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"Wo wollen wir den hingehen zum Übernachten?", fragte ich Che. 

"Keine Ahnung. In den Park?" 

"Als ob. Da findet uns noch wer und hält uns für Penner und holt die Polizei. Das kann man doch nicht machen. Darauf hab ich keine Lust." Als ob ich an die Option Park noch nicht gedacht gehabt hätte. 

"Hier wird doch nicht kontrolliert. Und in der Nacht gehen die Reichen auch nicht spazieren. Hier gibt's keine Penner. Wenn, dann wohnen die in dem Vorort von vorhin." Da hatte Che eigentlich auch wieder Recht. 

Wahrscheinlich kannten die hier gar keine Armut. Die glaubten bestimmt, so was würde es nur im Fernsehen geben. Oder eben auf der anderen Seite, sollten sie nicht allzu ignorant sein und davon wissen. Mit Sicherheit dachten sie wie mein Vater: Die haben es verdient ärmer zu sein. Schließlich arbeite ich ja. 

Aber die vielleicht auch. Das sahen die natürlich nicht. 

Che ging weiter. Er schien nachzudenken. 

"Wir können ja mal schauen, wo man so schlafen kann, wenn du willst. Falls die hier doch Penner kennen." Ich war einverstanden. 

Die Straßen der Stadt lagen im Schatten, den die riesigen Villen warfen. Dies machte die Hitze einigermaßen erträglich. Unser weniges Zeug hatten wir gleich aus dem Chevy geholt und mitgenommen. 

Hoffentlich würden wir bald eine Herberge oder so was finden. Aber in einem Reichenviertel hätte ich eigentlich eins und eins zusammen zählen können und dann wäre ich auch auf die Idee gekommen, dass es etwas Billiges hier wohl kaum geben würde. 

Im Endeffekt fand sich genau ein Fünf-Sterne-Hotel. Prüfend nahm Che das Hotel unter die Lupe. 

"Naja. Einen Versuch ist es wert.", meinte er schließlich überzeugt. 

"Was willst du denn da versuchen? So viel Geld haben wir doch niemals übrig." 

"Darum geht es doch gar nicht.", erwiderte er nur gelassen. 

"Sondern?" 

"Na du weißt doch. Was denkst du denn?" 

Und schon war er im Inneren des Hotels verschwunden. 

Vor dem Eingang lag ein roter Teppich aus. Natürlich sah uns der Portier sehr verwundert an, ließ uns aber passieren. 

Dann kam ihm das Ganze doch zu seltsam vor. "Entschuldigen Sie, meine Herren." 

Ich drehte mich um. Che fühlte sich kein bisschen angesprochen. Mit einer Hand musste ich ihn festhalten. Er schien das nicht zu verstehen. Für ihn war ganz klar: Dieser Mann konnte nie im Leben etwas von zwei Jungs im Cowboyoutfit wollen. 

Wollte er aber tatsächlich. 

"Was möchte. sie denn hier in unserer Residenz?" 

"Na schlafen. Was sonst?" Che wirkte beinahe genervt. Schon wollte sich mein Freund wegdrehen und weitergehen. Wieder musste ich ihn bei mir halten. 

"Warte doch.", zischte ich ihm zu. 

"Der nervt doch bloß. Der kann uns doch eh nicht helfen.", wisperte Che zurück. 

Oh Mann! Bleib einfach da stehen. Kapiert? 

"Wollen Sie sich denn anmelden?", erkundigte sich der Portier. 

"Ja.", antwortete Che nur knapp. 

"Dort drüben befindet sich die Rezeption.", wies uns der Portier zurecht. 

"Danke. Das haben wir bereits zur Kenntnis genommen." Ches sarkastischer Unterton schien dem Portier entweder nichts auszumachen oder er überhörte es unabsichtlich. 

Ohne Weiteres schritt Che auf die Rezeption zu. Er lehnte sich ein wenig über den Tresen. Die Dame in Uniform dahinter war geschockt. Ich kam ihm schnell zur Hilfe, um Schlimmeres zu verhindern. Er kannte sich echt kein bisschen mit vornehmen Umgangsformen aus. 

Wahrscheinlich gab es so etwas nicht im Reservat. Und seine Familie war bestimmt eher untereinander leger. 

"Würden Sie bitte einen Schritt zurück treten?", wies die Angestellte Che auf sein Missverhalten hin. Insgeheim schien dieser sich darüber tatsächlich etwas erschreckt zu haben. Immerhin trat er ein bisschen zurück. 

"Vielen Dank." Die Dame lächelte. 

"Wir würden hier gerne ein Zimmer für zwei Personen haben. Bitte.", brachte Che unser Anliegen vor. 

"Haben Sie denn überhaupt das nötige Kleingeld bei sich?" Die Dame am Empfang hatte ihre berechtigten Zweifel an der ganzen Sache. 

"Ein bisschen Geld haben wir schon. Aber wir würden lieber auf eine andere Weise unsere Schulden decken.", meinte Che gelassen. Dass wir Geld besaßen wäre mir allerdings neu. 

"Und auf welche Weise, wenn ich fragen darf?", hakte die Rezeptionistin mit gespielt freundlicher Stimme nach. 

"Ganz einfach. Wir würden zum Beispiel in der Küche helfen oder beim Betten beziehen oder so. Das können wir wirklich." Innerlich schüttelte ich nur den Kopf. Wie konnte man nur so naiv sein? 

"Wir beschäftigen nur ausgebildetes Personal, dem unser ganzes Vertrauen und das unsere Kunden gehört. Es tut mir leid.", wurden wir abgewimmelt. 

"Aber..." 

"Würden Sie jetzt bitte so freundlich sein und würden unser Hotel augenblicklich verlassen?" 

"Ich... ", stammelte Che. 

"Ich sagte augenblicklich!", wurden wir beinahe angeschrien. 

"Hoffentlich verscheuchen wir Ihnen noch ein paar Kunden!" Che war aufgebracht. "Da schlaf ich ja lieber bei den Pennern." Es ärgerte ihn, dass er nichts dagegen machen konnte. Stets wollte er jede Situation unter Kontrolle haben. 

Wir gingen zurück in den Park. Die Bänke standen im kühlen Schatten. Ich ließ mich gleich auf so eine fallen. Ich wollte gar nichts Anderes mehr. Wozu ein Fünf-Sterne-Hotel? 

Missmutig setzte sich Che neben mich. Krampfhaft dachte er nach. 

"Mann. Freu dich doch mal. Sonst sagst du doch immer, dass man sich nicht wegen jedem Scheiß aufregen soll.", versuchte ich ihn aufzumuntern. 

"Bringt auch nichts.", gab er nur zurück. 

"Also." Passte doch das Ganze. 

"Wenn man die Situation ändern kann, sollte man das tun. Geht das nicht, sollte man seine Einstellung ändern.", sagte Che nach einer Weile nachdenklich. 

"Und wie willst du die Situation ändern?" 

"Darüber denke ich ja gerade noch nach." Ich war nicht gerade zuversichtlich, was einen genialen Einfall Ches betraf. Da konnte man nichts verändern. Aber Che war fest davon überzeugt, dass dies möglich war. 

Na gut. Ich ließ ihn machen. 

Es war schon ziemlich spät und Che hatte immernoch keinen Geistesblitz gehabt. 

"Wo sollen wir denn jetzt bleiben?"

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