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Wenigstens hörte man noch ein Lachen unter mir und ein Körper, der sich auf und ab bewegte. Ich kenne keinen Zeitpunkt, an dem ich einen Menschen so oft hintereinander umgerannt habe. Aufstehen konnte ich allerdings auch kaum noch.

"Geht's?" Wenigstens konnte Che das noch fragen.

"Ja, schon. Aber du musst jetzt ein gequetschtes Sandwich sein.", bemühte ich mich um eine Entschuldigung.

"Passt. So müssen sich Sardinen in der Dose fühlen. Ich glaube, ich quetschte nie mehr so einen armen Fisch in so was Enges." Er lachte.

Irgendwie schafften wir es dann doch wieder aufs Bett. Zwar lagen wir immer noch seltsam übereinander, aber mit weichem Untergrund war es schon besser. Das Kopfkissen war verschwunden. Und auf einem Teil der Decke lag ich und Che zog am anderen. Aber ich kam auch nicht mehr runter.

Keine Ahnung, wie wir es im Endeffekt geschafft hatten, doch nach einer Zeit lagen wir tatsächlich nebeneinander im Bett samt Decke über uns und Kopfkissen unter unseren Köpfen.

"Wäre eigentlich schlauer, wir würden uns gegenüber liegen.", stellte Che fest.

"Still." Ich drückte Che die Hand irgendwo ins Gesicht. "Das war jetzt schon anstrengend genug." Er lachte.

Mit Schwung verschwand das Kopfkissen unter meinem Kopf und landete auf meinem Gesicht.

"Ey!" Ich schnappte mir das Kopfkissen und schleuderte es auf das Lachen neben mir, das dadurch ein wenig gedämpft wurde. Mit einem Mal wurde es unglaublich hell. Meine Augen kniffen sich zusammen.

"Geht es euch noch gut?" Wir nickten beide. Allerdings hatte Che immer noch das Kissen vor dem Kopf. Strongbow nahm Che das Kissen weg.

"Jetzt wurde auch mein Enkel wieder von der unendlichen Dunkelheit erlöst." Er lachte. Che lachte auch. Aber mit zusammengekniffenen Augen.

"Hat sich angehört, als wolltet ihr zwei euch gerade gegenseitig ermorden. Könntet ihr eure Anschläge bitte auf morgen verschieben. Das wäre und allen sehr recht.", tadelte uns Strongbow grinsend.

"Klar." Che lächelte.

"Also, dann schlaft mal. Morgen ist auch noch ein Tag. Und wie ich dich kenne, bist du früh wach und wunderst dich, warum du müde bist."

"Ich schlaf doch auch.", verteidigte sich Che.

"Also. Und beim Schlafen lachst du nicht die ganze Zeit so laut rum."

"Ja. Ich bin auch ruhig.", erwiderte Che reumütig.

"Guten Nacht." Strongbow lächelte uns zu. Er fand den Lichtschalter gleich. Schlagartig wurde es erneut stockdunkel. "Und keine Mordanschläge mehr."

Die Tür ging zu. Man hörte noch Schritte, welche die Treppe hinunter gingen. Dann war es ganz still.

Totenstille.

Neben mir atmete Che ruhig. Der schlief ja immer sofort ein, wenn er seine Augen schloss. Manchmal würde ich das auch gerne können. Ich hasste das, wach zu sein, wenn alle schliefen.

Inzwischen hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Nicht, dass ich viel gesehen hätte, -Farben sieht man ja eh nie, wenn es dunkel ist- aber nun konnte ich Umrisse erkennen. Allerdings war es zu dunkel zu, um zu zeichnen. Viel zu dunkel. Mensch!

Ich sah nach oben. Durch die kleine Dachluke schien der Mond, der zuvor hinter den Wolken versteckt gewesen war. Er glich einem großen, weißleuchtendem Ball, der durch den Dreck gerollt war und deshalb diese dunklen Flecken besaß. Neben ihm der dunkelblaue Himmel mit den Wolken, die noch ein wenig dunkler erschienen, als der Himmel selbst. In Schlieren zogen sie sich vor den Mond.

Man müsste das wunderbar zeichnen können. Den Moment festhalten, damit man ihn nie wieder vergisst. In meinem Kopf schien er abgespeichert.

Vielleicht war es besser ihn nicht aufzuzeichnen. Vielleicht bestand die Magie des Moments darin, dass er vergänglich ist und man ihn eben nicht festhalten kam. Dafür ist ja die Erinnerung. Ohne Erinnerung wäre das Leben eigentlich kein Leben.

Ich würde niemals den schönsten Urlaub meines Lebens machen, wenn ich mich danach an nichts mehr erinnern könnte. Auch nicht, wenn man mir alles bezahlen würde und mir nur die Erinnerung nehmen würde. Dann hat man nichts davon. Schließlich lebt der Moment von der Erinnerung. Sonst wäre er jetzt schon vorbei. Und jetzt. Jetzt. Jetzt.

Vielleicht hatte ich geschlafen. Vielleicht nur die Augen geschlossen. Ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Keine Ahnung, wie spät es war. Mein Zeitgefühl hatte ich während dieses Trips gänzlich verloren. Noch mal versuchen zu schlafen. Nein! Nur die Augen schließen reicht nicht.

Ich konnte kein bisschen mehr zur Ruhen kommen. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Müde drehte ich mich um. Che schlief immer noch wie ein Siebenschläfer. Ich glaube, den würde nichts aufwecken. Selbst den Weltuntergang würde er verschalen. Vorausgesetzt dieser wäre nachts.

Das Bett wackelte fürchterlich, sobald ich mich bewegte. Das musste einen doch wecken. Tat es aber bei Che nicht. Vielleicht waren wir beide zusammen zu schwer. Vielleicht war das Bett nur auf hundert Kilogramm ausgelegt. Und ich nahm kaum an, dass Che weit unter fünfzig Kilo wog. Dafür dürfte er noch nicht mal mehr Haut und Knochen sein.

Ich musste aufstehen. Der Mond war nun ganz aus dem kleinen Dachfensters verschwunden. Es war dunkler als dunkel. Irgendwie fand ich dann doch die Tür. Plötzlich war sie aufgestoßen. Licht überflutete den kleinen Raum. An Che ging dieser plötzliche Lichteinfall total vorbei.

Hastig schloss ich die Tür wieder hinter mir. Nicht, dass er doch noch aufwachen würde. Nach einer Weile vor der Treppe stehen, fiel mir auf, dass es doch gar nicht so hell war. Mir war es bloß wegen der Dunkelheit in Ches Zimmer so vorgekommen. Das Licht kam aus irgendeinem Zimmer von unten.

Leise schlich ich mich die Treppe hinunter. Keine Ahnung, warum die Stufen kein wenig knarzten. Normalerweise war ich prädestiniert dazu, dass ich furchtbar laut war, wenn ich mich einmal bemühte leise zu sein. Schleichen lag mir gar nicht.

Unten angekommen, sah ich durch einen Türspalt grelles Licht hervor blitzen. Eindeutig das Wohnzimmer. Bestimmt hatte irgendwer vergessen, das Licht auszumachen. Ich öffnete die Tür. Vorsichtig schloss sich sie wieder hinter mir. Ich trat ein und sah mich um.

Ehrlich gesagt, hätte ich mit allem gerechnet, bloß nicht damit.

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