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[Jungkook]
Am nächsten Tag stand ich wirklich lustlos und auch verdammt müde im Bus, hörte dabei meine Musik und ließ die letzten Tage einfach Revue passieren, denn es war einfach viel zu viel geschehen, auf das ich nicht eingestellt gewesen war. Ich wusste nicht, wie es gleich in der Schule sein würde und was die Leute aus meiner Klasse dachten, aber Taehyung hatte mir gestern noch den restlichen Mut gegeben, den Tag heute nicht zu schwänzen.
„Höre einfach nicht darauf, was sie sagen, ja? Es sind Schüler und sie sind alle in ihrer Pubertät, was bedeutet, dass mehr als Müll sowieso nicht aus ihren Mündern kommen kann. Mach dir keine Sorgen, ich werde ab Montag wieder da sein und dann wird auch keiner mehr wagen, etwas gegen dich zu sagen, denn ich habe die Macht in der Hand, an die sie nicht herankommen", sagte er leicht lächelnd. „Ich glaube an dich, du schaffst das!"
Natürlich lagen viele Blicke auf mir, als ich das Gebäude betrat, schließlich hatte das Gerücht bestimmt schon seine Runde durch die ganze Schule gemacht, aber es störte mich nicht und ich ging durch die Flure, ohne dass ich mich beeinflussen ließ. Ohne auf die anderen zu achten, holte ich meine Sachen aus meinem Spind raus, tat diese in meine Tasche, legte danach letztendlich mein Essen hinein, welches ich später dann in der Pause essen würde.
Weiterhin mit der Musik auf den Ohren, ging ich zu meinem Klassenraum, wo ich mich an meinen Platz setzte und kein Interesse daran hatte, auch nur ein einziges Mal zu den Anderen zu schauen. Da ich ganz vorne saß, direkt an dem Schreibtisch des Lehrers, befand sich der Rest der Klasse hinter mir, sodass ich sie nicht sehen konnte. Alle bis auf die neue Schülerin, die heute kam und sich neben mich setzte, da an meinem Tisch der einzige noch frei Platz war.
„Fast hätte ich es vergessen! Morgen wird eine neue Schülerin zu uns in die Klasse kommen und eigentlich sollte ich sie in der ersten Stunde ein wenig vertraut machen mit den Anderen und auch der Schule, aber ich habe mich krank gemeldet. Magst du das also bitte für mich übernehmen? Ich habe großes Vertrauen darin, dass du sie gut aufnimmst und ihr euch gut verstehen werdet. Sie musste aus ähnlichen Gründen wie du, weil ihre Mitschüler sie nicht mochten, die Schule wechseln und ist daher, wie ihre Eltern erzählten, noch relativ ängstlich."
„Hey! Ich bin Jungkook", sagte ich voller Selbstbewusstsein und drehte mich zu dem Mädchen, dass mich nur einmal anschaute und dann ihren Blick sofort wieder abwandte. Taehyung hatte mir gesagt, dass er durch ihre Eltern wusste, dass sie ein eigentlich sehr offener Mensch war, aber durch Mobbing an ihrer alten Schule nicht wirklich auf Menschen zugehen mochte, weshalb ich nachvollziehen konnte, warum sie so abweisend wirkte. Ich nahm es ihr nicht übel.
„Acelya", nuschelte sie leise vor sich hin. Während ich sie weiterhin anschaute, hatte sie einige Zeit lang noch ihren Blick auf ihr Handy gerichtet, bis sie das irgendwann weglegte und mich endlich wieder ansah, sodass ich mich nicht ganz so abgewiesen fühlen musste. „Du bist der Schüler, der mir hier alles zeigt, oder?", fragte sie. „Herr Kim hat gestern sehr spät am Abend noch bei uns angerufen und von dir erzählt."
Etwas verwundert darüber, weil ich nichts davon wusste, musste ich ein wenig lächeln. Als Antwort nickte ich nur und streckte mich dann einmal, weil ich aus Müdigkeit gähnen musste.
