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Natürlich waren wirtrotzdem zu spät, obwohl mir Che tausend mal versichert hatte, dass die Zeitnoch massig für den Rückweg reichen würde. Zum Glück hatte Ches Mutter nochnichts davon bemerkt. Unauffällig machten wir die Pferde bettfertig undschlichen uns dann ins Haus.

Also, was heißt "schlichen".Selbstverständlich bemühten wir uns darum, möglichst kein Aufsehen zu erregen.Aber gelingen konnte das ja eh nicht.

Gerade, als ich besonders leise dieTürklinke runterdrücken wollte, rief es mir auf einmal ins Ohr:"Jay!"

Mann, hab ich mich da erschreckt. Stellt euch einfach vor, ihr wollt einbrechenund einer schreit euch da euren Namen ins Ohr. Einfach so. Weil's so schön ist.Alter, war das aufregend.

Klar war das Harold. Wahrscheinlich hatte der michschon wieder wahnsinnig vermisst. "Kommst du mit hoch, Film schauen?", bettelte er.

"Ähm, ja." Ich wusste nicht genau, wie gern ich das wirklich wollte,aber war ok.

"Hap, das heißt nicht Film schauen, sondern einen Filmanschauen.", verbesserte Che seinen kleinen Bruder streng.

"Ja,ja." Hap schien das nicht wirklich zu stören.

"Wie heißt dasrichtig?" Che hätte eindeutig Lehrer werden sollen?

"Pfr." Hap streckte Che einfach die Zunge herausund zog mich am Ärmel hinter sich her.

"Das macht man nicht! Alter,Harold, jetzt hörst du mir mal zu!" Tatsächlich klang Che wütend. Hapmachte sich nicht allzu viel daraus. Hauptsache mir geht's gut, musste er sichgedacht haben, während er mich ins Wohnzimmer abschleppte. Wiederwillig folgteChe uns.

Dort gab es eine riesengroße Couch und Sessel. Alles sah unglaublichbequem aus. An der Wand thronte ein Fernseher. Bisher der einzige neumodischeGegenstand in diesem Haus, den ich je zu Gesicht bekommen hatte. Kein Wunder,dass er so heiß begehrt war.

Alle Jüngeren scharten sich darum. Ein Film schienbereits eingelegt zu sein. Vor allem Ches Cousine - sie mochte so um dievierzehn Jahre alt sein - kannte sich anscheinend mit dem Gerät aus.

"Wirschauen "Music and Lyrics".", stellte sie fest.

"Nein", schrie Cheauf, "Nicht schon wieder." Zu mir gewandt fuhr er fort: "Weißt du,den Film schauen wir fast jedes Mal. Zum tausendsten Mal hab ich den mitSicherheit schon gesehen. Das nervt auf die Dauer."

"Dann eben"Notting Hill"." Wie kompromissbereit Ches Cousine doch war.

"Und wenn wir nicht "Music and Lyrics" schauen, gucken wir ebenzur Abwechslung "Notting Hill", wurde mir von Che weitererläutert, "Bloß, weil da Hugh Grant mitspielt. Nicht wahr, Tris?"Tris schaute einfach demonstrativ weg.

"Und ich heiß nicht Tris, sondernTracey.", erinnerte sie Che.

"Oh, Verzeihung Mademoiselle. Wie konnteich Sie bloß so aufs tiefste mit ihrem Spitznamen beleidigen? Wie kann ich dasnur wieder gutmachen?" Gar nicht sarkastisch Che. Gar nicht sarkastisch.

"Indem Sie mich den Film für heute Abend aussuchen lassen. Danke."Tracey legte, ohne zu warten, ein.

Um sie ein wenig zu foppen, quetschte sichChe eng neben sie auf das Sofa. "Dann ist auch noch Platz für andere Leute, Tracey." Er grinste breit. An Traceys Stelle hätte ich ihm so wasvon eine geklebt. Aber dazu war sie wahrscheinlich zu lieb oder zu guterzogen.

Von Ches Verhalten ließ sie sich nämlich kein wenig aus der Ruhe bringen. Ich setzemich neben Che, da sonst nirgendwo noch frei war. Weil Harold und Abbybeschlossen, dass auf meinem Schoß deutlich genug Platz für zwei war und ichvon allen Seiten halb erdrückt hier saß, stellte der mangelnde Platz keinProblem dar.

Daran, dass ich weder "Notting Hill" noch "Musicand Lyrics" kannte, änderte sich nichts großartig. Von dem Bildschirm sahich schließlich so gut wie gar nichts. Harold und Abby saßen davor. Undhören konnte man den Text auch nur dann, wenn mal ausnahmsweise alle für einenkurzen Moment still waren. Sonst gab es die ganze Zeit ein Geschwätz, das denohnehin schon zu leisen Ton auf jeden Fall überschattete.

Ich habe bloß mitgekriegt, dass es in "Music and Lyrics" um einen Ex-Star-Musiker undeine Pflanzengieserin, die texten kann, geht. Und die verlieben sich dann halt,nehme ich an. Und dann gibt es noch Lieder und so eine komische Inderfrau, aberkeine Ahnung, wofür die gut war. Wahrscheinlich hab ich da grad den Text nichthören können.

Nach fast zwei Stunden war der Film dann in jedem Fall zu Ende.Also dieses "Pop! Goes My Heart" und das "Way Back IntoLove" gefielen mir zumindest mal gar nicht mal so schlecht.

"Jetztkommt Karaoke.", meinte Tracey. Die bestimmte zumindest in dieserBeziehung einfach alles. "Jay und Che singen "Pop! Goes MyHeart." Widerstand war zwecklos.

Che sang ja leider gerne. Aberanscheinend doch nicht allzu gerne vor seinen Verwandten. "Muss das dennsein, Tracey? Ich hab da grad überhaupt keine Lust drauf."

"Aber du singst doch übertrieben schön. Bitte!" Mit schiefgelegtem Kopf sah sie ihman. "Ja gut, ok."

Die Karaokeversion des Liedes ertönte. Na toll.Wenigsten wurde der Text angezeigt. Sonst wäre ich völlig verloren gewesen.

Derinstrumentale Beginn ertönte. Eins,zwei drei.

Nein, ich wollte nichts singen!

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