10 | Bubble Waffle Love

Ihr Süßen, während ich in meiner neuen Raf Geschichte festhänge und einfach den Knoten nicht aufkriege, gehts für euch hier mit Kaia und Nio weiter. Ich bin gespannt, wie ihr das Kapitel findet :D

Ein paar Tage später fand Nio sich im Fitnessstudio wieder. Er sehnte sich schmerzlich danach, sich auszupowern. Sonst half der Sport ihm dabei, den Kopf freizukriegen, doch heute reichte sein Gefühlschaos rund im Kaia aus, ihn eineinhalb Stunden an den Kraftgeräten zu beschäftigen.

Noch immer dachte er an ihre letzte Verabredung und ging den Tag in seinem Kopf minutiös wieder und wieder durch. Nach wie vor wusste er nicht, worüber er sich mehr ärgerte; dass sie ihn fallenlassen hatte wie eine heiße Kartoffel, oder dass ihn genau das reizte. Jedenfalls hatte er sich nicht mehr bei ihr gemeldet, sondern abgewartet, bis sie den nächsten Schritt gemacht hatte und auf ihn zugekommen war. Doch auch, wenn sie ihn gleich am nächsten Abend angerufen hatte, hatten sich die wenigen Stunden wie eine quälende Ewigkeit angefühlt. Er konnte nur ahnen, wie beschissen sie sich jedes Mal gefühlt haben musste, wenn er sie geghostet hatte.

Seufzend stemmte er die Hantel hoch und legte sie wieder in der Halterung ab. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann eine Frau ihn das letzte Mal so aus der Fassung gebracht und sich dermaßen hartnäckig in seinem Kopf eingenistet hatte. Flüchtig warf er einen Blick auf die Uhr. Ein paar Stunden blieben ihm noch bis zu seiner heutigen Verabredung mit ihr. Bei der Vorstellung daran, sie wiederzusehen, schlich sich ein seliges Lächeln auf seine Lippen. Noch immer hatte er sich nicht entschieden, ob er alles auf eine Karte setzen oder ihr noch ein bisschen Zeit geben sollte. Er wollte sie so sehr, dass es wehtat, und wusste, dass sie ihn bloß zappeln ließ, um ihn bis aufs Blut zu reizen, doch als er ihr vor ein paar Tagen gegenübergestanden hatte, hatte er in ihren Augen gesehen, dass sie ihn mindestens genauso sehr wollte, wie er sie.

Für die letzten zwei Übungen versuchte er, die Gedanken an sie zur Seite zu schieben, doch so richtig gelingen wollte es ihm nicht. Und auch, als er eine Stunde später zuhause aus der Dusche kam, dachte er immer wieder an Kaia und fragte sich, wie ihr Treffen wohl verlaufen würde. Schnell rubbelte er seine Haare ein wenig trocken, dann cremte er sich ein, schlüpfte in eine Shorts und eine Jeans und zog sich einen beigefarbenen Hoodie über. Er hatte gerade seine Haare geföhnt und war dabei, sie zu stylen, als sein Vater hineinplatzte.

„Ich bin gleich fertig", sagte er, ohne ihn anzuschauen, und beäugte sich kritisch im Spiegel. Als er mit sich zufrieden war, streifte er sich die teure Uhr über das eine Handgelenk und ein dazu passendes Armband über das andere. Anschließend sprühte er sich ein wenig Parfum an den Hals. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Vater, der mit vor der Brust verschränkten Armen hinter ihm stand und ihn kritisch beäugte, ein für seine Verhältnisse schickes Hemd und eine Jeans trug.

„Triffst du dich mit ner Perle?", wollte Marten wissen.

„Nee, du?", schoss Nio grinsend zurück.

„Date mit deinen Großeltern", kommentierte Marten trocken und trat neben ihn, um seine Haare zu stylen. Dabei drehte er ihm kurz den Kopf zu. „Und du?"

Nio zog ahnungslos die Augenbrauen zusammen.

„Wie kommst du darauf, dass ich jemanden date?", leugnete er weiterhin seine bevorstehende Verabredung mit Kaia.

„Warum sonst nimmst du so viel von meinem Parfum?", wollte Marten wissen.

„Weil's geil riecht", antwortete Nio schulterzuckend.

„Wenn du noch'n bisschen mehr davon nimmst, stinkst du wie'n Bulle auf ner Obstwiese", kommentierte sein Vater trocken, während er seine Haare mit etwas Gel frisierte. Nio schmunzelte unwillkürlich.

