75
"Musik machen.Du kannst das doch gut. Bitte." Beide sahen Che und mich mit niedlichenAugen an.
"Ja, ja. Wir kommen gleich." Die beiden schienenzufrieden, denn sie hatten ja ihr Ziel erreicht und zogen ab.
"Denen kannman echt nichts abschlagen." Che grinste. "Haben Kleine wohl ansich."
Musste wohl so sein. Kannte ich nur zu gut von Betty. Wenn die Kleinen wirklich etwas wollten, hatte sie ganz genau ihre Mittel, um ihr Ziel zuerreichen. Das klappte auch immer. Man sollte sich das echt von denenabschauen. Allerdings müssten sie sich dann einen neuen Trick einfallen lassen,sobald wir ihren durchschaut hätten. Dann würden wir nicht mehr draufreinfallen. Aber dann würde sich auch niemand mehr so sehr um uns bemühen.Vielleicht will man es ja doch innerlich so ein ganz, ganz kleines Bisschen.
"Na ihr beiden." Auf unsere Schultern legte sich leicht jeweils eineHand. Hä?
Ein wenig erschreckt drehte ich mich um. Viellicht sollte man es eherüberrascht nennen. Hinter uns stand Joseph.
"Immer noch keinMädchen?" Ches Frage wunderte mich echt. Sie besaß einen beinahaggressiven Unterton.
"Dann fang du doch an. Ich hab Zeit. Aber wer willdich schon. Wer will schon einen Schopenhauer, der keinen anderen Menschenmag?" Ok, Joseph wirkte nicht allzu viel umgänglicher.
"Ich mag wohl andere Menschen. Man muss nicht immer alles aufAndere projizieren, das einen selbst betrifft." Das hatte gesessen. Josephwirkte beinahe wütend. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er auf Chelosgegangen wäre. Zumindest knirschten seine Zähne gewaltig. "Außerdemverstehst du dich ja wohl nicht gerade allzu viel besser mit Anderen als ichmich. Fang erst mal bei unserer Familie an, bevor du dich weiter um meine Problemekümmerst. Du schaffst nämlich nie was, wenn du so weitermachst. Du wirstniemals Pilot."
"Und du kannst deinen Musikscheiß vergessen. Daskannst du doch nach dir selbst so wunderbar. Nicht wahr?" Che holteaus...und zielte haarscharf vorbei. Für einen Moment hielt ich den Atem an. OhMann! Jetzt nicht noch eine größere Streiterei. Das Alltägliche war ja schongenug.
"Du machst Mum immer traurig. Sieh nur, was du ihr immer antust.Die mag nicht, wenn wir uns streiten." Joseph sah Che an, während er dassagte. "Du machst Mum traurig!", wiederholte er dann mit nachdrücklichem Ton.
"Stimmt gar nicht. Du!" Chekochte vor Wut. "Ist kein bisschen wahr!"
"Pass besser aufdeine heilige Familie auf. Das tust du doch am liebsten. Du magst doch bloßalles für Andere tun. Sagst du doch immer. Ich bin ja nur so ein dummer Egoist.Aber ein erfolgreicher! Das sag ich dir. Ein erfolgreicher!" Joseph wirktebeinahe wahnsinnig. Eine Mischung aus ich-heul-gleich-weil-wir-uns-streiten undich-hass-dich-so-unendlich. Che sah genauso aus.
"Könnt ihr euch nichteinfach einmal vertragen?" Etwas Dümmeres hätte ich ja wohl kaum sagenkönnen. Aber in diesem Moment war mir, ehrlich gesagt, nichts Bessereseingefallen. Und jetzt immer noch nicht.
"Was?" Alle Beide starrtenmich an, als wäre ich von einem anderen Stern. "Also ich meine, wenn dasMal für einen Tag möglich wäre." Die Augen der beiden waren immer noch an mich geheftet. Mit einem Mal lachten beide.
"Was ist jetzt sowitzig?" Ich sah sie fast streng an, was beide noch mehr zum Lachenbrachte. "Ich will auch mitlachen." Der dümmste Witz dieser Welt.Klingt total nach Lehrer.
