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[Jungkook]

Wie benebelt saß ich angewurzelt nur da und wusste nicht, was ich tun sollte, da es mein erster Kuss war und ich zuvor nur in Büchern laß, was man in solchen Momenten tat, aber ob das auch wirklich zutraf, wusste ich nicht.

Taehyung ließ aber nicht ab, denn während er mein Gesicht in seinen Händen hielt, küsste er mich immer leidenschaftlicher, drückte seine Brust an meine und wie es schien, wollte er nicht einmal von mir ablassen. Ich hatte gerade alles, was ich jemals wollte und wovon ich tausende Male geträumt hatte, aber es fühlte sich nicht so an, wie ich es erwartet hatte. Weil ich selbst nichts machte, nichts machen konnte und mein Kopf einfach voller Gedanken war, die ich nicht los wurde, konnte ich den Kuss nicht einmal wirklich genießen. Die Überforderung half nicht gerade, denn wie ein instinktiver Abwehrmechanismus, legte ich meine Hände an seine Schultern und drückte ihn einfach von mir weg.

„Jungkook, gefällt es dir etwa nicht?"

„Es tut mir leid", murmelte ich leise vor mich hin und senkte meinen Blick sofort. ,,Ich bin gerade überwältigt und überfordert." Mein Herz raste und ich spürte den Puls bis in meinen Hals, wie ein unangenehmes Pochen, fast schon wie ein Schmerz. Ich zitterte am ganzen Leib und hatte meine Hände währenddessen noch immer an seinen Schultern, krallte mich dort in das T-Shirt, weil ich mich fühlte, als würde mich jeden Moment die komplette Kraft in meinem Körper verlassen. Auch einige Tränen hatten sich bereits ihren Weg gebahnt und liefen meine Wangen hinunter.

„Warum weinst du? Bin ich so schlecht im Küssen?", fragte der Mann sofort in Panik, wollte damit natürlich nur die Situation etwas auflockern, da er sicherlich wusste, wie gut er darin war, und wischte mir die Tränen von den Wangen weg. Taehyung nahm seine Hände gar nicht mehr von mir und strich immer wieder mit seinem Daumen über meine Haut, um damit weitere Tränen wegzuwischen. „Es tut mir leid, wirklich."

„Nein, da gibt es nichts, wofür man sich entschuldigen sollte. Ich bin einfach nur-...; Es war-...", stotterte ich und wurde rot, weil ich nicht wusste, wie ich das sagen sollte. Mir war es wirklich peinlich, dem Älteren, der sicherlich schon unendlich viel an Erfahrung in seinem Leben gesammelt haben durfte, zu erzählen, dass er mir gerade meinen ersten Kuss gegeben hatte, Ehrlich gesagt, befürchtete ich ganz einfach auch, dass dieser Kuss für ihn bedeutungslos war, während er für mich gerade die Sonne hinter dem Horizont wieder aufging. „Ich habe noch nie jemanden geküsst", presste ich es dann letztendlich aus mir heraus, weil ich es nicht länger halten konnte.

Für einen Augenblick blieb es deswegen tatsächlich sehr ruhig und ich erwartete jetzt, dass er wieder von mir ablassen würde. Sobald ich meinen Blick aber hob und in das Gesicht des Mannes meiner Träume schaute, erkannte ich ein schwaches Lächeln auf seinen Lippen, die bis vor wenigen noch auf meinen gelegen hatten, was ich noch immer nicht wirklich realisierte.

„Dein erster Kuss also? Wieso hast du nichts erwähnt? Schließlich habe ich dich gerade einfach so geküsst. Ich dachte schon, du würdest den Kuss nicht gut finden, denn eigentlich war ich mir immer schon sicher, dass ich sehr gut darin sei, jedenfalls sagte man mir das immer", erwiderte er und lachte leise. Auch wenn es mir noch ein wenig unangenehm war, musste ich ebenfalls ein wenig lachen und merkte schnell, wie wenige seiner Worte dafür sorgten, dass ich mich entspannte und nicht mehr allzu beengt von meinen Gedanken und Gefühlen war.

„Aber wieso hast du mich geküsst? Es ist ja schon komisch genug, dass ich dich, meinen Lehrer, duzen darf, aber jetzt noch dieser Kuss, obwohl sie vor zwei Tagen ausdrücklich meinten, sie seien heterosexuell", murmelte ich. Dabei spielte ich wieder einmal mit meinen Fingern, ebenso ein gesenkter Blick, wie ich es immer tat, wenn ich nervöser wurde. Ich sprach Letzteres auch sehr leise aus, denn ich war mir nicht sicher, ob ich das einfach so sagen konnte.

Ohne weitere Vorwarnung, legte Taehyung seine Hände an meine Oberschenkel und zog mich dicht an sich, weshalb ich mich aus Reflex wieder an ihn klammerte, da ich das Gefühl hatte, noch von der Kommode zu fallen. Genauso plötzlich, hob er mich dann hoch, wieder mit einer unglaublichen Leichtigkeit, weshalb ich meine Arme um seinen Nacken legte, wieder aus Angst zu fallen, und sah, wie er in Richtung des Bettes ging, in welches ich dann gelegt wurde.

Ich wollte gerade wieder aufstehen, jedoch hatte ich dazu gar nicht erst die Chance, denn der Mann beugte sich über mich, mit den Händen rechts und links von mir an der Matratze, sodass es kein Entkommen gab. In diesem Moment kam dann eine Kette aus dem Nichts zum Vorschein, die vorher wohl unter seinem T-Shirt gewesen war.

