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"Bravo! Bravo! Bravo!", schallte es von den Rängen.
Hä? Ich verstand nur noch Bahnhof.
Das Paar zog uns beiseite. "Ihr habt ganz fantastisch mitgespielt. Großes Kompliment. Ihr solltet weiter machen."
Mitgespielt? Weitermachen? What? Meine Gesichtsausdruck musste wohl meinen Gedanken unglaublich ähneln.
"Habt ihr es nicht gemerkt?" Wie auf Kommando schüttelten Che und ich gleichzeitig den Kopf. Nun mussten sowohl der Mann als auch die Frau lachen.
"Oh Mann!", brachte der Mann nur heraus, "Wir sind eine reisende Theatergruppe." Ach ne. Wieso war ich nicht gleich darauf gekommen? So dumm! Hätte mir ja echt gleich einfallen können. Und ich dachte noch die ganze Zeit: Sieht hier aus wie im Theater. So blöd!
Nun mussten wir alle vier lachen. Auch Che schien jetzt unseren Fehler verstanden zu haben.
"Tut uns wirklich leid. Damit haben wir in dieser Geisterstadt echt nicht gerechnet", entschuldigte sich Che für uns beide. Mir kamen die Lachtränen. Beim besten Willen, ich konnte jetzt nicht sprechen.
"Wollt ihr was essen?", bot uns die Frau an.
"Gerne." Immer noch musste Che für uns beide antworten. Auf einem Stehtisch wurden uns allerlei Knabberzeug und zwei Flaschen Cola pro Person aufgetischt. Nicht schlecht. Wir schlugen zu. Man weiß ja nie, wann man wieder an eine so günstige Gelegenheit gerät.
"Aber ihr wart beide wirklich großartig", erhielten wir ein weiteres Lob.
"Wir haben wohl eher ihr Stück zerstört", entschuldigte sich Che.
"Ach nein. Wir waren schon so gut wie fertig. Außerdem habt ihr eine plötzliche Wendung in die Geschichte gebracht. Habt ihr gesehen, wie das Publikum gelacht hat, als ihr aufgetreten seid? Davor waren die kurz vor dem Einschlafen. Durch euch waren sie richtig aufgeweckt. Hatte also auch was für sich. Demnächst stellen wir immer solche Menschen an. Außerdem hast vor allem du eine bestimmte schauspielerische Begabung." Er sah mich an.
"Wieso?" Ich war verwirrt. Was hatte ich nun schon wieder angestellt?
"Weil du so lustig und gleichzeitig echt ernst veranlagt bist. Das war echt spitze!" Ich grinste verlegen und wurde rot. Nein, mein Lieber. Ich war immer so aggressiv und meistens kein bisschen lustig. Und Ernsthaftigkeit konntest du bei mir im Moment auch lange suchen. Zumindest, wenn ich mit Che zusammen war.
"Hallo." Eine schüchterne Stimme hatte gesprochen. Ich drehte mich um. Da stand ein kleines Mädchen vor mir.
Betty!
Ok, es war nicht Betty, aber sie sah ihr irgendwie ähnlich. Aber wahrscheinlich hätten mich im Moment jegliche Art von kleinem Mädchen an sie erinnert. Ich beugte mich zu ihr hinunter.
"Ja?", fragte ich mit einer besonders sanften Stimme.
"Kann ich von Ihnen ein Autogramm haben, bitte?" In ihrer Hand hielt sie einen Block mit Pferdchen darauf.
"Aber gerne." Sie reichte mir einen Pferdestift. Ich unterschrieb ordentlich, damit sie sich freuen würde. Kleine Kinder sind doch enttäuscht, wenn Unterschriften hässlich aussehen. "Hübsche Pferde sind das." Schlagartig lief die Kleine ganz rot an.
"Sind meine Lieblingstiere", hauchte sie vor Aufregung furchtbar leise. Aber ich verstand sie dennoch.
"Ich mag Pferde auch ganz doll. Warte kurz." Mit dem Pferdestift malte ich ein kleines Pony unter die Unterschrift. "Wie heißt du?"
"Lisa?" Es klang sehr zögerlich.
"Hübscher Name." Ich schrieb darunter: "Für Lisa und ihren kleinen Freund." Ein Pfeilchen zeigte von den Worten "kleiner Freund" auf das Pony. "Hier bitte." Freundlich lächelte ich sie an.
