Fünfte Szene

Mit einem schmerzenden Schädel wache ich am nächsten Morgen auf. Ich liege definitiv nicht in meinem Bett, soviel weiß ich jedenfalls.

„Guten Morgen, Tea!" Hinter mir höre ich Jai den Flur entlangschlurfen und die Erinnerungen an letzte Nacht kommen unscharf zurück. Ich bin bei Jai. Ich bin bei Jai auf der Couch.

Bis mein Gehirn diese Nachricht verarbeitet hat, dauert es noch ein paar Sekunden und ich befreie mich von der gut duftenden Decke, die meine Füße einzwickt.

„Kaffee?" Geschäftig werkelt Jamie in seiner Küche herum und ich reibe mir verschlafen die Augen. „Ja, gerne."

Frühstücken bei meinem besten Freund waren immer die Highlights von unseren nächtlichen Ausflügen, weil es erstens extremst lecker ist und zweitens unabhängig von der Tageszeit.

Ich tapse unbeholfen in Jai's Badezimmer und schaue mich im Spiegel an. Die Haare stehen mir wirr vom Kopf und meine Augenringe hängen fast bis zu meinen Mundwinkeln hinunter.

Mein trockener Rachen sagt mir, dass ich ein paar Shots zu viel hatte und bedächtig setze ich den Spülbecher von Jamie an meine Lippen, um zu trinken.

Nach drei Schlucken geht es mir wieder so weit besser, dass ich vernünftig sprechen kann und schnell putze ich mir die Zähne und stapfe wieder zu Jai zurück.

Von der offenen Küche aus strömt ein herrlicher Duft den Gang entlang und ich lasse mich von meinem Bauch führen. Ist keine schlechte Idee. Außer in einer Großstadt. Weil da mehr als nur eine Futterquelle steht.

„Mjam!" Ich schnappe mir ein noch lauwarmes Aufbackbrötchen und reiße ein kleines Stückchen davon ab, stopfe es in den Mund und warte, bis mein Speichel den Rest erledigt. Besser kann es nicht sein!

„Und genau das ist mein Stichwort!" Ich höre Stella, Jai's Mitbewohnerin, die sich lässig auf einen der drei Barhocker fläzt und es mir gleichtut, indem sie sich ein Weckerl nimmt.

„Hey, lange nicht mehr gesehen!", scherzt Jai und ich muss Grinsen. Seit Stella einen Freund hat, gehört Jamie quasi die ganze Wohnung. Eine Win-Win-Situation. Er muss sich nicht mehr über unfreundliche One-Night-Stans aufregen und Stella ist glücklich. Perfekt!

„Naja, ich würde vier Tage nicht als lang bezeichnen, also..." Sie schneidet sich gekonnt ihr Brötchen auf und fängt an, etwa Frischkäse darauf zu verstreichen.

„Ich schon, vor allem, weil ich dein Mitbewohner bin.", erwidert Jai und reicht mir eine Tasse Kaffee. Mit viiieeel Zucker. Und noch mehr Milch.

„Danke." Ich nehme einen Schluck. Himmlisch! Die Kakaodecke, die auf dem Milchschaum liegt, verleiht dem Kaffee eine ganz besondere Note. Ich muss es ja wissen.

„Zufrieden?" Ich nicke und trinke noch einen Schluck. Nur um sicherzugehen, dass ich nicht träume. Tu ich nicht.

„Ach ja, der süße Postbote hat mir einen Brief für dich vorbeigebracht, warte, wo ist er nur..." Jamies Kopf verschwindet hinter der Küchenplatte und taucht nach einem beunruhigenden Scheppern wieder auf. „Hier, bitte!"

Schneller als ich, wenn ich Ramen-Nudeln im Sonderangebot sehe, reißt Stella ihm den unscheinbaren Umschlag aus der Hand, stopft sich den Rest ihres Brotes in den Mund und rennt fast aus dem Zimmer. Aber nur fast.

Weil sie nämlich die tiefhängende Wohnzimmerlampe übersieht und sich ihren Kopf so hart anschlägt, dass selbst ich das Klingeln in meinen Ohren hören kann.

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