„Dann solltest du für dein Treffen mit Oma und Opa besser vorsichtig sein. Nicht, dass Opa noch denkt, du willst ihm den Rang ablaufen", wechselte er geschickt das Thema. Marten verdrehte die Augen.

„Ich kann mir echt Geileres vorstellen", antwortete er. „Aber ich hab's versprochen."

„Selbst schuld", feixte Nio. „Hättest irgendeine Ausrede schmeißen sollen."

Marten schüttelte den Kopf.

„Nee, Mama ist das wichtig. Dann lass ich sie nicht hängen", erwiderte er und kramte im Badezimmerschrank herum. Nio lächelte.

„Find ich cool, dass du dir das ihr zuliebe antust."

Marten lachte.

„Ja, find ich auch cool von mir. Sag ihr das mal, vielleicht erkennt sie dann, dass ich doch nicht so'n schlechter Kerl bin."

Nio runzelte besorgt die Stirn.

„Warum? Habt ihr Stress?"

Marten winkte ab.

„Ach was. Nee. Aber seit sie weiß, dass du ab und zu in den Laden kommst, nervt sie mich damit zu Tode. Wie der Vater, so der Sohn", erzählte er. Nio seufzte.

„Tut mir leid. Kann ich irgendwas tun?"

Marten lachte auf und klopfte ihm väterlich auf die Schulter.

„Nicht mehr ins Dolls kommen."

Nio nahm sich vor, bei der nächsten Gelegenheit mit seiner Mutter darüber zu sprechen. Schließlich war er alt genug, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Sein Vater konnte nichts dafür. Außerdem wollte er nicht, dass sie sich Sorgen um ihn machte.

„Bestell Oma und Opa schöne Grüße von mir", sagte er, bevor er das Bad verließ und sich auf den Weg machte. Als er kurz darauf vor der Doppelgarage parkte, kam Kaia bereits aus der Haustür. Er schmunzelte. Hatte sie etwa auf ihn gewartet? Während sie die Tür hinter sich zuzog und auf ihn zukam, hielt er kurz inne und betrachtete sie wohlwollend. Sie trug eine blaue Jeans im Used Look, in deren Bund sie ein cremefarbenes Stricktop mit hübschem V-Ausschnitt gesteckt hatte. Darüber hatte sie eine knielange, leichte Bluse in einem Karamellton gezogen und lässige Sneakers dazu kombiniert. Wieso glaubte sie bloß, nicht perfekt zu sein, obwohl sie von Natur aus so schön war?

„Hey", lächelte sie, als sie die Beifahrertür öffnete und zu ihm ins Auto stieg.

„Hey", erwiderte er, unschlüssig, wie er sie nun begrüßen sollte. „Alles gut?"

„Ja", nickte sie. „Bei dir auch?"

Sie sah ihm einen Moment länger in die Augen als nötig. Sein Mund wurde trocken. Für einen Moment wusste er nicht, ob ihm wegen der Umgebungstemperatur so warm wurde, oder ob es an ihrer Anwesenheit lag.

„Ja, wie immer", überspielte er ihre Wirkung auf ihn. Als sie sich angeschnallt hatte, schenkte sie ihm ein weiteres atemberaubendes Lächeln, das ihn schwach werden ließ.

„Was machen wir denn jetzt?", fragte sie neugierig. „Du hast es ja ganz schön spannend gemacht."

„Siehst du gleich", antwortete er. „Ist nicht weit von hier."

Sie strich sich den Stoff der Bluse glatt.

„Du machst es echt spannend", kommentierte sie, während er den Motor startete und aus der Einfahrt rollte.

„Und, hat John sich wieder eingekriegt?", fragte er und drehte ihr kurz den Kopf zu. Kaia, die ihm bei ihrem letzten Telefonat von dem Streit mit ihrem Vater berichtet hatte, seufzte schwer.

„Geht so. Er findet, ich mache mir das Leben unnötig schwer, weil ich jetzt erstmal irgendwo zur Miete wohnen will und ist der Meinung, dass ich sinnlos Geld aus dem Fenster werfe", erzählte sie. Er nickte.

„Naja, genau genommen hat er sogar Recht – was nicht heißt, dass ich dich nicht verstehe", gab er zurück, den Blick auf die Straße gerichtet. „Und deine Mum?", hakte er nach und sah kurz zu ihr herüber.

„Die ist auf meiner Seite. Aber die wollte von ihm ja auch nie was geschenkt haben und versteht, warum ich erstmal versuchen will, auf eigenen Beinen zu stehen", sagte sie.

