»41«
[Jungkook]
Laut aufschreiend, zog sich mein ganzer Körper zusammen, wegen des eiskalten Wassers, dass mir gerade über den Kopf gekippt wurde.
„Hier! Vielleicht treibt es ja die Schwuchtel aus dir raus!", lachte die Gruppe ausJungs, die mir einen Becher mit Eiswasser über den Kopf schütteten. Alles war nass, meine Kleidung, meine Haare und auch die Zettel, die ich in der Hand hielt, an denen ich bis spät nachts gesessen hatte. Taehyung quälte mich bereits die ganze Woche mit unmöglichen Aufgaben, die ich nur gerade so noch bewältigen konnte und gestern gab er mir diesen Stapel aus Aufgaben in die Hand, die er von einer seiner Klasse eingesammelt hatte, zusammen mit den Lösungen, damit ich sie ein zweites Mal korrigieren würde, um sicherzugehen, dass er keine Fehler gemacht hatte bei der Korrektur. Nun war aber alles hin.
Stark zitternd, ging ich einfach den Flur hinunter, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte, und klopfte an Herr Kims Tür, um nicht einfach in seinen Raum zu platzen, obwohl wir Pause hatten. Ich wartete, bis er von drinnen rief, ging rein und legte den tropfenden Stapel an Zetteln auf seinen Tisch. Ohne ihn anzuschauen, weil ihm nicht in die Augen sehen wollte, stand ich einfach da und musste die Tränen zurückhalten, die wegen der Erniedrigung kommen wollten.
„Du hast keine Fehler bei der Korrektur gemacht", murmelte ich ganz leise vor mich hin und wollte auch schon verschwinden, wurde jedoch am Arm zurückgezogen. Taehyung stellte sich plötzlich dicht vor mich, weshalb ich ihn ungewollt anschauen musste und sah, dass er ziemlich besorgt war.
„Warum bist du nass? Und all die Aufgaben? Es regnet doch gar nicht", stellte er fest, denn die Sonne schien heute. Immer wieder legte er seine Hand an irgendeine Stelle meines Körpers und wurde dabei hektischer, denn er merkte, dass ich ganz kalt geworden war. „Warte kurz hier! Ich hole dir was zum Umziehen aus dem Auto!"
Und so ließ er mich alleine in seinem Klassenraum zurück, weshalb ich den Tränen freien Lauf gab. Ich brach aus wie ein Vulkan, weinte und atmete unruhig, denn nicht nur fühlte ich mich dem Boden gleichgemacht, sondern auch all die Arbeit, die ich gestern erledigte, all die Stunden, die ich damit verbracht hatte seitenlange Aufsätze zu lesen, waren nun hin.
Meine Brust zog sich zusammen und ich röchelte ein wenig nach Luft, denn ich begann eine Panikattacke zu bekommen, konnte mich vorher zum Glück aber noch beruhigen, sodass ich vollkommen fertig an den Lehrerpult lehnte und für einen Augenblick die Augen schloss. Ich spürte, wie mein Herz rasend pocht bis hin in meinen Hals, wobei sich langsam auch eine innere Hitze in mir breit machte, die sich aber keinesfalls gut anfühlte.
„Was machst du hier?", hörte ich jemanden sagen, jedoch war es nicht Taehyung, der wieder von seinem Auto da war, sondern Yoongi. Auch wenn ich es anders wollte, kehrte ich ihm den Rücken zu, denn mein Freund durfte mich nicht dabei erwischen, wie ich mit ihm sprach. Ich hatte diese Woche genug Stress und Ärger, da wollte ich mir selbst nicht noch mehr antun, auch wenn ich den Blauhaarigen wirklich sehr mochte und es mir das Herz brach, dass meine Eltern die Freundschaft nicht wollten, obwohl sie erst entstanden war. Weil es sowieso nichts brächte, hatte ich auch nicht mehr versucht sie umzustimmen, denn sie waren viel zu stur.
„Du solltest nicht hier sein, geh lieber", flüsterte ich fast schon, in der Hoffnung Yoongi würde auf mich hören und einfach gehen, jedoch tat er das natürlich nicht, schließlich hatte ich seine Nachrichten seit einer Woche ignoriert und war ihm in der Schule immer aus dem Weg gegangen, mit der Begründung, ich müsse zu unserem Lehrer. Einerseits stimmte das auch, denn ich wurde herumkommandiert wie ein kleiner Hund und musste meinem Freund, der hier nur mein Lehrer war, hinterher, als sei er mein Herrchen gewesen, andererseits aber nutzte ich das als Ausrede, wenn er nach der Schule mit mir reden wollte und behandelte ihn irgendwann nur noch wie Luft.
Ich konnte mir schon vorstellen, dass Yoongi wahrscheinlich nicht wirklich glücklich damit war, jedoch hatte ich keine andere Wahl, wenn ich nicht alles noch schlimmer machen wollte. Es musste ohnehin nur noch zwei Monate anhalten, denn sobald ich aus der Schule raus
und von Zuhause ausgezogen sein würde, könnten meine Eltern mir nichts mehr sagen. Wahrscheinlich würde Taehyung da noch ein Wort mitzureden haben, aber auch darauf würde ich mich nicht fixieren und das tun, was ich wollte.
„Wieso? Das hier ist nicht dein Klassenraum. Wenn ich hier sein möchte, dann bin ich hier. Die Frage ist doch eher, warum du hier bist", meinte der Ältere und stellte sich vor mich wie auch Herr Kim es vorhin getan hatte, wodurch ich ihm in die Augen schauen musste. Ich zog die Luft scharf ein und wollte mich wieder wegdrehen, jedoch legte er seine Hände an meine Schultern und hinderte mich daran, das zu tun. „Du bist komplett nass und kalt! Komm mit, ich habe Sachen in meinem Spind!"