"Du bist so lustig." Beide lachten. Ichmusste mitlachen, obwohl ich es gar nicht so unglaublich witzig fand, dieWitzfigur für alle zu sein. Zum ersten Mal sah ich die beiden einer Meinung.Und wenn es nur um so etwas Lächerliches ging. Vielleicht brachte mich auchmeine Situation in Anbetracht dieser Tatsche zum Lachen. Wer weiß.
"Kommtihr jetzt?" Abby und Tracey standen erneut vor uns. Diese Mal jedochweitaus fordernder.
"Wir kommen ja schon. Immer mit der Ruhe."Langsam erhob sich Che. Sofort sprang Kublai mit auf. Joseph folgte mit einemAbstand.
Im Wohnzimmer war wieder alles überfüllt. Wenn alle Jüngeren da waren,war schon genug menschliches Wesen in einem Raum, um ihn zu überfüllen. Joseph hieltsich abseits. Alles umringte Che. Jeder forderte jetzt ein Lied. Che nahmWünsche entgegen.
Ich sah Joseph an. Der wirkte wirklich ein wenig abwesend undbeinahe unglücklich. So außenvor halt.
"Machst du auch so gerneMusik?", versuchte ich es möglichst unverfänglich.
"Geht so. Ich kanndas eh nicht.", tat Joseph die Sache nur ab.
"Ach doch. Besser als ich ist keine Kunst."
"Doch. Ist es wohl. Du bist wirklich gut. Hab dich gestern ja gehört.Deine Stimme passt perfekt zu Ches. Also. Was willst du noch mehr?" Ach komm schon, Joseph. Wir wissen beide, dass ich nicht gerade die Rockstarstimme besitze.
"Gar nichts. Aber das lag an Che. Und an dem Lied. Du kannst dasmindestens genauso gut. Probier's doch wenigstens mal."
"Ja! Kommschon Jo!" Abby zog ihren Bruder am Ärmel. Sie schien ihre Brüder in derHand zu haben, denn auch Joseph schlug ihr den Wunsch nicht ab.
"Was magstdu?" Che ließ Joseph aussuchen.
"Vielleicht was Leichtes?"Joseph lächelte fast beschämt. ""Take Me Home, Country Roads?"Das kennst du doch."
"Von mir aus." Che stimmte an. Leider hatteJoseph kein bisschen übertrieben, als er behauptet hatte, dass seine Stimmefurchtbar klang. Töne traf er so gut wie keine und mit dem Rhythmus sah es auchnicht allzu rosig aus. Man musste schon dazusagen, dass das Country Roads seinsollte. Sonst hätte das niemand erkannt. Joseph beendete das Liedschnellstmöglich nach der zweiten Strophe, damit es nicht ganz so sehr auffallen sollte, dass er abgekürzt hatte. Natürlich war das schon jedembewusst. Aber egal.
"Wunderbar! Du solltest mit Louis Armstrong aufTournee gehen und singen. Da passt du perfekt rein!" Joseph lachte. Ichhätte niemals gedacht, dass Che das Dilemma so gut auffangen könnte. Jedenerinnerte mit einem Mal Josephs Stimme an Louis Armstrong. Man konnte glauben,es wäre Absicht.
"Noch mal!", reif ein Chor von hohen Stimmchen.
"Neuer Fanklub." Ich stieß ihn lächelnd an. Er grinste zurück. Duelloder Duett mit Che. Keine Ahnung, was das genau sein sollte. Es klang überhauptnicht nach Duett. Deshalb ließ ich es einfach als Duell durchgehen.Gegensätzlicher hätten zwei Stimmen auch kaum sein können. Einer so melodisch.Der Andere so selten unbegabt, aber dennoch irgendwie gut.
"Jetzt nochmal Che und Jay." Tracey lächelte mich an.
"Ne, lass mal.", wich ich aus. Ich war nicht gerade scharf darauf, mich als nächster zu blamieren. Beimir würde es nämlich auffallen, dass ich keinerlei Begabung besaß. Wie Joseph sang ich zum Glück nicht aber so wie Che leider auch nicht.
Da konnte ja nichts Gutes draus werden.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top