„Du weißt ja, wie dein Dad ist. Der kriegt sich schon wieder ein", gab er zuversichtlich zurück. Sie seufzte schwer.

„Mich belastet das. Ich bin so harmoniebedürftig und mag einfach keine Spannungen innerhalb der Familie", sagte sie bedrückt. Ohne weiter darüber nachzudenken, nahm er ihre Hand und drückte ihre Finger sanft zusammen. Sofort begannen seine wie verrückt zu kribbeln.

„Wenn es dich irgendwie tröstet – bei uns ist auch nicht alles okay."

Sie drehte ihm den Kopf zu.

„Wieso, was ist los?", wollte sie wissen. Noch immer lag ihre Hand in seiner. Es gefiel ihm, dass sie sie nicht wegzog.

„Mama hat spitzgekriegt, dass ich ab und zu mit den Jungs im Dolls einen draufgemacht habe. Jetzt stresst sie Papa deswegen", erzählte er. „Ich will nicht, dass die wegen mir streiten."

„Hm, tut mir leid", sagte sie. „Aber ich kann deine Mom verstehen."

Nio lachte unwillkürlich auf.

„Selbst ich kann sie verstehen", räumte er ein, setzte den Blinker und ließ Kaias Hand los, um den Wagen um die Kurve zu lenken.

„Dann geh doch einfach nicht mehr hin", schlug Kaia trocken vor, so, als sei die Lösung des Problems offensichtlich.

„Ob du es glaubst oder nicht, aber es gäbe tatsächlich einen Grund für mich, da nicht mehr hinzugehen", räumte er ein. Sie zog die Augenbrauen hoch.

„Und welchen?"

Er warf ihr einen eindeutigen Seitenblick zu, sagte jedoch nichts. Sie strich sich durch die wilden Locken und musterte ihn grinsend.

„Pass besser auf, was du sagst. Nicht, dass ich dich eines Tages daran erinnere."

„Okay, vielleicht würde ich mit den Jungs ein, zwei Mal um die Häuser ziehen und wenn wir dann da vorbeikämen, würde ich nicht nein sagen. Aber ich würde nicht gezielt hinfahren, nur, um da rumzuhängen und meine Zeit da totzuschlagen", räumte er ehrlich ein. Sie lachte.

„Was?", fragte er und drehte ihr stirnrunzelnd den Kopf zu.

„Wie du jetzt schon versuchst, dich aus der Affäre zu ziehen...", grinste sie augenrollend. Er wurde ernst.

„Wäre es für dich wirklich so schlimm, solang du genau wüsstest, ich komme abends zu dir nach Hause?"

„Kommst du ja nicht", widersprach sie. „Weil ich dann das Schloss austausche und du auf der Straße schlafen kannst – oder bei einem deiner Kartellkumpels Pablo oder Escobar."

Er lachte auf.

„Sie heißen Ramon und Paco. Und wieso redest du überhaupt so schlecht von denen? Du hast die nie kennengelernt."

Sie grinste schief.

„Komm schon. Du machst dich ununterbrochen über Elias und Leander lustig, aber ich darf das nicht?"

Er verdrehte die Augen.

„Das ist doch was völlig anderes."

„Ach ja?", grinste sie belustigt. „Warum?"

„Weil ich mit denen nicht zusammen war. Du aber schon."

„Mit Pablo und Escobar?", stichelte sie. Sein Blick verfinsterte sich. Allein die Vorstellung, sie könnte mit einem seiner Kumpels ausgehen, ärgerte ihn. Es war unfassbar, wie leicht sie ihn mit Kleinigkeiten reizen konnte.

„Übertreib es nicht, Kaia."

„Du bist süß", sagte sie völlig unerwartet und warf ihn damit nur noch mehr aus der Bahn. Als sie nun mit einem entwaffnenden Lächeln auf den Lippen seine Hand nahm und seine Finger zu kribbeln begannen, seufzte er schwer.

„Du nicht."

Sie kicherte. Er sagte nichts, dennoch huschte ein verräterisches Schmunzeln über seine Lippen. Er liebte ihre freche Art und wie sie ihn immer wieder aus der Reserve lockte.

Es dauerte nicht mehr lang, bis sie den Parkplatz erreichten. Er lag ein paar Gehminuten von der Fußgängerzone entfernt. Für einen Wochentag war einiges los. Die warme Herbstsonne und die spätsommerlichen Temperaturen hatten viele Menschen in die liebevoll angelegte Grünanlage gelockt, die den Parkplatz mit der Einkaufsstraße verband. Hier und dort saßen ein paar Grüppchen im Gras, picknickten, hörten Musik oder quatschen einfach miteinander. Ab und zu begegnete ihnen ein Spaziergänger mit Hund oder eine Mutter mit Kinderwagen. Die Sonne neigte sich langsam dem Horizont zu, doch es war nicht kalt. Als sie schließlich den Weg verließen und in die Flaniermeile einbogen, blieben sie kurz stehen.

