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"Siehstdu", meinte Che triumphierend, "Hab ich doch gesagt. Der Typ istsogar immer noch süchtig."

"Bestimmt geht der hier zur Entzugsklinik, um clean zu werden. Oder der ist schon so krank, dass er hier behandelt werdenmuss." Leider schien mir die zweite Option wahrscheinlicher.

"Bestimmt." Unbemerkt stahlen wir uns hinter den Mann. DieKrankenhaustür öffnete sich sogar automatisch. Also konnte da theoretisch jederrein.

"Mühe umsonst.", stellte Che beinahe ernüchtert fest.

"Undwas wollen wir jetzt hier?" Just in diesem Augenblick kam uns, wie esimmer so üblich ist, wenn der Moment gerade besonders unpassend ist, eineKrankenschwester entgegen, die uns zweifelnd ansah. Ok. Die glaubte uns auchnicht, dass wir schwer krank waren und unbedingt ärztliche Hilfe benötigten.Zugegeben, neben dem Scheintoten würde, glaub ich, auch fast jeder wie gesundaussehen. Aber wir waren es ja ich noch.

"Den Onkel William besuchen."Che stieß mich fest an.

"Ah ja.", meinte die Krankenschwester nur. Ich verstand das überhaupt nicht.

"Wer ist denn Onkel William?", flüsterte ich Che zu. Offensichtlich schien die Schwester das nicht mehr allzu sehr interessieren, denn sie setzte ihren Weg fort.

"Mann, dengibt es doch gar nicht!", zischte Che zurück.

"Und warum dann gerade William?"

"Weil es davon viele Ältere gibt. Da ist auf jeden Fall einer dabei. Fallsdie uns einen holt, meine ich. Dann wäre es ja dumm, wenn es davon keinen gäbe.Aber Williams gibt es in der Altersklasse, die als mein Onkel durchgehen würde,mehr als genug. Da kann nichts schief gehen. Und selbst, wenn der jünger wäre alswir. Wer sagt denn, dass unser Onkel zwangsläufig älter sein muss alswir." Geschickt angestellt. Keine Frage.

"Das Problem ist nur, dassich alles versaut habe.", meinte ich nur geknickt. Immerhin war dei Schwester schon länger aus der Hörweite.

"Wieso?"

"Naja. Ist schon komisch,wenn man seinen Onkel gar nicht kennt und ihn dann aber trotzdem im Krankenhausbesuchen will."

"Erstens kann es sein, dass ich dir noch nichts davonerzählt habe, dass unser Onkel im Krankenhaus liegt, und du also keine blassenSchimmer hattest, was wir hier wollen. Zweitens könntest du es einfach kurz malvergessen haben. Und drittens sehen wir kein bisschen aus wie Geschwister. Dakann es sein, dass du bloß mein Freund bist und dadurch mit meinem Onkel garnicht verwandt bist. Also musst du ihn auch nicht unbedingt kennen. Also.Keinen Grund zur Panik. Hier fragt danach eh keiner mehr. Dazu sind die mit denganzen Abhängigen doch zu beschäftigt."

Ich musste lachen. Ja ok. So kannman es natürlich auch sehen. Che fuhr fort: "Und jetzt auf zum Warteraum. Am besten vonder Notaufnahme. Da fällt es am wenigsten auf. Da kommen hier sicherlichunzählige Menschen rein. Bei der Jugend." Che öffnete die Tür zumWartezimmer. Wir setzten uns auf noch freie Stühle.

"Hallo.", grüßtenwir. Außer uns saß noch genau einer da. Der Scheintote. Na dann. Genau derRichtige. Der sollte lieber selbst in die Notaufnahme gebracht werden. Ichkonnte mir niemanden vorstellen, der schlechter und kranker aussah oderwar als er selbst, sodass er ihm so leid tat, dass er ihn besuchen musste oderwollte. Che schien es ähnlich zu gehen. Er sah schon ziemlich erstaun aus.

DerMann stütze sich selbst während dem Sitzen auf einen Stock. Na große Klasse.Ist ja ein beschissenes Leben so. Ein weiterer Grund nicht zu rauchen oderanderes Zeug zu nehmen.

Wahrscheinlich bekam man von Alkohol seine Intelligenz,denn er fragte uns: "Was macht ihr denn hier?" Seine Stimme klang, alswürde sie gleich ihren Geist aufgeben. Aber sie schien durchzuhalten. Zumindestfür diesen Satz.

Was macht man wohl bei einer Notaufnahme im Normalfall? Hmm.Vielleicht jemanden besuchen? Aber selbst als wir ihm das mit unserem krankenOnkel William auf die Nase banden, kapierte er immer noch kein Wort.

"EuerOnkel ist also krank?", hakte er nach ein wenig Bedenkzeit nach. Bei soeiner durchaus unverständlichen Situation war es schließlichselbstverständlich, dass nicht jeder der Aufgabe gleich gewachsen war, einesolche Fülle an Informationen aufzunehmen. Absolut verständlich!

So sah das Cheauch. "Ja. Wieso sollte er denn sonst hier liegen?" Es klang beinaheein bisschen provokant. Ok. Vielleicht sogar ein bisschen sehr provokant.Zugegeben. Aber was soll man bei einer solchen Dummheit machen? Doch es kamnoch besser.

"Ach wie schön. Und euer Onkel ist tatsächlich so richtigkrank?" Ne, weißt du! Das bildest du dir nur ein. Haben wir dir nur geradeeben versucht zu verklickern. Ist ja schon verdammt lang her. Alles noch imakzeptablen Bereich. Aber gut. Und schön war die Krankheit unseres leidenden Onkels obendrein. Echt geistreich!

"Ja. Immer noch." Che bemühte sichwirklich arg darum, weder provokant noch sarkastisch zu klingen. Bei so einerBlödheit war das leider fast unmöglich.

"Und ihr wollt ihn hierbesuchen?"

"Oh!" Che drehte sich weg und schlug sich gegen die Stirn. Hatten wirvor zwei Minuten gesagt. Ja. Immer noch. Es kam jedoch noch peinlicher.

"Und er ist wirklich krank?"

Che drehte sich demonstrativ noch weiter weg. OhMann! Der Typ hatte echt nicht gerade die Weisheit mit Löffeln gefressen. Ohmein Gott! Wie kann man nur so lange etwas einfach nicht schnallen?

Weil wirnicht mehr antworteten, bemühte sich der Mann auch nicht weiter und sprach unserst mal nicht mehr an. Ein Glück!

Ich lehnte mich zurück. Die Stühle hierwaren echt bequem. Zumindest etwas. Erst mal ausruhen. Endlich war es ruhig.

"Also am meisten stört mich in dieser Welt die Dummheit derAnderen.", meinte Che nach einer Weile.

"Sehe ich genau so!",betonte der alte Mann. Oh ne! Ausgerechten der.

"Da haben Sie recht.Vollkommen recht." Che versuchte, ein Lachen zu unterdrücken. Das war auchtatsächlich zu lächerlich!

Schlafen konnte man hier zumindest echthervorragend. Man war zum Großteil ungestört. Nur hin und wieder ging mal dieTür auf. Sonst geschah absolut nichts. Alle glaubten, man würde schon Tag undNacht warten. Daher wäre man so müde. Genau.

Deshalb bemitleideten einen auchalle. Keiner wäre auch nur auf die Idee gekommen, uns rauszuschmeißen.

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