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"Warum kannst du eigentlich nicht schwimmen?" Blöde Frage. Warum wohl.
"Weil es mir nie wer beigebracht hat." Che sah mich verwirrt an. "Ja, Mann! Nicht jeder hat so geile Eltern wie du, die an all so was denken. Ich mochte noch nie Wasser. Da hat mich auch nie wer dazu gezwungen reinzugehen."
"Und wie machst du's im Schwimmbad?" Klar, Che! Wer sich nicht über Wasser halten kann, geht jeden Tag ins Schwimmbad.
"Da geh ich nicht hin. Und wenn, dann bleib ich halt weg von den Becken."
"Und dann ist dir nicht zu heiß?" Irgendwie wirkte Che ungläubig.
"Besser als ertrinken.", gab ich nur zurück. Und als sich zu blamieren auch.
"Da könnte man ganz leicht Abhilfe schaffen.", meinte Che mit diesem verdächtigen Grinsen auf den Lippen.
"Und wie?"
"Ich bringe dir schwimmen bei."
"Nein!" Ich schrie Che förmlich an. "Ich geh da nicht rein und du kannst mich nicht dazu zwingen!"
"Und was, wenn dir so was wie gerade eben passiert, wenn du alleine bist? Und sag jetzt nicht, dann gehe ich nie zum Wasser. Irgendwann wirst du's schon machen. Und dann sieht's echt düster aus, wenn du reinfällst." Ich sah weg. "Das ist so gefährlich. Versteh das doch! Man weiß nie. Du gehst unter wie ein Stein, selbst wenn du stehen könntest. Das muss dir doch Angst machen."
"Wieso?" Bisher hatte mir das noch nie Angst gemacht.
"Wieso was?" Che legte seinen Kopf schief.
Wie kam der eigentlich darauf, dass ich im flachen Wasser untergehen würde? "Ich gehe nicht da unter, wo ich stehen kann." So!
"Dann komm mal rein." Mit der Hand winkte mich Che zu sich her und war schon auf dem Weg zurück ins Wasser.
"Auf keinen Fall!" Wütend krallte ich mich mit meinen Nägeln in mein linkes Hosenbein.
"Ich halt dich." Che streckte mir die Hand entgegen.
Ok, einen Versuch war es wert. Und ich wollte unter keinen Umständen als Feigling dastehen. Vorsichtig stieg ich ins Wasser. Dieses Mal hatte ich darauf geachtet, dass es am Ufer kein bisschen rutschig war. Bloß für den Fall der Fälle. Zur Vorsicht. Ich stand doch tatsächlich im Wasser. Noch. Che hielt mich mit aller Kraft fest. "Komm noch ein bisschen weiter. Du merkst ja, wann es dir zu tief wird."
Behutsam setzte ich einen Fuß weiter nach vorne. Mit Fußspitze tastete ich immer den Grund ab, bevor ich den Fuß aufsetzte. Mit einem Mal stand ich in der Mitte des Flusses.
"Siehst du?", meinte Che triumphierend. "Hier ist die tiefste Stelle."
Ich sah an mir herunter. Tatsächlich. Das Wasser ging mir lediglich bis zum Bauchnabel. Ich musste lachen. Che hatte eindeutig recht. Es war gefährlich, nicht schwimmen zu können, wenn man bei so was ertrinken könnte.
"Ich bring dir schwimmen bei, wenn du magst. Das kannst du sofort. Leg sich aufs Wasser." Wie bitte?! Sollte das ein Scherz sein? Da geht man doch unter. Che hielt seine Hand hin. "Lag dich einfach flach drauf. Keine Angst, ich kann dich locker halten. Im Wasser bist du noch leichter als an der Luft.", wies er mich an. Irgendwie war das echt nicht so leicht wie gesagt, aber irgendwann lag ich doch wirklich auf Ches Hand. Ganz ruhig. Die Wellen schienen mich zu tragen.
"Angenehm, nicht?" Ich nickte. "Und jetzt die Arme bewegen. So." Che machte vor, ich machte nach. Die gleiche Prozedur mit den Beinen. Dann beides zusammen. So schwer war es dann doch echt nicht. Auf irgendeine Weise gefiel mir das sogar.