„Darf ich fragen, warum die anderen dich an deiner Schule schlecht behandelt haben? Du musst mir das natürlich nicht erzählen, aber ich mache gerade dieselbe Erfahrung und kann dich dann besser verstehen", erzählte ich ihr. Tatsächlich hatte mir Taehyung gestern ziemlich viel Kraft gegeben, sonst hätte ich nie den Mut gehabt einfach so mit einem fremden Menschen zu sprechen, aber vor allem, weil er mir die Aufgabe gegeben hatte, Acelya hier aufzunehmen und alles zu zeigen, gab ich mir besonders viel Mühe, da ich ihn um jeden Preis stolz mache wollte.
„Ich sehe nicht aus wie ihr", erwiderte die Braunhaarige und schaute auf ihre Finger, während sie mit diesen spielte. „Wir sind erst vor drei Jahren nach Korea gekommen, daher ist mein Koreanisch auch noch nicht so gut wie eures. Wir haben vorher in Deutschland gelebt und ursprünglich ist meine Familie aus der Türkei. Ich hatte nicht erwartet, dass die Schüler hier so konservativ sind und mich wirklich behandeln, als sei ich sonst was!"
„Hier sind sie das nicht! Du warst wohl nicht auf der richtigen Schule", meinte ich sofort und schaute einmal durch meine Klasse. „Wir haben hier Leute aus Amerika, China und auch England! Ich bin mir sicher, du wirst Freunde finden! Aber du sagst ja du hast vorher in Deutschland gelebt und dass deine Familie aus der Türkei kommt. Wie viele Sprachen sprichst du?", fragte ich neugierig, weil mich sowas immer wieder faszinierte. Ich besaß kein großes Talent für Sprachen, konnte neben Koreanisch nur ein wenig Japanisch und die Grundkenntnisse in Englisch.
Da wir nun ein wenig vertrauter im Gespräch waren, hatte Acelya sich tatsächlich zu mir gedreht und lächelte dabei ein wenig. Natürlich freute mich das, weil es hieß, dass Herr Kim mich loben würde, jedoch machte es mich auch glücklich, weil sie die erste Person an dieser Schule war, mit der ich mich problemlos unterhalten konnte, da sie keine Vorurteile gegenüber mir hatte.
„Ich kann fließend Türkisch und Deutsch, habe in Deutschland auch noch Englisch gelernt, bevor wir nach Korea gekommen sind auch mit Koreanisch angefangen und das hier weiterhin gelernt. Also vier Sprachen!", erklärte sie mir und ich konnte nur staunen.
„Das ist so interessant! Du musst mir unbedingt mal etwas auf Deutsch beibringen! Oder türkisch!", entgegnete ich und strahlte bis über beide Ohren. Sie freute sich sicherlich so sehr wie ich darüber, gleich Anschluss bei jemandem gefunden zu haben, denn auch sie lächelte nun breiter und saß auch lässiger, nicht mehr allzu verspannt, was bedeuten musste, dass sie sich wohl fühlte.
Mir fiel ein, dass ich noch vor Unterrichtsbeginn die Aufgaben für die nächsten drei Stunden anschreiben sollte, in denen wir Taehyung gehabt hätten, weshalb ich schnell in meiner Hosentasche kramte, weil ich darin einen kleinen Zettel verstaute, den der Mann geschrieben hatte. Acelya schaute mich ein wenig verwirrt an, da es wirklich dumm aussehen musste, wie ich mich strecken musste, um aus meiner Hosentasche etwas rausholen zu können, einfach weil die Hose so eng war. Aber ich schaffte es und ging damit sofort zur Tafel.
Weil es unüblich war für einen Schüler die Tafel zu beschreiben, wenn es nicht aufgetragen wurde durch einen Lehrer, hatte ich natürlich schnell die ganze Aufmerksamkeit auf mir, es war ruhig und keiner sprach. Während ich alles schrieb, atmete ich einmal tief ein und wieder aus, um den nötigen Mumm zu sammeln, vor dieser so hassvollen Klasse etwas ansagen zu können.
„Herr Kim hat mich gebeten an euch weiterzureichen, dass er heute aufgrund einer Verletzung nicht kommen kann und an der Tafel stehen nun also die Aufgaben, die wir bearbeiten sollen. Weiterhin soll ich ausrichten, dass er kein Vertrauen in diese Klasse setzt, dass die Aufgaben auch wirklich erledigt werden, weshalb er mir noch auftrug, am Ende der dritten Stunde alles einzusammeln, was ihr bis dahin geschafft habt", erzählte ich. Was ich dabei aber nicht erzählte, war, dass ich heute am Nachmittag nach der Schule nochmal zu ihm gehen würde, um die Aufgaben abzugeben. Ich grinste leicht, während ich zurück zu meinem Platz ging und mich dort wieder hinsetzte.
