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"Alles hat solange Gültigkeit, wie wir es für richtig und wichtig halten. Man muss immerwieder darüber nachdenken. Sonst verliert man sich in Wahrheiten. Meistenskommt man eh wieder zum gleichen Ergebnis. Zumindest hat man dann wiederfestgestellt, dass es für einen wieder einen gewissen Wert besitzt. Ich glaube,zweifeln gehört dazu." Er sah mich mit einem Blick an, den ich nichtdeuten konnte. "Das Problem mit der Welt ist, dass die intelligentenMenschen voller Zweifel während die Dummen voller Zuversicht sind. Ist von CharlesBukowski. Klingt jetzt voll anmaßend, nicht?" Che grinste.
"Wieso?" Vielleicht hatte ich auch einfach den Sinn des Satzes nicht verstanden.
"Weil ich mich jetzt indirekt als intelligentbezeichnet habe. Also intelligent ist ja auch was Anderes als ich." Erlachte gezwungen.
"Auf gar keinen Fall. Alter, du bist so verdammtmusikalisch. Das gibt's gar nicht! Und dann noch voll philosophisch. Das kanndoch kein dummer Mensch sein! Es gibt so wenig Menschen, die wirklich begabtsind. Die meisten sind ja trainiert. Aber du nicht. Du kannst das einfach so!Mensch, du musst was draus machen!" Vor lauter, lauter hatte ichbegonnen ihn wie verrückt durchzuschütteln.
Che lachte nur noch. "Also,wenn du mich dann wieder loslassen würdest, hätte ich auch nichtsdagegen."
"Echt jetzt?" Ich lachte. "Ich dachte, duwolltest noch ein bisschen mit dem Schüttelsimulator fahren."
"Weißtdu, heute mal ausnahmsweise nicht." Che lachte wieder wie Che. Das hatteich vermisst.
"Che?" Die Stimme von Ches Tante kam auf einmal aus demHinterhalt. Lächelnd wuschelte sie ihm durch die Haare. "Würdest du bitteso freundlich sein und deinen Gast mit rein begleiten und dich fertig machen,damit dein Gast heute auch noch ins Bett kommt. Dem fallen sonst gleich dieAugen zu.", meinte sie witzelnd.
"Ach, der ist noch voll wach,gel?" Genau in diesem Moment musste ich gähnen, ohne dass ich müde war.
"Siehst du?" Ches Tante grinste. "Also, kommt jetzt ihrzwei." Wir folgte ihr.
Tracey begrüßte uns gleich an der Haustür. "Zuspät." Sie grinste breit.
"Was sagst du da, Kleine?" Che tatgespielt böse. Ohne die geringste Kraftanstrengung hob er seine, nicht allzukleine Cousine in die Luft und kitzelte sie.
"Dass du zu spätbist.", kicherte sie.
"Bin ich das immer noch?"
"Jaha."
"Und jetzt?" Er kitzelte sie nur noch mehr und warfsie noch ein wenig in die Luft. Tracey lachte laut los.
"Ichfliege!", reif sie laut.
"Che!" Seine Tante sah ihn ein bisschenstrenger an. "Jetzt ist aber wieder genug. Ja?"
"Ok." Sachtsetzte Che seine lachende Cousine ab, sie sich immer noch an ihm festklammerte.
"Ich lass nicht mehr los.", verkündete sie lautstark.
"Tracey!" Ches Tante sah Tris streng an. Die ließ dann wenn auchwiderwillig los.
"Setz dich doch." Erneut nahm ich im WohnzimmerPlatz. Che verschwand ins Badezimmer und Tracey ins Schlafzimmer. Aber natürlichnicht, ohne mir davor noch ausführlich "Gute Nacht!" gesagt zu haben.Ich glaube, sie wiederholte es bestimmt fünf Mal, bis ihre Mutter meinte, dass es wohl jetzt genug sein müsste. Tracey hörte auf undmachte den Abflug.
Die Tante setzte sich neben mich. "Che braucht immerunglaublich lange im Bad. Manchmal hab ich echt das Gefühl, dass er da seineganzen Songs schreibt. Er sagt ja immer, dass er nachdenkt." Sie lächelte.
"Er schreibt Lieder?" Wieso hatte er mir davon noch nichts gesagt?
"Ja klar. Hat er dir das noch nicht erzählt?Er kann das wirklich gut. Ein wahres, unentdecktes Talent. Aber Falk istpessimistisch. Er glaubt einfach nicht mehr an Wunder." Traurig sah Ches Tante zu Boden.
"Hat er dennjemals daran geglaubt?" Kurz klang das echt so, als würde ich Falk schonmein Leben lang kennen. Eigentlich kannte ich ihn ja kaum. Der machte nie denMund auf. Oder fast nie.
"Doch", meinte Ches Tantegedankenversunken, "Es gab mal eine Zeit, da hat er immer gesagt, dass mannur lange genug durchhalten muss. Dann werden irgendwann alle seine Wünscheerfüllt. War bei ihm aber nie so. Er hat aufgegeben zu träumen. Und seitdemredet er noch weniger." Sie seufzte leise. Irgendwie tat sie mir beinaheleid.
"Aber Che wird das schaffen. Ich weiß das.", versicherte ich ihr, um sie aufzuheitern.
Ches Tante lachte."Wird ihn sicherlich freuen. Es glaubt selten jemand an ihn."
Vonoben aus dem Schlafzimmer war Gelächter zu hören. "Tracey!" ChesTante schüttelte lächelnd den Kopf. "Das macht Tris echt jedes Mal."
"Tris? Ich dachte Ihre Tochter würde diesen Spitznamen hassen."
"Tut sie auch. Aber sie ist nicht meine Tochter." Wirklich? Ich warüberrascht.
"Ich kümmere mich bloß gerne um Kinder. Leider haben Georgeund ich keine eigenen. Sollte wohl nicht sein. Aber hier sind ja immergenügend. Und die gehen wahrscheinlich auch erst dann aus, wenn Joseph und Chelange keine bekommen. Dann hätten wir für eine Zeit nur noch große Kinder. Aberdann gäbe es ja auch noch all die Anderen. Und bis die dann so weit sind, wirdes mir auch nicht langweilig. Ich mag auch Jugendliche." Sie lächelte.
Inzwischen war es oben ruhig geworden. Che tauchte auch wieder aus demBadezimmer auf. Eine geschlagene halbe Stunde hatte er darin gebraucht. SeineTante hatte nicht gerade Unrecht.
"Niedlicher Schlafanzug." Ichgrinste.
"Nicht?" Che konnte sein Lachen nicht unterdrücken."Ich hab noch so einen, wenn du einen willst. Damit du cool bist." Er musste richtig lachen. Das hellblau stand ihm eigentlich garnicht mal so schlecht. Bloß das Pferd vorne drauf sah echt nach Kleinkind aus.
Also eigentlich war es ein Photo. Wahrscheinlich Outlaw. Der Pferdekopfbeanspruchte auf jeden Fall das gesamte Oberteil. Die Hose war, wie sollte esauch anders sein, blau-weiß kariert. Mit so einem Schlafanzug hätte ich mich imInternat nie rausgetraut. Aber Che stand über so was.
Er mochte seinPferdchen. Und warum das dann nicht zeigen? Er drehte sich demonstrativ um. Aufseinem Rücken stand in riesigen Buchstaben:"Outlaw, my favourite!"Ich musste lächeln.
"Hab ich letztes Jahr zum Geburtstag gekriegt. VonPa." Che grinste. Von wem anderen hätte ich auch so ein Geschenk erwartet.
Che fläzte sich neben mich auf die Couch.
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