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Ich sah richtiggesund aus. So gesund hatte ich mich seit Jahren auf dem Internat nicht mehrgefühlt. Schon ein geiles Gefühl so in den Tag hineinzuleben und einfach keinenPlan davon zu haben, was am nächsten Tag geschehen würde. Absolut geil!
Dicesah sich derweil im Laden um. Irgendwie gab es hier bloß Obst. Und noch soandere Lebensmittel. Aber am meisten Appetit hatte ich jetzt auf Obst. Bestimmtlag das hier schon ewig und drei Tage rum und wartete nur auf seinen Käufer.Notfalls auch Jahre. Mit Sicherheit standen Trucker nicht allzu sehr aufgesunde Ernährung. Die müssen bloß lang genug wach bleiben und fahren bis zumUmfallen, damit sie auch ja die Schnellsten sind. Um jeden Preis vor derKonkurrenz! Die Auftraggeber interessiert das Wohl der Fahrer einen Scheiß.Hauptsache die Ware ist beim Kunden.
Dafür hatte unser Mister Commonwealth echtdie Ruhe weg. Ich meine, beim Shoppen würde er schon endviel Zeit verlieren unddas wusste er auch. Doch das schien ihm überhaupt nichts auszumachen.Vielleicht hatte er gerade Ferien. Ok, ziemlich unwahrscheinlich mit Truck.Vielleicht war das auch gar nicht sein Geschäftswagen. Wer weiß.
"Kleidunggibt's da oben, Jungs, wenn ihr immer noch welche braucht." Wir folgtenihm brav die Stufen nach oben.
"Ein bisschen Bewegung tut uns allengut.", meinte Dice. Wir nickten nur. Ich konnte es immer noch kaum fassen,dass ich gerade mit einem Trucker neue Anziehsachen kaufen ging und der auchnoch bezahlen würde. Das war ja echt der Oberhammer! Hoffentlich gab es hierwas Billiges. Sicherlich. Allein wegen den Truckern. Die hatten doch bestimmtnicht Unmengen an Geld über bei deren Gehalt.
Ich zog ein T-Shirt und eine Hoseaus so einer Krabbelkiste und probierte es an. Ok, nein! Da hätte ich ja dreiMal reingepasst. Che ging es zum Glück genauso.
"Ok, Jungs. Was ihrbraucht sind die kleinsten Sachen. Drüber geht schon mal gar nichts. Ihr seidviel zu schmal für unsereins. Und auch nicht nur zwei Teile. Oder habt ihr nochUnterwäsche?" Irgendwie war mir das jetzt schon peinlich. Aber der Truckerschleppte ohne jede Hemmung alles Mögliche an.
"Ihr probiert jetzt das,das, das und das an." Er bepackte mich mit übertrieben vielen Sachen."Und du auch." Nun war Che an der Reihe. "Was nicht passt, gebtihr mir einfach wieder raus. Alles klar? Nehmt einfach das, was euch gefällt.Der Preis ist egal. Ich hab das Geld." Wieder nickten wir nur.
"Aberda steht doch eigentlich dran, dass man höchstens fünf Teile mit in die Kabinenehmen darf.", warf ich plötzlich ein. Mir war das Schild erst in diesemMoment aufgefallen.
"Siehst du hier irgendjemanden, der daskontrolliert?", fragte Dice.
"Nein." Ich war überrascht."Also. Die sind froh, wenn sie überhaupt Kunden haben. Ich war hier nochnie und ich kenn auch keinen, der hier schon war. Wenn die uns anmotzen, drohenwir damit wegzugehen. Dann lassen die uns schon in Frieden. Hier wird eh keinerkommen. Und wenn, dann übernehm ich das." Mister Commonwealth grinstebreit. Alles klar. Wenn er meinte. Sollte nicht mein Problem sein.
Tatsächlichkam niemand, so wie es Dice vorhergesagt hatte. Ich hatte mich für eine blaueJeans, die mir ein bisschen zu weit war, blaue Fakeconverse, neue Unterwäsche und ein Oberteil in blau mit dergrünen Aufschrift "Only trust someone who can see these three things inyou: The sorrow behind your smile, the love behind your anger and the reasonbehind your silence." Ich mochte den Spruch. Deswegen hatte ich dasT-Shirt auch ausgesucht. Sonst war nichts besonders daran. Aber es gefiel mirvon allen Sachen am meisten.
Selbst meine neuen Socken mit Amerikaflagge draufkonnten das nicht toppen. Außerdem gab es nichts besseres. Hier gab es bloßTruckerzeug. Che kaufte das Gleiche. Gut, uns passte auch nicht viel anderes.Und ein Oberteil mit "Fuck yourself!" und der einen Geste drauf,wollten wir doch alle nicht so ganz unbedingt. Das gab es sogar noch eineNummer kleiner. Arme Truckerkinder. Ohne Witz.
Dice bezahlte. "Lasst dieSachen gleich an. Dann riecht es bei mir besser." Die Verkäuferin mussteuns die Alarmsicherungen daher ziemlich umständlich entfernen. Ich frage michecht, wozu man hier eine Alarmsicherungen braucht. Ich meine, wer ist sodermaßen blöd und bricht in einer Mall mitten im Nirgendwo neben einer vielbefahrenen Highway ein.
Der kündigt sich doch auf kilometerweite Entfernung an,wenn er nicht die Highway nimmt. Und da kann er ja schlecht abhauen, weil ihnsonst jeder die Raserei bemerkt oder spätestens, sobald die Polizei kommt. Unddie hatte einen Sitz nicht allzu weit ab. Den konnte man schon vom Parkplatzder Mall aus sehen. Also. Auf der Highway gab es zu viele Zeugen um unbehelligtzu sein.
Bei der Sicherung gegen Diebstahl hätte man auf jeden Fall sparenkönnen. Zudem war eh jeder potenziell verdächtig, der überhaupt erst hierherkam. Waren schließlich nicht allzu viele im Jahr.
"Euch steht das Zeugecht. Mir steht nie was an Klamotten." Dice bemühte sich um ein Lächeln.
Ich lächelte zurück. "Danke. Aber..." Ihre oder deine? "DieTattoos passen wirklich." Zu dir? Zu Ihnen? Egal. Machte ja auch so Sinn.
"Findest du? Freut mich. Die meisten sehen das eher als Verschandelungan." Sind sie ja eigentlich auch. Aber Dice schien sich aufrichtig überdieses Kompliment zu freuen. Eine gute Tat vollbracht.
Wir stiegen wieder inden Truck ein. "Man fühlt sich hier wie der King of the Roads. Nichtwahr?" Mister Commonwealth grinste.
"Ja. Tut man wirklich!" Chesah total fasziniert durch die vordere Windschutzscheibe. Alle anderen Autoslagen unter uns. Wir saßen wirklich über dem Rest der Straße. Echt coolesGefühl! Wenn ich das im Internat erzählen würde! Alle würde Augen machen. DieserSommer war bisher echt der genialste dieser ganzen Welt gewesen! Und zumGlück war er noch nicht vorbei! Wieder lief Country Musik im Radio.
"Wowollt ihr eigentlich hin?"
Ich beschrieb den Treffpunkt mit meinem Vater.
"Eine Bushaltestelle also." Ich nickte. "Gut. Dann sind wirübermorgen da. So gegen Mittag. Sag das deinem Vater."
"Brauch ichnicht. Der ist dann schon da. Hatten wir schon vorher ausgemacht."
"Und woher, wenn ich fragen darf, wusstest du genau, wann du mit demTrampen zurück kommst. Ich meine, so was kann man echt nicht voraussagen. Oderetwa doch?"
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