Rechts und links standen kleine Buden und Wägen aufgereiht, leise Musik dudelte aus kleinen Lautsprechern, die alle paar Meter an den Häuserfassaden angebracht waren. Herrliche Düfte hingen in der Luft, so unterschiedlich, dass er sie nicht greifen konnte, doch so verführerisch, dass er herausfinden wollte, wo sie herkamen, da ihm bereits das Wasser im Mund zusammenlief. Als Kaia begriff, dass er sie auf ein Food Festival geschleppt hatte, drehte sie ihm den Kopf zu. Ihre Augen strahlten.

„Hab ich zu viel versprochen?", fragte er. Sie grinste zufrieden.

„Das ist echt cool", räumte sie ein.

„Dann komm, lass uns gucken, was es hier alles gibt", lächelte er, bevor er wie selbstverständlich ihre Hand nahm. Zu seiner Erleichterung zog sie ihre nicht weg, sondern schlenderte los, um gemeinsam mit ihm den Food Court zu erkunden. Das Angebot an Essensständen, Food-Trucks und sonstigen mobilen Imbiss-Gelegenheiten war riesengroß, genauso wie die ausgefallenen Gerichte und Essenskreationen. Beim Anblick der Grill-und Burgerbuden konnte er sich gar nicht entscheiden, wo er lieber etwas probieren wollte, aber auch Vegetarier und Veganer kamen hier voll auf ihre Kosten.

Neugierig blieb Kaia an einem der Stände stehen. Sie war fasziniert davon, dass es dort Heuschrecken und andere Insekten zu essen gab und beobachte einen Moment lang beeindruckt, wie die Speisen zubereitet wurden.

„Ganz bestimmt nicht", kommentierte Nio und zog sie weiter, denn er hatte nur wenig Appetit auf derartige kulinarische Köstlichkeiten. Also bummelten sie weiter an den verschiedenen Angeboten vorbei. Nach längerem Hin und Her einigten sie sich schließlich auf Quesadillas mit Hühnchen und leckeren Saucen. Da sie sich die große Portion teilten, schaute er sich anschließend noch nach einem kleinen Nachtisch um.

„Komm, wir holen uns noch ne Waffel", sagte er und deutete auf einen Food Truck gegenüber. Sie schüttelte den Kopf.

„Ich glaube, ich habe genug", sagte sie. Er runzelte skeptisch die Stirn.

„Echt jetzt?", fragte er, während sie auf die andere Seite gingen.

„Ja, aber du kannst dir gern eine holen."

„Okay. Wir teilen uns eine", schlug er vor. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie über sein Angebot nachdachte. Ein wenig haderte sie mit sich, doch er schenkte ihr ein ermutigendes Lächeln. „Wenn du nicht mehr willst, esse ich den Rest", sagte er und deutete auf seinen Bauch. „Ich hab noch ein bisschen Platz."

„Nagut", lenkte sie ein, also stellte er sich an, um ihnen eine riesige Bubble Waffel zu besorgen. Nur einen Moment später drückte er Kaia die prall mit Früchten, Eis und Schokoladencreme gefüllte Süßigkeit in die Hand und reichte ihr einen Plastiklöffel dazu.

„Hier", sagte er. Sie betrachtete einen Moment fasziniert die mächtige Füllung, dann hielt sie die Waffel ein wenig schräg und biss genussvoll hinein.

„Oh mein Gott", schwärmte sie kauend. „Die schmeckt mega."

Er grinste genügsam, schnappte sich eine Serviette und schlenderte mit ihr in Richtung Ausgang zurück. Dabei biss sie immer mal wieder ein kleines Stück von der Waffel ab oder schaufelte ein wenig von der Füllung auf den Plastiklöffel. Die Sonne war bereits untergegangen, als sie den Fußweg zum Auto wieder erreichten. Kaia kämpfte mittlerweile mit dem Rest der Waffel und hielt sie ihm schließlich entgegen.

„Ich kann echt nicht mehr", sagte sie. Er lächelte.

„Guck mal. Sogar die hat einen abgekriegt."

Kaia verdrehte die Augen, während er zu zwei breit gebauten Typen herübersah, die unweit von ihnen an einer Parkbank chillten.