„War ja klar, dass sowas wieder von dir kommt Jungkook!", hörte ich Namjoon hinter mir in amüsiertem Ton rufen und alle lachten dann mit ihm mit, wie eine Bande aus kleinen Kindern, nachdem jemand zum ersten Mal das Wort Penis gesagt hatte. „Teacher's Pet! Kennst du das? Wie ein Hündchen tanzt du nach seiner Pfeife, wedelst mit deinem kleinen Schwänzchen und hast immer die Zunge schön brav hinausgestreckt!"
Nur leise seufzend senkte ich meinen Blick und versuchte seine Worte nicht an mich heranzulassen, was mir aber wirklich schwer fiel, weil es mir nah trat. Im Augenwinkel erkannte ich dann auch, wie Acelya mich einen Augenblick lang anschaute, bevor sie dann aufstand und wegging, was ich natürlich verstehen konnte, da niemand neben jemandem wie mir freiwillig sitzen wollte. Daher konnte ich es ihr auch nicht übelnehmen.
„Selbst wenn es so wäre, hätte Jungkook immerhin mehr als du erreicht, der es sich wohl zum Lebensmotto gemacht hat, auf vermeintlich Schwächeren herumzuhacken, um das eigene Ego damit zu pushen, weil es nichts Anderes gibt, in dem du gut bist oder das du kannst", entgegnete das neue Mädchen und ich sah, wie sie ihre Hände zu Fäusten geballt hatte.
„Mach das nicht! Sie werden dich ebenso schlecht behandeln wie mich!", versuchte ich so leise wie möglich zu sagen, als ich von meinem Stuhl aufgesprungen und zu ihr gegangen war, zog dabei an ihrem Ärmel, damit sie sich endlich hinsetzen würde. Sie blieb jedoch eifrig stehen und verschränkte nun auch die Arme vor der Brust.
„Weißt du Jungkook, das sollen sie gerne tun, denn ich weiß, dass ich in dir einen wirklichen Freund finden kann, wobei ich in ihnen nur der Gesellschaft angepasste Puppen sehe. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich lieber nur einen Freund als zwanzig, aus dessen Mündern mehr Scheiße kommt als aus ihrem Hintern!", sagte sie noch und hatte sich somit als erste Person überhaupt gegen Namjoon und seine Leute gewendet, was natürlich so erschreckend für sie war, dass sie kein Wort mehr sagten und sich lediglich gegenseitig anschauten, unwissend, was sie jetzt tun sollten. Ein Mädchen schlagen, konnten sie ja nicht.
Nicht einmal in meinen Träume hatte ich je zuvor eine solche Szene gesehen, in der sich jemand, der mich nicht einmal wirklich kannte, einfach so auf meine Seite stellte, um denen die Stirn zu bieten, die tagtäglich versuchten, mir mein Leben zur Hölle zu machen. So gleichgültig und voller Selbstbewusstsein, wie sie das auch noch getan hatte, war ich einfach nur fasziniert.
„Wollen wir mit den Aufgaben anfangen? Ich bin mir sicher, wir kriegen die noch fertig, bevor die Stunde vorbei ist und können dann was anderes machen", meinte sie lächelnd, als sei nichts gewesen. Auch wenn ich noch sehr schockiert war, nickte ich nur leicht und wunderte mich auch darüber, dass Namjoon weiterhin sprachlos war und nicht laut durch den Raum brüllte.
Zurückhaltend? Ruhig? Schüchtern? Ich glaube, dass ihre Eltern sie noch nicht wirklich kannten und Taehyung daher ein falsches Bild von ihr an mich weitergegeben hatte.
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An dieser Stelle gehen Grüße raus an ayleca54 , sie ist nämlich die erste Person, die ich in eines meiner Bücher mit einbringe, die nicht irgendwie ein Promi ist oder ein fiktiver Charakter :3
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