"Danke", wisperte sie mir kurz zu. Sofort rannte sie auf einen Mann und eine Frau zu, die wahrscheinlich ihre Eltern waren. Süß. Kurz sah ich ihr noch nach.
"Na, da hast du schon deinen ersten weiblichen Fan!", schmunzelte Che. "Da sieht man's mal." Ich lachte. Es war schon verrückt, das Ganze. In diesem Moment schien mir das alles wieder verdammt surreal. Für mich war es noch unfassbar, dass wir so weit gekommen waren. Dass wir überhaupt losgefahren waren. Irgendwie unbegreiflich. Das hätte ich mir nie, im ganzen Leben nicht, erträumt.
Ich würde später einfach Schauspieler werden. Dann würde sich mein Vater so richtig aufregen. Oder Politiker. Da kann er in der Öffentlichkeit nichts mehr gegen mich sagen. Es sei denn, er möchte Kopf und Kragen verlieren.
Wir verabschiedeten uns von dem Schauspielerpaar. Immerhin konnten wir sie jetzt nicht für immer begleiten oder für immer stören. Das einzige Problem, das aus der Theaterinszenierung für uns entstand, war, dass wir uns nun nach einem neuen Schlafhaus umsehen mussten. Denn wir konnten ja schlecht, wenn so viele Leute anwesend sind, einfach hier unsere Sachen auspacken und einziehen. Da würden die sich ja auch ihren Teil denken.
Das würde dann ungefähr so lauten: Oh mein Gott! Die Beschlagnahmen immer anderer Leute Häuser. Hoffentlich kommen die nicht mal bei uns vorbei. Nein, auf so ein Image konnten wir beide mehr als gut verzichten. Mit Sicherheit würde sich hier noch etwas finden.
Wir suchten einfach weiter. Wer sucht, der findet.
"Ich glaube, dieses Mal nehmen wir kein allzu gut erhaltenes Haus", schlug Che belustigt vor.
"Ganz sicher nicht!" Ich lächelte. Sowieso gäbe es hier keine solchen Häuser mehr.
"Wie wäre es mit diesem wunderhübschen Exemplar?" Ich musste lachen. Meine Hand wies auf eine Ruine, bei der ich mir noch nicht einmal sicher war, ob sie überhaupt noch diese Nacht überstehen würde. Unter ihren Trümmern begraben zu werden, würde sich bestimmt nicht allzu super anfühlen.
"Ich hätte noch eine weitere Immobilie anzubieten. Reservatsfeeling garantiert. Sehen Sie sich bloß die stabile Konstruktion mit den ordentlich zusammengeschweißten Metallplatten an. Alles genehmigt gemäß der USA-Sicherheitsordnung, betreffend der Immobilienindustrie. Sind Sie nicht überzeugt? Geräumig und leicht erweiterbar und zudem ständig lichtdurchflutet. Also, was zögern Sie noch? Schlagen Sie bei solchen Sonderangeboten zu!" Che hatte tatsächlich noch ein besseres Exemplar ausfindig gemacht.
"Du solltest echt Makler werden." Bei seiner gesamten Beschreibung hatte Che nicht gelogen. Resvervatsfeeling passte zu der Baracke. Stabil war die Konstruktion der dünnen Wellblechplatten aber definitiv nicht. Zusammengeschweißt waren sie auch. Und Richtlinien darüber gab es meines Wissens nach keine. Geräumig war es durch die vielen Löcher auf jeden Fall und leicht erweiterbar noch eher.
Natürlich drang auch das Tageslicht gut ein, als logische Konsequenz daraus natürlich auch Regen und andere Unannehmlichkeiten. Immerhin gab es kein Dach.
Dieses Gebäude als Baracke zu bezeichnen, war auch schon nett gesagt. Im Grunde genommen, war es nichts anderes als ein paar Wellblechplatten vom Schrottplatz kombiniert mit vorhandenem Boden ohne jegliche Decke. So was braucht man bei so einer "Behausung" auch nicht mehr. Auch in diese nette Hütte wollten wir nicht einziehen. Da schlief es sich ja besser draußen oder im Chevy. Schließlich hatte der auch kein Dach.
"Sucht ihr nach etwas bestimmten?" Für einen Moment stockte mir der Atem. Wer war das denn schon wieder?
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