„Hör einfach nicht hin", seufzte sie und setzte unbehelligt ihren Weg fort.

„Kennst du die?", fragte er, den durchbohrenden Blick weiter auf die beiden gerichtet.

„Ja, waren in meiner Klasse. Scheiß einfach drauf", sagte sie, griff nach seiner Hand und machte einen Versuch, ihn mit sich zu ziehen. Nur widerwillig folgte er ihr.

„Na, schmeckt die Waffel?", rief der Größere von beiden ihr hinterher, ehe er ein paar dicke Backen machte und sein Freund in Gelächter ausbrach. Von einer Sekunde auf die andere brodelte es in Nio wie in einem Vulkan. Kaia machte sich sowieso schon grundlos fertig und kämpfte mit sich selbst, obwohl es nicht einmal einen Grund dafür gab. Sie hatte einfach eine kurvige Figur, und nur, weil solche Arschlöcher auf ihr rumhackten, hatte sie überhaupt erst das Gefühl, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Die Erkenntnis, dass Kommentare wie diese möglicherweise überhaupt erst dazu geführt hatten, dass sie so mit ihrer eigentlich völlig normalen Figur haderte, machte ihn rasend vor Wut.

Ohne weiter darüber nachzudenken, ließ er ihre Hand los und ging zielstrebig mit gestrafften Schultern auf die beiden Typen zu. Sein Gesichtsausdruck war finster, seine Augen blitzten gefährlich in der Dunkelheit auf. Im Augenwinkel sah er, dass Kaia ihm verdutzt hinterherschaute.

„Nio!", rief sie, doch ihre Stimme drang nur wie durch Watte an seine Ohren. Er war so in Rage, dass er sie kaum mehr wahrnahm, sondern seine Umgebung wie durch einen Tunnel sah.

„Hast du'n Problem?", fragte er den Größeren, der sich über Kaia lustig gemacht hatte, baute sich vor ihm auf und sah ihm düster ins Gesicht. Nio zog kühl eine Augenbraue hoch. Wahrscheinlich wog der Typ sich in Sicherheit, weil die beiden in der Überzahl waren und nicht davon ausgingen, dass Nio ihnen tatsächlich gefährlich werden konnte. Doch er hatte sich schon mit ganz anderen Leuten angelegt. Sein Gegenüber grinste ihm süffisant ins Gesicht.

„Die Einzige, die hier ein Problem hat, ist deine Freundin. Und zwar mit ihrem Essverhalten", konterte er belustigt und deutete mit einem Nicken auf Kaia und brachte das Fass für Nio damit zum Überlaufen. Ohne ein weiteres Wort stieß er ihn nach hinten und verpasste ihm den ersten Boxer. Während sein Gegenüber schwankte, versuchte sein Freund, dazwischenzugehen, doch er schubste ihn achtlos zur Seite und konzentrierte sich auf den Größeren von beiden. Der machte einen Versuch, sich zu wehren, doch Nio brachte ihn mit zwei Faustschlägen zu Boden. Bevor er weiter auf ihn eindreschen konnte, riss der andere ihn von ihm herunter. Zu Nios Überraschung war er ein besserer Kämpfer als sein Freund, sodass er tatsächlich ein paar Treffer in die Magengegend und den Kopf kassierte. Als seine Stirn knackte und Nio sein eigenes Blut schmeckte, das ihm übers Gesicht lief, sah er endgültig rot. Er griff ihn an den Schultern und rammte ihm das Knie in den Magen.

„Nio!"

Kaia war inzwischen herbeigeeilt und versuchte, dazwischenzugehen. Erst, als er sie schluchzen hörte, kam er wieder zu sich, ließ von seinem mittlerweile blutüberströmten Kontrahenten ab und spuckte neben ihm aus.

„Red nie wieder so von meiner Freundin", knurrte er, bevor er sich Kaia zudrehte. „Komm. Lass uns abhauen, bevor irgendeiner von den Pissern die Bullen ruft."

Kaia hingegen starrte ihn entsetzt an. Tränen liefen ihr über die Wangen.

„Hast du sie noch alle?"

Äh. Ja. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber irgendwie hat der kleine Nio ein winziges Aggressionsproblem. Oder was meint ihr? Findet ihr es gut, wie er reagiert hat? Oder hat er total übertrieben? Und wie würdet ihr an Kaias Stelle reagieren? Keine Ahnung, aber man merkt einfach, dass der Junge nicht vom Briefträger ist. Haha.

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