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Der Supermarktkunde schloss sein Auto auf und lud seine Einkäufe ein.
"Und jetzt?", wisperte ich Che zu.
"Der geht nicht. Wir brauchen wen mit Einkaufswagen, der weiter hinten geparkt hat. Am besten denjenigen, der zu diesem Wagen gehört." Che deutet auf einen Pick-Up. Alles klar. Was auch immer das werden sollte, ich war dabei.
Ein Mensch mit Einkaufswagen ließ auch nicht lange auf sich warten. Tatsächlich hatte dieser Jemand freundlicherweise sogar relativ weit hinten geparkt. Sein Wagen war auch ein Pick-Up. Allerdings nicht der Pick-Up, der Che am liebsten gewesen wäre. Aber egal.
Che gab mir ein Zeichen. Wir näherten uns dem Wagen. Die ganze Zeit liefen wir gebückt hinter Autos herum.
"Und kein Mucks, ok? Egal, was ich mache.", befahl mir Che. Ich nickte. Der Typ öffnete sein Auto von der Distanz.
"Du steigst jetzt ein!", zischte er mir zu. Er rannte auf den Mann zu. Irgendetwas schien er ihn zu fragen. Er hatte seinen Cowboyhut stark ins Gesicht gezogen. Heftig gestikulierte Che. So schnell ich konnte stieg ich auf der Rückbank ein. Immer näher kam der Mann. Ich tauchte ab und kauerte mich auf den Sitzen zusammen.
Der Kofferraum wurde geöffnet. Ich hörte nur das Klicken, als dieser wieder geschlossen war. Den Rest übertönte mein Herzschlag. Ganz ehrlich, ich saß hier alleine drin, in diesem fremden Auto. Was auch immer Che tat, er war noch immer nicht hier.
Alter!
Unter keinen Umständen wollte ich hier alleine wegfahren. Was sollte ich dann tun? Durch das Fenster konnte ich erkennen, dass der Mann sich samt Einkaufswagen wieder entfernte. Ich atmete auf.
Allerdings war von Che keine Spur. Na toll.
Der Mann schob vorbildlich seinen Einkaufswagen zurück. Auf die Entfernung wirkte er jung. Brachte mir jedoch auch nicht allzu viel. Ich richtete mich wieder auf. Ich wollte nur noch hier raus. Sollte ich nicht vielleicht einfach...?
"Hey!" Neben mir saß Che. Wie hatte er das nur geschafft? "Der Typ hat doch tatsächlich für den kurzen Weg das Auto abgeschlossen. Zum Glück lag da so ein Draht." Ich wollte gar nicht wissen, wie Che die Autos immer so ratz-fatz aufknackte.
Che duckte sich und drückte mich ebenfalls runter. "Ich dachte die ganze Zeit, so ein Auto gehört wem älteren. So ein Opi oder so 'ne Omi nehmen dich immer voll gerne mit. Aber so junge Menschen stört das voll. Der war vorhin eh schon übelst genervt von mir. Also keine unnötigen Geräusche, klar?", wies er mich an. Ich nickte, denn die Tür öffnete sich.
Der Mann war zurückgekehrt. Pfeifend setzte er sich ans Steuer und startet den Motor. Am liebsten wäre ich rausgesprungen. Aber dazu war es jetzt definitiv zu spät. Hätte ich mir überlegen müssen, bevor ich bei Che eingestiegen war. Hätte ja ahnen können, dass das hier alles ziemlich anders werden würde.
Aber geil war es trotzdem! Eine Extradosis Adrenalin für den Urlaub. Oh Mann, ich lag hier auf der Rückbank eines wildfremden Autos und fuhr da einfach so mit. Alles klar. Früher hätte ich jeden für total abgedreht erklärt, der so etwas getan hätte. Inzwischen fand ich das schon fast normal. Manchmal muss man das halt machen. Kann man nichts ändern.
Wir fuhren und fuhren die Highway entlang. Keine Ahnung, ob es auf diesem Weg zu Ches Opa ging. Aber wir konnte ja auch schlecht bitten, ob uns unser netter, unfreiwilliger Chauffeur zu Ches Opa bringen könnte, wenn's genehm wäre.
Kann man eigentlich für so was ins Gefängnis kommen. Nein, oder? Zählt das zu Hausfriedensbruch? Wir hatten ja nichts gestohlen. Also zumindest nicht richtig.
So langsam aber sicher konnte ich nicht mehr so komisch gebückt rum sitzen. Ich richtete mich auf. Wütend versuchte Che mich wieder runterzuziehen. War doch nur kurz. Brauchte sich nicht so aufzuregen.