Ohne ein weiteres Wort, legte er seinen Arm um meine Schultern, damit ich ihm nicht entfliehen konnte und ging so mit mir aus dem Klassenraum hinaus. Sofort schaute ich mich nervös um, weil ich Angst davor hatte, erwischt zu werden, jedoch war niemand hier. Zum Glück.
Wir gingen zu den Spinden, die sich sowieso auf der anderen Seite des Gebäudes befanden, was bedeutete, dass wir Taehyung eigentlich nicht über den Weg laufen konnten. Dort holte Yoongi etwas für mich zum Anziehen raus, bevor wir dann in Richtung der Sporthalle gingen, die eigentlich nicht in Benutzung war, weil die Vorbereitung für die Abschlussfeier bereits stattfand. Er war Teil der Fußballmannschaft und hatte daher einen Schlüssel dazu, weshalb wir in die Kabinen gehen konnten.
„Ich hoffe die Sachen passen dir einigermaßen und sind nicht zu groß", meinte der Junge und hielt sie mir hin. Ihm leise dankend, nahm ich alles an und legte es vor mich, mich umziehen konnte ich aber nicht, solang Yoongi noch neben mir stand und mich anschaute. Sofort fiel mir da etwas in den Sinn, weil ich dasselbe fast so schonmal erlebt hatte, nur dass es mit und bei Taehyung war. Mein Herz klopfte wieder.
„Kannst du dich bitte umdrehen?", fragte ich leise, aber mein eigentlich guter Freund schüttelte den Kopf.
„Zieh dich um und erzähl mir, wieso du mir aus dem Weg gehst und meine Nachrichten ignorierst. Die Pause ist bald vorbei und ich werde dich hier vorher nicht rauslassen", entgegnete er und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Es überraschte mich, wie ähnlich Taehyung und Yoongi sich doch waren. Sie machten gleiche Gesten und nutzten auch überwiegend dieselbe Ausdrucksweise.
„Meine Eltern wollen es nicht, weil sie denken, du hättest mich am Montag zum Schwänzen animiert. Ich hab das Gefühl, Herr Kim überwacht mich, weshalb ich nicht von seiner Seite weichen darf und auch nicht daran denke. Mein Handy wird kontrolliert, weshalb ich nicht auf deine Nachrichten antworten kann", erklärte ich schnell, während ich mich umzog, obwohl es mir unangenehm war. Es ging mir auf die Nerven, ihn noch weiter im Dunkeln tappen zu lassen, weshalb ich dachte, es sei das Beste gewesen, einfach die Wahrheit zu erzählen. „Normalerweise sind meine Eltern nicht so streng, aber wenn es um Schule geht, sind sie ganz anders. Deswegen bitte ich dich Geduld zu haben, bis ich alles geregelt hab und sie sich ein wenig beruhigt haben. Ich möchte nicht noch mehr Ärger bekommen, denn der könnte sich auch auf dich auswirken und das will ich auf keinen Fall!"
„Wieso hast du mir das nicht einfach gleich gesagt? Ich dachte schon, du hasst mich", erwiderte er und seufzte leise. „Aber gut, ich werde warten! Mach es aber nicht zu schlimm, es tut ein bisschen weh, wenn du so kalt zu mir bist."
„Es tut mir leid, mir wurde keine andere Wahl gelassen."
Nun, da ich frisch angezogen war, umarmten wir uns kurz, bevor wir nacheinander aus der Sporthalle gingen, aus Angst, Taehyung würde bereits nach mir suchen. So ging ich in Yoongis Kleidung zurück zu seinem Klassenraum, wo der Mann tatsächlich schon auf mich zu warten schien, mit einer nicht allzu erfreuten Miene.
Mir unsicher auf die Unterlippe beißend, stellte ich mich wieder dorthin, nah an seinem Tisch, wo ich vorhin auch schon gestanden hatte und schaute hoch. Er hob seinen Arm, weshalb ich mich einmal kleiner machte, aus Angst er würde mich schlagen, obwohl ich wusste, dass er niemals dazu in der Lage wäre. Letztendlich zeigte er nur auf die Uhr an seinem Handgelenk.
„Du hast noch dreißig Sekunden Zeit, um mir gute Gründe zu geben, wieso ich nicht wütend auf dich sein und dich nicht noch härter bestrafen sollte, weil du nicht auf mich hörst", meinte er nur und wandte sein Blick dann zu mir.
Mein Kopf war so voll, dass ich kein Wort über die Lippen brachte, mich einfach verbeugte und in dieser Position verharrte.
„Ich werde das nicht mehr tun! Es tut mir leid!", sagte ich sofort und kniff die Augen zu. Ich hörte, wie Taehyung aufstand von seinem Platz und hinter mich ging, wo die Tür zufiel, ins Schloss. Mit immer größerer Angst in mir, zitterte ich und ballte die Händen schon zu Fäusten.
Aber der Braunhaarige strich nur sanft über meinen Kopf, durch meine Haare und blieb mit seiner Hand an meiner Wange stehen.
„Ich mache nur Spaß Jungkook, du bist wirklich süß", erwiderte der Ältere lachend und setzte sich wieder an seinen Platz. „Deine Eltern verbieten dir die Freundschaft, nicht ich. Ich bin dein Freund, der Mann an deiner Seite, also sollte ich wenigstens so viel tun können, dass deine Freundschaft zu Yoongi hier in der Schule ein kleines Geheimnis zwischen uns bleibt. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem ich der Grund dafür war, dass ihr in erster Linie den Kontakt abbrechen musstet."
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