"Alles gut?", erkundigte sich Che. Ich nickte. "Und jetzt ohne Festhalten." Che ließ los, bevor ich widersprechen konnte. Ich glaube, mein Schwimmen glich eher einem Hundepaddeln. Aber ich blieb wenigsten über Wasser. Ein Anfang.
"Nicht schlecht.", lobte mich Che. "Wir sollten morgen weiter üben." Ich stimmte zu. Zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich schwimmen können.
Wir stiegen aus dem Wasser. Barfuß zwängte ich mich in die Stiefel. Die Socken trug ich lieber in der Hand. Die anzuziehen, wäre zu umständlich gewesen. Erst mal musste ich meine Schwimmtour verdauen.
"Ich konnte erst tauchen, bevor ich schwimmen konnte." Che lachte. "Ich hab immer die Schwimmbewegungen unter Wasser gemacht. Das geht da eigentlich viel leichter, aber man muss irgendwann auch wieder auftauchen. Und irgendwann hab ich's ja auch über Wasser hingekriegt. Du siehst, niemand kommt auf die Welt und kann sich gleich perfekt über Wasser halten."
"Du kannst echt toll schwimmen. Und abschleppen.", musste ich zugeben.
Che grinste. "Hab schon Schwerere abgeschleppt, die sich mehr gewehrt haben. Tja, Panik. Nichts als Panik. Ich bin mit denen fast untergegangen. War bei so einer Feier. Da war ein Badesee und zwei Angetrunkene sind rein und wären allein nicht wieder rausgekommen. Keiner ist gegangen, um die zu retten, außer mir. Ich hätte echt mit Unterstützung gerechnet." Er lachte. "Aber egal. So ist ja auch nichts passiert. Und das ist die Hauptsache."
Triefendnass ritten wir zurück zur Ranch.
Zu Hause war es echt wunderschön warm.
"Was hast du denn gemacht?" Ches Mutter sah richtig erschreckt aus.
Ich lachte nur. "Ich hab schwimmen gelernt." Hoffentlich machte sie sich jetzt keine Sorgen.
"Du solltest dich umziehen. Sonst wirst du noch krank." Ok, sie war doch besorgt.
Che brachte mir ein neues Cowboyoutfit. Ich wurde in eine Decke gehüllt und echt verwöhnt mit einem heißen Getränk -was auch immer das war; es schmeckte noch nicht mal so schlecht- als wäre ich furchtbar krank. Ich glaube, in diesem Moment verstand ich zum ersten Mal, warum sich so viele so oft krank stellen. So ist das schon endgeil!
"Magst du schwimmen?" Hap sah mich mit großen Augen an.
"Jetzt schon." Ich lächelte. Wieder saßen beide kleinen Che-Geschwister auf meinem Schoß.
"Ist dir das eigentlich nicht zu schwer?" Joseph wollte bereits beide von mir absetzen.
"Nein, nein. Alles wunderbar.", währte ich ab.
Che holte seine Gitarre. "Wieso stöhnst du?" Beinahe vorwurfsvoll sah Che seinen Bruder an. Bitte nicht schon wieder streiten!
"Ich stöhne gar nicht", meinte Joseph, "Das war nur ein Atemzug." Zugegeben, Josephs Atemzug klang echt sehr genervt.
Ches Cousinen und Cousins, Onkel und Tanten waren wo auch immer. Zumindest nicht im Wohnzimmer. Auch die Oma war nicht da. Bloß Ches engere Familie und sein Opa.
"Wir könnten Chattahoochee singen.", schlug Che vor. Den Anderen ließ er nicht wirklich eine Entscheidungsfreiheit. Er begann einfach zu spielen. Seinem Opa schein das zu gefallen, denn er sang gleich mit. Ches Vater stimmte auch mit ein. Leider kannte ich den Text nicht.
Logischerweise war das Lied aus dem Countrygenre. Wie sollte es in dieser Familie auch anders sein. Aber eines verstand ich:"I learned how to swim and I learned who I was, lot about living and a little about love." Ich musste grinsen, weil Che diesen Part besonders laut und verständlich sang. Doch, der passte perfekt!
Strongbow lächelte auch. Irgendwie bildete ich mir ein, er hätte das vorhin gesehen. Keine Ahnung warum. War einfach nur so ein Gefühl.
"Wann musst du eigentlich wiederzurück?" Für mich war diese Frage wie ein kräftiger Schlag in den Magen.
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