Just in diesem Augenblick sah der Typ in den Rückspiegel. Shit! Der hatte mich gesehen.
So tief unten war ich noch nie gewesen.
"Ist da wer?" Che drückte seinen Finger vor den Mund. Ich presste meine Lippen zusammen. Bitte, bitte, lieber Gott, mach, dass uns dieser Mann nicht entdeckt.
Zu spät. Der Typ hielt an. Die Hintertür ging auf. Scheiße!
"Hallo." Che richtete sich auf und reichte dem Typ freundlich die Hand. Ein Versuch war es wert. Dem Typ blieb der Mund offen stehen.
"Was zum... Was zum Henker tut ihr hier?" Anscheinend konnte er unsere Anwesenheit gar nicht fassen. Anstatt wegzurennen, saß ich wie gelähmt und dachte nur daran, dass ich vor lauter, lauter vergessen hatte, mich anzuschnallen. Seltsamerweise zerrte uns der Typ auch nicht raus. Er war einfach nur baff.
"Und eure Sachen habt ihr auch gleich mitgenommen, oder was?" Es klang noch nicht mal so auf hundertachtzig. Eher total verwundert. Mit so was rechnete man ja auch nicht.
"Sorry, echt. Wir wollten nicht stören.", versuchte sich Che an einer Entschuldigung.
"Ach echt?" Wie konnte Che jetzt noch Worte finden? Meine Kehle war ausgetrocknet und zugeschnürt. So was war mir noch nie passiert. "Und was habt ihr jetzt vor?", blaffte uns unser unfreiwilliger Fahrer an.
"Keine Ahnung." Das war schon mal ehrlich von Che.
"Also am liebsten würde ich euch ja rausschmeißen. So was geht ja schon mal gar nicht, was ihr hier abzieht. Ihr könnt doch nicht einfach in fremder Leute Autos euch rumkutschieren lassen." Jetzt klang der Typ schon aufgebrachter.
"Und wo sollen wir dann hin?" Schwang da etwa ein wenig Verzweiflung in Ches Stimme mit?
Der Mann seufzte. "Eben deshalb schmeiß ich euch nicht raus. Seid froh, dass ich heute einen guten Tag hab." Der Mann stieg wieder vorne ins Auto ein. "Dich hab ich vorhin schon gesehen, Indianer. Du warst doch der aufgeregte Hundesucher."
"Cherokee.", erläuterte Che umgehend.
"Heißt du so?", kam es nur vom Fahrer.
"Nein. Aber das ist der Namen meins Stammes."
"Cool." Ich konnte immer noch nicht fassen, dass nicht jetzt Polizeihubschrauber über uns kreisten. Der totale Wahnsinn!
"Und wohin fährst du?", erkundigte sich Che so, als wäre er schon jahrelang mit unsrem Fahrer befreundet. Einfach unglaublich!
"Freunde besuchen.", antwortet der Mann,"Und wo geht's bei euch hin?" AUs unerfindlichen Gründen wirkte er nicht mehr aufgebracht.
"Zum Chattahoochee River. Da wohnt mein Opa."
"Und der wollte dich nicht abholen?", fragte uns unserer Fahrer neckend.
"Kann er nicht. Er ist schwer krank. Deshalb müssen wir auch auf dem schnellsten Wege zu ihm. Sonst stirbt er noch." Oh wirklich? Das war mir noch gar nicht bewusst gewesen.
"Wieso fahrt ihr dann nicht legal? Das dürfte doch deutlich schneller gehen." Tja, gute Frage. Stellen Sie die nächste.
"Sind wir ja auch. Aber unser Auto ist kaputt gegangen und dann haben wir festgesteckt. Unser Geld haben wir für eine Reparatur ausgegeben, die viel zulange gebraucht hat und im Endeffekt nichts genützt hat. Da uns keiner per Anhalter mitnehmen wollte, blieb nur noch eine Möglichkeit.", erzählte Che und lies alles noch viel dramatischer wirken, als es in Wirklichkeit gewesen war.
"Verstehe." Der Mann seufzte. "Manchmal hat sich das Schicksal echt gegen einen verschworen."
Che hatte sogar nicht alles erlogen. Irgendwie war unser Auto tatsächlich abgekackt und per Anhalter hatte uns auch keiner mitnehmen wollen. Und zu Ches Opa wollten wir ja auch. Also.
Der Typ machte das Radio an.
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