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Wie ich auf der Fahrtmit so einem endgeilen Schlitten schlafen konnte, ist mir bis heute ein Rätsel.
Im Endeffekt hielten wir an so einer Villa. Der Vorgarten schaffte mich schonso dermaßen, dass ich gar nicht erst wissen wollte, wie dann der eigentlicheGarten erst war. Alles war am akkuratesten angepflanzt. Dieses saftige, grüneGras und die weiße Wand der Villa dazu. Ein dunkles Dach. Ein paar verspielteErker. Der American Dream hoch zehn!
Ich griff nach dem Türgriff der Limousine.Doch bevor ich ihn erreicht hatte, wurde mir bereits geöffnet. Der Chauffeurhielt mir die Tür offen und lächelte mich an. Che und ich stiegen aus undbedankten uns, auf das der Chauffeur nur ein kurzes "Nichts zudanken." erwiderte.
"Madame." Er hob die Dame beinahe aus demWagen.
"Vielen Dank, Jimmy. Meine alten Knochen sind doch sehr morbidegeworden."
"Nichts zu danken, Mylady." Jimmy lächelte nur.
"Ich bin überwiegend Miss Cartwright." Die Dame lächelte. Sie legteeine besondere Betonung auf das Wort Miss. "Mein Vater war schon wohlhabend.Ich habe viel geerbt. So viel, dass es für ein Leben reicht. Er wollte nie,dass ich von irgendeinem Mann anhängig bin." Wir nickten beidegleichzeitig.
Aus der Tür kam bereits ein Butler. Ebenfalls schnieke in Frackgekleidet. So einer von den Typen, die den Reichen den Regenschirm bringen,wenn es nur ein ganz bisschen tröpfelt. Oha! Er hielt uns die Tür auf. Manmochte schon gar nicht eintreten so teuer wirkte alles. Aber Miss Cartwrightging ja vor uns und der Butler hinter uns. Also hatte man keine Wahl.
Der Flurwar ausgelegt mit einem roten Samtteppich. Von der Decke und den Wändenglitzerte es nur so. Teure Gemälde zierten alles. Bestimmt Originale vonRembrandt oder so. Und sicherlich nicht vom Kunstschwarzmarkt. Miss Cartwrightwurde das Portal zu ihrem Salon geöffnet. Keine Ahnung, wie der Butler esgeschafft hatte vorne und hinten gleichzeitig zu sein. Ich hätte schwörenkönnen, er hätte einen Zwillingsbruder oder telepathische Fähigkeiten.Vielleicht gab es auch einfach zwei Butler.
Bestimmt hatte Miss Cartwright nochnie in ihrem Leben auch nur eine einzige Tür geöffnet. Schon verrückt.
Siesetzte sich auf ein weichanmutendes Sofa, welches mit Sicherheit von einem Designer. Überihr thronten zwei riesige, funkelnde Kronleuchter. Echte Diamanten. Auch hier waren wieder die Wände voller prunkvoller Gemälde. Man konnte sich vorkommen wie imSchloss eines absolutistischen Monarchen.
"Setzt euch doch zu mir.",bat Miss Cartwright freundlich. Völlig erschlagen von so viel Reichtum setztenwir uns.
"Möchtet ihr eine Tasse Tee?" Mir war es unmöglich zu antworten.Ich glaube, mir blieb lediglich der Mund offen stehen.
"Das ist nichtnötig...", brachte Che schließlich heraus.
"Aber natürlich ist esdas.", widersprach Miss Cartwright. "Butler?" Einer ihrer Dienerim Frack erschien mit Verbeugung. "Drei Tassen Tee für die beiden Herrenund mich." Der Butler nickte nur, verbeugte sich erneut und verschwand."So. Und jetzt erzählt mal. Was hat euch eigentlich hierhergebracht?"
"Also wir haben uns rein zufällig beim Reisenkennengelernt. Danach haben wir nach ein paar Abstechern meine Familie besuchtund sind jetzt gerade wieder zurück auf dem Weg zu der Familie meines Freundes.Da haben wir zufällig Mister Outright getroffen, der uns für dieses Hotel eineEmpfehlung gegeben hat. Allerdings wollte man uns nicht hinein lassen. Deswegensind wir hier." Perfekt erklärt, Che. Für Bonzen extra leicht gemacht.
"Verstehe. Hört sich ja zauberhaft an. In den Ferien besucht man dieFamilie. Sehr lobenswert." Wir lächelten beide artig. Ja, waren wir nichtlobenswert? "Ihr könnt gerne die Nacht hier verbringen. Morgen kann euchdann Jimmy gerne hinbringen, wo immer ihr hinwollt. Aber gegen Mittag braucheich den Wagen wieder. Da habe ich ein Rendezvous. Daher hoffe ich, dass euerZiel der nächsten Etappe nicht allzu weit weg liegt."
"VielenDank.", bedankte sich Che. Ich konnte nicht sprechen. Schließlich lag dasZiel unserer nächsten Etappe schon weit weg. Ich hatte keine Ahnung, wo wir aufdem Weg zu meinen Eltern vorbei kommen würden. Und vor allem, wie sollten wirvon da aus weiterkommen?
Just in diesem Augenblick brachte der Butler uns dengewünschten Tee. "Vielen Dank." Unsere Lady lächelte. "Trinktruhig, bevor er kalt wird." Es dampfte mir heiß ins Gesicht, als ich dieTasse anhob. Che schien das Selbe passiert zu sein. Daher stellte er seineTasse wieder ab. Schlauerweise.
Ich setzte zum Trinken an. Meine Lippenberührten den Tee. Heiß! Fuck! Der gesamte Tee spritze über dieteure Spitzentischdecke. Scheiße!
Es knallte. Porzellan zersprang auf demBoden. Eine riesige Teelache bildete sich auf dem Boden. Schnell hob ich dieFüßen an. Selbst den Sessel erwischte es noch. Miss Cartwright war von oben bisunten voller unzähliger Teespritzer. Ich musste den Tee wohl quer durch denganzen Salon gespuckt haben. So ein Scheiß! Also ich meine, da ist man einmalin seinem Leben bei Reichen zu Gast und dann benimmt man sich so dermaßenunmöglich.
Ich atmete tief durch. Ok. Nicht aufregen.
Trotzdem wurde ich extremhibbelig und bestimmt auch puterrot. Hastig kniete ich mich auf den Boden. Wiesollte ich die Sauerei denn nur beseitigen?
"Lass doch, Schätzchen. Dasmacht doch gar nichts. Man kann sich ja immer mal verschlucken. Du hast janichts zerstört." Miss Cartwright lächelte mich an. Nichts zerstört, istgut. Abgesehen von ihren Klamotten, dem Teppich, dem Sessel, der Tasse undinzwischen dem Holztisch samt Tischdecke, die bestimmt auch nicht allzu billiggewesen waren, war ja alles noch heil. Hatte sie ganz recht. Wie beruhigend.
Und der Tee war natürlich auch dahin. Aber Geld schien für die echt nicht imGeringsten zu zählen. Hoffentlich würden die Flecken wieder rausgehen.
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