warten, falls ich vorher nicht einschlafe. Lass dir Zeit und ruf mich sofort, wenn du mich brauchst oder komm einfach her. Ich bin nur ein Zimmer von dir entfernt", sagte er noch, küsste mich wieder und stand auf, um mich ebenfalls auf die Beine zu ziehen. Wir umarmten uns einmal kurz, bevor ich aus meinem Schlafzimmer ging zu Taehyung ins Wohnzimmer, wo er bereits auf mich wartete.
Nicht nur wollte ich ihn nicht sehen, sondern war ich auch sehr wütend auf ihn, dass er einfach handgreiflich gegenüber Jackson geworden war, der ihm nichts getan hatte. So würdigte ich ihn keines Blickes und setzte mich mit großem Abstand von ihm auf eines der Sofas.
„Es ist schön dich wieder zu sehen, ich habe dich wirklich sehr vermisst Jungkook", meinte Taehyung leise. „Ich möchte nicht lange um den großen Brei reden und direkt auf den Punkt kommen. Zwei Jahre sind viel Zeit, das weiß ich und es hat auch wirklich lange gedauert, bis ich endlich mit mir selbst ins Klare kam darüber, was ich dir damals angetan habe. Als ich die Bilder sah, war ich verletzt, weil sie so echt wirkten und ich mich immer wieder an das Versprechen erinnerte, von dem Eunwoo redete. Dazu warst du zu ihm gezogen und lebtest fast zwei Monate bei ihm, weil du von Zuhause weggerannt warst, sagtest mir aber, dass ihr nicht mal mehr Kontakt hattet. Wie konnte ich dir dann noch vertrauen, als du sagtest, dass die Bilder nur unpassende Momente seien, die fotografiert wurden, wodurch es aussah, als wäre da was zwischen euch?"
Nur leise seufzend senkte ich den Blick, denn mein Herz raste die ganze Zeit über und ich wusste, dass ich noch viel für Taehyung empfand. Er war meine erste richtige Liebe und leider war es so, dass diese nie vergehen würde, man erinnert sich an sie, ob man wollte oder nicht und sie würde immer irgendwie da sein. Aber ich hatte nun Jackson, der deutlich besser für mich war, ein viel aufrichtigerer Mann. Jemand, der mich nicht einfach so verletzen würde, mir zuhörte und mir Zeit ließ, mich nicht provozierte und mich glücklich machte.
„Ich kann dir ganz genau sagen, wie du mir hättest vertrauen können", fing ich an zu sagen und schaute ihm direkt in die Augen. „Indem du mich wirklich geliebt hättest, dann wäre dir nämlich sofort aufgefallen, was gestimmt hat und was nicht. Ich war immer ehrlich zu dir, außer ich konnte es nicht, gab dir alles was ich hatte und vertraute dir mein Leben an. Dass ich bei Eunwoo lebte, konnte ich dir nicht erzählen, weil ich dir nicht zur Last fallen wollte, denn ich wusste, du würdest mich mit zu dir nehmen wollen, wenn du erfahren hättest, dass ich von Zuhause weggerannt war. Zwar habe ich es lange Zeit für mich behalten, dennoch war ich derjenige, der dir das erzählt hat, noch bevor mit den Bildern ein Skandal erschaffen wurde! Ich weiß, dass es dich verletzt hat, aber ich wusste schon da, dass du mir nicht mehr vertrauen würdest und ich bin mir auch sicher, dass du mich selbst ohne diesen Skandal verlassen hättest!"
