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"Mir egal." Ich wollte weder dem Punk noch dem Gothic etwas wegnehmen.
"Uns ist es wirklich gleichgültig. Also, sucht aus." Eine Weile zögerte ich noch. Dann wählte Che das mit Abstand schlechteste Bett. Doch dem Punk war so etwas peinlich. Daher wies er uns einfach die zwei besten Betten zu. Alle schliefen wir im gleichen Raum.
"Ist das denn überhaupt für Bill in Ordnung?", wollte ich besorgt wissen. Nicht, dass der einen noch größeren Hass auf uns bekommen würde.
"Aber natürlich ist es das. Der ist absolut genügsam. Wenn es sein muss, schläft der auch auf dem Boden für andere. Man könnte auf den ersten Blick tatsächlich meinen, dass er nicht allzu freundlich ist, aber das ist er, glaubt mir. Aus dem brennenden Haus würde er euch eher retten als ich." Bill schien das gehört zu haben und ging raus. Na toll. Der hatte die Lüge gleich erkannt.
Wir machten es uns auf unsern Schlafplätzen bequem. Mein Bett war echt super geil! So dermaßen weich war noch nicht einmal das Bett im Multivan von Chad und Viggo gewesen. Unfassbar!
Che schlief ein, ohne ausführlich zu beten. Das erklärte auch meine eigene übertriebene Müdigkeit, denn sonst erwischte ich Che immer bei einem unauffälligen Blick zum Himmel, wenn er bereits im Bett lag. Außer mir fiel dieser sicherlich niemandem auf.
Auch der Punk schlief schnell ein. Bloß der Gothic und ich lagen noch wach. Vor allem bei Bill war dies offensichtlich. Heute würde er sicherlich eine schlaflose Nacht verbringen. Ich ebenfalls. Wer wusste schon, was der noch so vorhatte. Ich wollte ihm ja nichts unterstellen, aber irgendwie hatte ich Respekt vor ihm. In der Küche musste es schließlich Messer geben. Und er konnte uns gar nicht leiden.
Meine Augenlider wurden verdammt schwer. Nur ganz kurz ausruhen. Bloß ganz kurz zu machen. Ich würde Dracula gleich wieder aufmerksam beobachten...
Durch ein seltsames Geräusch wurde ich geweckt. Allerdings erschreckte ich mich am meisten darüber, dass ich tatsächlich eingeschlafen war. Wieder war es nichts mit meinem Vorsatz gewesen. Ich glaube, die Grundbedürfnisse kann man beim stärksten Willen nicht kontrollieren.
Jetzt war ich jedoch endgültig wach. Egal wie sehr ich mich bemühte, ich konnte kein Auge mehr zutun. Irgendetwas beunruhigte mich. Da bemerkte ich es.
Bill war verschwunden!
Leise schlüpfte ich aus dem Bett. Kein Geräuschgab ich von mir. Die Stille war unerträglich. Wenigstens würde man es sofort kilometerweit hören, wenn ich schreien würde. Dennoch beruhigte es mich nicht wirklich.
So ein Scheiß! Ich war hier ganz alleine!
Bestimmt würde Che aufwachen, sollte tatsächlich etwas passieren. Besser war es mit Sicherheit, gleich nachzusehen. Dadurch könnte man zumindest versuchen, Schlimmeres zu verhindern.
Vorsichtig schlich ich mich nach draußen. Keine Ahnung, wieso ich nicht zuerst in der Küche nachgesehen hatte. Das wäre die einzige logische Option gewesen. Vielleicht weil ich mich drinnen durch das Geknarze des Bodens beinahe verraten hätte.
Das Mondlicht fiel auf den Weg und erhellte die staubige Straße. Jedes Staubkorn, das ich durch meine Schritte aufwirbelte, glitzerte in weißen Licht. Es musste schon ewig nicht mehr geregnet haben. Wahrhaftig waren Fußspuren zu erkennen. Diese führten hinter das Haus.
Die Wolken am Himmel wurden immer dichter. Unglaublich dunkel waren sie hier. Normalerweise waren sie dunkelblau, aber hier waren sie so schwarz wie der Himmel selbst, wenn man alle Sterne und den Mond entfernen würde. Der Schein des Mondes verschwamm hinter den Wolken wie Milch in einem schwarzen Gefäß. Es wirkte beinahe gruselig. Nur noch eine Stelle des Himmels war wolkenfrei und ein Fleck auf dem Boden wurde vom Mond erhellt. Dort konnte man jede Einzelheit erkennen. Bloß kaum Farben.
Genau dort stand mein Gothic.
Auch das noch!
Es kam mir vor wie ein göttliches Zeichen. Scheiße! Wie konnte...
Mit einem Mal zückte Bill ein Messer. Oh mein Gott!
Mir stockte der Atem. Angstschweiß lief mir wie Perlen von der Stirn. Bewegen war unmöglich. Fuck!
Die Klinge blitze im Mondlicht auf. Ich zitterte. Beruhigen konnte sich noch nicht mal mein aufgeregter Herzschlag. Wollte der jemanden opfern? Irgendwann hatte ich mal von Satanisten gehört, die wirklich Menschen misshandeln, um Satan gnädig zu stimmen. Ich war der Einzige hier weit und breit. Mehr als prädestiniert dazu als ich konnte man ja nicht sein. Ersetze das Messer an.
An sich selbst! An seinem Hals!
Nein! Der wollte doch jetzt nicht...
Doch!
Blut spritzte auf den Boden. Eine Lache voll Schwarz schwamm auf dem Staub und breitete sich immer weiter aus. Langsam rann ein dunkles Rinnsal an seinem Hals hinunter. Mir wurde augenblicklich schlecht.
Hätte mir vorher jemand diese Szene beschrieben und mich dann gefragt, ob ich da bleiben oder weggehen würde, wenn ich so etwas zu Gesicht bekommen würde, ich hätte gesagt, dass ich schreiend fliehen würde.
Im Moment war ich allerdings wie gelähmt, meine Kehle wie zugeschnürt. Ich konnte nur noch da stehen und warten wie zur Salzsäule erstarrt. Erneut setzte Bill an. Dieses Mal am Unterarm. Blut kam zum Vorschein. Das Blut von seinem Hals verschmutze seinen Schlafanzug. Irgendwie wirkte der Schlafanzug sogar relativ normal. Zur Abwechslung kein typisches Gothic-Kostüm. Außerdem kam mir Bill nicht so blass vor wie sonst immer. Aber das konnte auch Zufall sein. Oder ein Lichteffekt. Zudem hatte ich ihn bisher auch nicht allzu lange zu Gesicht bekommen.
Bill setzte das Messer ab. Mir stockte immer noch der Atem. Fuck, Fuck, Fuck! Ich wollte aufschreien. Etwas so Beängstigendes hatte ich noch nie gesehen. Der schlimmste Horrorfilm wäre niedlich dagegen. Das hier war mehr als nur Psychothriller-Horror.
Ich war kurz vorm Sterben. Mein ganzer Körper zitterte unkontrolliert, obwohl mir extrem heiß war. Meine Hände waren durchgeschwitzt. Schneeweiß waren sie geworden.
Das blutverschmierte Messer legte Bill neben sich. Die Klinge glänzte im Mondschein. Das Einzige, was ich in diesem Moment wollte: wegrennen von hier! Scheiße! Zu viel Panik auf einmal.
Bill setzte sich. Von der Entfernung sah es aus, als würde er zusammenbrechen.
Jetzt wäre Zeit zum Wegrennen gewesen.
Aber ich konnte nicht.
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