23
Wir liefen zum Fenster und spähten hinaus. Vor unserem Palast hielt ein Auto. Na dann.
Ob das wohl die Besitzer waren? Doch auch nach längerem Warten stieg niemand aus.
Konnte uns dann eigentlich auch egal sein.
Wir sahen uns weiter in der oberen der zwei Etagen um. Che öffnete eine Tür, die beinahe einem Portal ähnelte. Alles wirkte unglaublich vornehm. Hinter dieser Tür verbarg sich eine riesige Halle. Irgendwie erinnerte sie mich an die Vorhalle eines Theaters.
Eine ganze Stadt hätte wohl genauso viel Geld wie die Privatperson, die das hier finanziert hatte. Schon irgendwie Wahnsinn!
Innerhalb des Raumes führte eine Treppe ein paar Stufen nach unten. An ihrem Fuß lag ein Tresen, der Ähnlichkeiten mit einer Rezeption oder einer Garderobe im Theater hatte, wo man seine Jacken und so abgibt. Selbst Mäntel und Schäle hingen dort feinsäuberlich. Gut, das konnte ja auch Zufall sein. Immerhin sah es nicht so aus, als wären hier Zuschauer anwesend, die sich gerade eine Theatervorführung ansehen würden.
Wer wohnte denn freiwillig in einer Geisterstadt, vor allem wenn man so verdammt reich war?Ich ging weiter.
Da gab es eine Art kleiner Gang. Wohin der wohl führen mochte? Werden wir gleich sehen!
Der Flur wurde immer dunkler, je weiter man lief. Dieses Mal war Che derjenige, der mir folgte. Tatsächlich änderte sich das mit der Zeit. Es wurde wieder heller. Am Ende des Ganges konnte man Gestalten erkennen.
Menschen? Oder hatte ich mich getäuscht und es waren doch nur Puppen? Aber was würden irgendwelche Leute denn hier machen?
Wahrhaftig! Ein Mann und eine Frau stritten sich. Hastig ging ich auf die beiden zu. Immerhin konnte man das bestimmt bereden. Vielleicht hatten sie sich verfahren. Che kannte sich ja aus. Der würde denen sicher weiterhelfen.
"Hallo", grüßte ich das Paar höflich.
"Hallo?" Die Frau sah uns kritisch an. Der Mann schien ebenfalls ziemlich perplex zu sein. Wäre ich an ihrer Stelle auch gewesen. Schließlich hatten sie nicht vor ein paar Minuten einen richtig abgedrehten Mann kennengelernt und dachten wahrscheinlich, dass sie hier alleine waren. Da war man an solche seltsamen Zufälle noch nicht gewöhnt.
"Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein?", erkundigte ich mit einer engelsgleichen Stimme. Auch Che trat näher zu uns heran. Bildete ich mir das ein oder war er zum ersten Mal ein wenig schüchtern.
"Du, Jay...", raunte er mir ins Ohr, doch davon wollte ich erst gar nichts wissen. Das hier wurde jetzt durchgezogen.
"Nein danke?" Wieso klangen die Antworten der beiden denn immer so fragend? Sie sollten das doch am besten wissen.
Erst jetzt bemerkte ich, dass das Paar nicht alleine war. Bestimmt war es das gewesen, worauf mich Che hatte aufmerksam machen wollen. In diesem Raum befanden sich noch viele andere Leute, die einfach nur zusahen. Sie saßen wie in einem Café. Zwei Sitzplätze waren noch frei. Wahrscheinlich die des Paares. Konnte es sein, dass es hier ein Café mit solchen Dimensionen gab? In einer Geisterstadt?
"Suchen Sie auch einen Weg, hier wieder herauszukommen und eine bewohnte Stadt zu finden?", fragte ich einfach mal in die Runde. Sicherlich wussten die anderen mehr als der Mann und die Frau zusammen. Doch die Übrigen verfielen bloß in einen Lachanfall. Sie kriegten sich gar nicht mehr ein.