„Weißt du-", sagte er, jedoch unterbrach ich ihn. „Schlimmer ist aber, dass du, anstatt alles ein wenig runterkommen zu lassen und dieses Gespräch vielleicht ein oder zwei Wochen später zu suchen, damit alles wieder gut sein würde, einfach gegangen bist. Du hast dich voll und ganz von mir abgewendet, mich überall blockiert, meine Nummer gesperrt und bist einfach umgezogen, sodass ich nicht einmal mehr die Möglichkeit hatte, den Kontakt zu dir aufzunehmen. Ich habe alles versucht, um die Beziehung zu retten und auch, um meine Fehler gut zu machen, wobei ich deine Fehler nicht einmal sehen wollte, denn mir war es viel wichtiger, einfach an deiner Seite zu sein. Aber weißt du was? Jetzt sehe ich deine Fehler. Der größte davon war, dass du mich einfach aus deinem Leben geschnitten hast, ohne mit der Wimper zu zucken, als wäre ich dir nicht wichtig gewesen und hast zwei Jahre lang nicht ein einziges Lebenszeichen von dir gegeben, während ich jeden Tag mit der Angst einschlief, du würdest vielleicht gar nicht mehr leben. Dich hat es nicht interessiert wie es mir ging, bist einfach weggegangen, denn du bist ein egoistischer, egozentrischer, feiger und selbstsüchtiger Mann, der nichts Anderes als sich selbst in seinem Leben sieht!"
Ich sah, dass meine Worte ihn wirklich sehr verletzten, aber es störte mich nicht. Zwar hatte ich noch Vernunft und blieb relativ ruhig, wusste dennoch, dass es keine Worte waren, die ich ihm ein zweites Mal an den Kopf werfen würde.
„Wenn du hier bist, weil du denkst, ich würde dich einfach so wieder zurücknehmen, dann hast du falsch gedacht. Ich bin über dich hinweg, habe dich vergessen und jemand Neuen gefunden. Wenn du irgendwas willst, da ich nicht weiß, wie deine Lage ist, ob Geld oder sonst was, dann bist du hier nicht richtig, also muss ich dich bitten, entweder jetzt sofort den Mund zu öffnen und auf den Punkt zu kommen oder direkt zu gehen", meinte ich, ohne jegliche Emotion und zeigte in Richtung der Haustür.
Taehyung schien bereits kurz vorm ausbrechen zu sein, da seine Augen ganz glasig wurden. Mein Herz brach, als ich ihn so sah, aber ich kämpfte mit mir selbst drum, nicht schwach zu werden.
„Es ist alles gesagt. Aber bitte nimm das trotzdem an", sagte er leise und schon auf dem Tisch einen Zettel zu mir rüber, auf dem, wie ich erkannt, seine Nummer drauf stand. Der Mann stand auf, wobei er ein wenig humpelte, da auch er verletzt war und, anders als Jackson, nicht behandelt wurde.
Auch wenn ich gerade viel Wut und in gewisser Weise auch eine Menge Hass in mir wahrnahm, hatte ich noch Menschlichkeit in mir, weshalb ich sofort aufstand und ihn stützte.
„Ich bringe dich runter und rufe dir ein Taxi", meinte ich leise, aber wurde abgelehnt.
„Es ist nicht nötig, ich wohne seit heute zwei Stockwerke über euch", erzählte er mir und auch, wenn es mich wirklich sehr schockierte, begleitete ich ihn bis zu sich in die Wohnung, welche zwar schon ein wenig eingerichtet war, aber überwiegend noch vollgestellt mit Umzugskartons.
Vorsichtig setzte ich den Braunhaarigen auf seinem Sofa ab und schaute mich nach einem Kühlpack in seinem Kühlschrank um, musste letztendlich aber einen kleinen Beutel voll Erbsen nehmen.
„Du solltest deine Wut unter Kontrolle bringen", murmelte ich ganz leise vor mich hin. „Es ist nicht richtig, Menschen so zu behandeln, egal wie die Situation ist."
Er sagte nichts mehr und schaute einfach zum Boden, während ich den Beutel an seine Schulter drückte. Ich schaute mich noch ein wenig um und erkannte, dass hier alles ein ziemliches Chaos war, weshalb ich leise seufzte.
„Papa, bist du Zuhause?", hörte ich plötzlich eine sehr helle Stimme sagen und erschreckte mich, drehte mich sofort um und sah ein kleines Kind dort stehen, sich müde die Augen reibend und verwirrt zu uns schauend.
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