„Die ist wirklich schön", meinte ich ganz einfach, weil sie mich wirklich faszinierte. Die Kette war silber und hatte einen kleinen Anhänger in T-Form, welcher bestückt war mit kleinen Diamanten, die ziemlich echt aussahen, weil sie selbst unter Einfall des gedämmten Lichts noch immer strahlten. „T für Taehyung?", fragte ich leise und hielt das Teil dabei in der Hand, während ich es noch immer anschaute.

„Genau, das T steht für meinen Namen. Ich habe die Kette zur Geburt von meinen Eltern erhalten", erzählte der Mann und ließ sich neben mich fallen, sich auf die Seite legend, seinen Kopf auf der Hand abstützend und hielt nun selbst den Anhänger der Kette in seiner Hand. „Sie wollten etwas, das mich für immer an sie erinnern würde, weshalb sie mir eine Menge bedeutet und daher wollte ich sie eigentlich an mein Kind weitergeben, damit dieses auch für ein Leben lang an mich denken würde."

„Das ist wirklich süß von Ihn-", und ich stockte, weil Taehyung mich mahnend anschaute, da ich wieder zum Siezen schwankte. „Ich meine, dass ich das wirklich süß von dir finde. Aber du kannst ja trotzdem noch ein Kind adoptieren und es an dieses weitergeben, deinen Eltern wird das sicherlich trotzdem akzeptieren!"

„Sicherlich würden sie das", meinte er nur und plötzlich merkte ich, wie die Stimmung ganz komisch wurde. Und dann kam es. ,,Meine Eltern leben aber nicht mehr."

Aufgrund meiner wirklich dummen Aussage, herrschte nun eine sehr unangenehme Stille. Am liebsten würde ich jetzt auch einfach im Erdboden versinken, weil ich mich so sehr dafür schämte, einfach davon ausgegangen zu sein, dass seine Eltern noch lebten. Das war wirklich leichtsinnig von mir, schließlich hätte ich es merken sollen, spätestens als er erwähnte, dass sie mit der Kette etwas wollten, mit dem er sich an sie erinnern könne.

Weil keiner mehr was sagte, setzte ich mich einfach auf, rutschte an den Rand des Bettes und schloss seufzend meine Augen für einen Augenblick. Mein Kopf war voll und rauchte wahrscheinlich schon, denn ich versuchte eine angemessene Entschuldigung zu finden, jedoch kam mir nichts Passendes in den Sinn, für einen solchen Fehler.

„Mach dir nichts draus, du konntest es immerhin nicht wissen", hörte ich ihn hinter mir sagen, noch bevor ich eine dumme Entschuldigung aussprechen konnte. Weil sich das Bett um mich herum etwas absenkte, konnte ich mir erschließen, dass Taehyung nun wieder dichter an mich herankam. Das bestätigte sich letztendlich auch, als ich seine Beine rechts und links von meinen sah, sodass ich nun zwischen ihnen saß.

Eigentlich wollte ich sofort aufstehen, weil ich mich nicht wohl fühlte in dieser Position, da ich ganz genau wusste, dass ich das nicht lange aushalten würde, jedoch spürte ich plötzlich Hände an meinem Nacken, weshalb ich dort sofort hin griff.

„Was machst du da?", fragte ich leise und wollte mich umdrehen, konnte es aber nicht, denn etwas legte sich um meinen Hals, jedoch sah ich es nicht, weil ich nicht direkt dorthin schauen konnte.

„Auch wenn sie eine schöne Bedeutung hat, trage ich diese Kette immer mit der Erinnerung an meine Eltern, weshalb ich sie in erster Linie weitergeben wollte. Da ich nun nicht mehr in der Lage sein werde, sie an mein Kind zu geben, gebe ich sie dir, weil du für mich da warst, als ich an einem Tiefpunkt meines Lebens war", flüsterte er leise. Dann lag die Kette auch schon um meinen Hals und sie war noch ganz warm, weil Taehyung selbst sie bis eben noch getragen hatte.

„Taehyung, ich kann sowas nicht-", wollte ich gerade sagen, jedoch unterbrach er mich, weil er mich plötzlich dicht an sich heranzog, sodass ich mich in seinen Armen befand. Mit seinen Händen an meinen Schultern, drehte er mich ein wenig zu sich, sodass ich nun das schwache Lächeln in seinem Gesicht sah, in dem man noch immer die Trauer erkannte, die er wohl tief in sich fühlte.

„Der Kuss war nicht impulsiv oder ein dummer Gedanke von mir. Du lässt mich vieles infrage stellen und tust auch Sachen mit mir, die ich nicht verstehe", erzählte der Dunkelhaarige und ich schluckte nur einmal laut, weil ich nicht wusste, was noch kommen würde. „Eigentlich sollte ich noch mit einem gebrochenen Herzen hier im Bett liegen und weinen, aber aus irgendeinem Grund weckst du, ohne wirklich etwas zu tun, Interesse in mir. Wofür, weiß ich nicht. Ob für dich oder einfach um mich auszuprobieren, das ist noch nicht klar. Ich bin aber neugierig, also gehe ich diesem Interesse nach und allein dieser Kuss hat mir schon gezeigt, dass mein Interesse für dich besteht."

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