Was war denn nur los? So lustig fand ich das jetzt nicht, hier zu festzusitzen. In einer verlassenen Geisterstadt. Oder hatten die sich alle hier heimlich getroffen? Aber reisten tatsächlich so viele Menschen auf der gleichen Art und Weise wie wir? Beim besten Willen konnte ich mir das nicht vorstellen.
Doch auf dieser Reise hatte ich bereits so viele verrückte Dinge erlebt. Wieso sollte das dann unmöglich sein? Persönlich hatte ich bereits den Punkt erreicht, an dem ich nichts mehr für undenkbar hielt.
"Woher kommt ihr denn?" Die Frau schien sich wieder gefasst zu haben.
"Wir sind auf der Landstraße lang gefahren und sind dadurch zufällig auf diese Geisterstadt gestoßen", erklärte ich bereitwillig.
"Ah ja." Der Mann tat zumindest interessiert. "Wollt ihr euch setzen?"
"Nein, nein", lehnte Che gestresst ab, "Wir können ruhig stehen. Gesessen haben wir schon den ganzen Tag, stimmst Jay?"
"Sehr richtig." Das Paar lächelte zuckersüß, doch irgendetwas sagte mir, dass mit den zwei etwas gehörig nicht stimmte. Was konnte das bloß sein?
"Draußen hat noch ein weiteres Auto geparkt. Was macht das denn hier?", fragte ich interessiert. Die Menschen, die uns umringten, schienen sich immer noch köstlich zu amüsieren. Was lachten die denn so blöd? Es gab hier im Moment deutlich Wichtigeres zu klären. Und so dermaßen witzig, sahen wir jetzt auch nicht aus.
"Wie bitte?" Vor lauter Gelächter der Übrigen hatte uns der Mann nicht mehr verstanden.
"Klappe jetzt!", brüllte ich. Ein letzter Auflacher, doch als ich sie wirklich wütend ansah, verstummten die Schaulustigen. Na bitte. Geht doch.
"Was das Auto hier macht, das gerade vorgefahren ist.", sagte Che deutlich lauter.
"Weiß ich doch nicht", gab der Mann pampig zurück. Alles gut, wir haben ja nur nett sein wollen.
"Ach so. Der Arme. Wir dachten, der würde vielleicht zu ihnen gehören. Sollten wir nicht mal rausgehen und den Fahrern helfen?", schlug ich vor.
"Ich glaube, das wäre keine allzu gute Idee", meinte die Frau, "Wollt ihr euch jetzt nicht setzten?"
"Nein! Warum sollten wir?" Zugegeben, ich klang etwas aufgebracht. Vielleicht etwas sehr.
"Auch recht. Dann kommt mal mit." Der Mann nahm uns bei den Händen und zog uns mehr oder weniger wieder in den Gang hinein. Die Zuschauer klatschten. So dumm. Die konnten zur Abwechslung auch mal was Sinnvolles machen und nicht immer irgendwas, das im Moment wirklich total unangebracht war.
"Hört auf zu klatschen, Mann!", schrie ich sie daher an, noch bevor wir im Gang verschwanden. War doch ihre eigene Schuld. Wer nicht denken will, muss hören! Für eine kurze Zeit standen das Paar und wir einfach nur da. Doch dann zog uns der Mann wieder zurück ins Helle.
Die Frau nahm mich an der anderen Hand. Wahrscheinlich fürchtete sie eine weitere Ausschreitung meinerseits. Wo liegt denn das Problem, andere Leute auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen? Wir mussten richtig rennen, um hinterher zu kommen, weil der Mann so schnell lief.
Kaum standen wir direkt vor der restlichen Menschenmasse, rissen sowohl der Mann als auch die Frau unsere Arme in die Höhe, rannten ein paar Schritte nach vorne und verbeugten sich dann. Logischerweise wurden wir durch den festen Griff an unseren Händen ebenfalls dazu gezwungen.
Ganz tolle Aktion. Überhaupt nicht sinnvoll oder angebracht, aber gut. Man konnte es akzeptieren. Und da hatte ich vorhin noch gedacht, wenigstens das Paar wäre normal. Wie sehr man sich doch täuschen kann.
Aber gut.
Und jetzt?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top