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Hoffentlich würde er das nicht merken. Sicherlich hatte es bei diesen Unterlagen keine bestimmte Ordnung gegeben. Wollte ich doch annehmen.
Hastig legte ich alle wieder irgendwie zurück. Keine Ahnung, woher sie ursprünglich gekommen waren. Nur noch eines blieb in meiner Hand. Ich hatte es gerade erst vom Boden aufgehoben. Zum Glück war es das Letzte. Da öffnete sich die Tür des Nebenraums.
Wohin jetzt mit dem Blatt? Ohne darüber nachzudenken, steckte ich es schleunigst in meine Hosentasche.
"Ich geh auch noch kurz." Schon war ich im Nebenraum verschwunden. Das Blatt würde ich später noch zurücklegen.
Der Nebenraum, der vermeintlich das Bad darstellen sollte, war höchst eigenartig eingerichtet. Als Waschbecken diente ein mit Wasser gefüllter Krug mit Waschschale. Die Toilette war auch nicht viel besser. Sie nannte sich nämlich auch Plumpsklo. Von unten war es echt kalt, wenn man hier drauf saß. Wohin das jetzt wohl fallen würde? Darüber sollte man lieber nicht nachdenken.
Als ich das Bad verließ, war ich heilfroh, nicht noch das Wasser in der Waschschale verschüttet zu haben. Hätte ja gut zu meinem heutigen Glückstag gepasst.
"Ich glaube, wir müssen wieder weiter", meinte Che, "Aber war nett, Sie kennengelernt zu haben."
"Sie beide sind herzlich dazu eingeladen, wiederzukommen", bot uns der Mann liebenswürdig an.
"Vielen Dank", bedankten wir uns beide gleichzeitig. Zum Abschied winkte uns der Mann noch zu. Allerdings kam er nicht mit runter zur Tür. Er schien seine drei Zimmer tatsächlich nie zu verlassen. Irgendwie seltsam.
"Ich wollte ihn nicht weiter ausnutzen", sagte Che, nachdem wir das Haus verlassen hatten. "Er ist einfach zu gut für diese Welt."
"Ja leider", pflichtete ich ihn bei. Von dieser Sorte Mensch gab es wirklich nicht viele. Und die meisten nutzten sie aus. Echt ungerecht.
Wir sahen uns weiter in der Stadt nach einem geeigneten, unbewohnten Schlafhaus um. Den Chevy ließen wir stehen. So groß war die Geisterstadt schließlich auch wieder nicht.
Bald stießen wir auf ein anderes Haus. Dieses erweckte den Anschein, noch teurer zu sein als das Haus des Mannes. Dies wunderte uns jedoch im ersten Moment gar nicht mehr. Wir traten einfach ein. Hier gab es ja eh keine Nachbarn mehr.
Die Tür knarzte noch nicht einmal. Wahrscheinlich waren die Bewohner erst vor Kurzem ausgezogen. Immerhin befand sich das Haus auch ganz am Rande der Stadt und sah einem Haus aus einem Western nicht unähnlich. Am ehesten hätte ich es einer etwas wohlhabenderen Familie zur Zeit der Westexpansion zugesprochen.
Innen hing kein einziges bisschen Staub in der Luft. Auch die altmodischen Fliegenfänger mit den klebrigen Folien, die in dem Haus des Mannes an allen Ecken und Enden gehangen hatten, fehlten hier vollständig. Mit Sicherheit war das vor dem Auszug auch mit solchen behangen gewesen.
Ich fragte mich nur, warum es hier so sauber war. Vielleicht war es auch die letzten Jahre für den Tourismus genutzt worden. Ferien in der Geisterstadt! Wer wollte das bitte schön nicht?
"Guck mal. Da gibt es auch wieder so eine Treppe! Die wirkt echt voll riesig. So sah das bestimmt in der Titanic aus. Wegen dem roten Samtteppich und so. Die Möbel sind ja auch echt schnicke. Sind bestimmt übel viel wert. Glaubst du nicht auch?" Ches Augen glänzten, so angetan war er von der Einrichtung und dem Reichtum, der uns umgab.
"Schon. Die sind bestimmt aus dem Antiquariat. Schau doch mal, wie alt die aussehen", pflichtete ich ihm bei.
"Stimmt." Sanft strich Che über so ein teures Sofa. "Meinst du, ich darf mich da mal draufsetzen?"
"Sicher. Ist sich eh keiner mehr da. Hast du doch beim Chevy selbst gesagt. Wenn es kein Anderer mehr braucht, kann man es ruhig selbst benutzen", meinte ich nur.
Che grinste und fläzte sich auf das Sofa. "Endbequem das Ding." Es schien zu federn, denn sein gesamter Körper bewegte sich auf und ab. Ich setzte mich neben ihn. War echt geil! Fast so, als würde man auf einem Trampolin sitzen, welches mit Federn gepolstert war. Ich hätte nie erwartet, dass alte Zweisitzer so cool sind. Später kauf ich mir mal so was. Ganz sicher!
"Mal sehen, was da oben so ist. Die Treppe ist ja schon mal richtig nice!" Dieses Mal war ich derjenige, der unser neues Zuhause weiter erkunden wollte.
"Ich glaube, hier schlafen wir. Ich will gar nicht wissen, wie die Betten hier sind, wenn eine einfache Couch schon so übelst weich ist", beschloss Che. Logisch war ich einverstanden.
Wir liefen die Treppe hinauf. Sie besaß solche Stufen, wie die Halle in Stockholm, in der die Literaturnobelpreise verliehen werden. Also extra angenehm für die Knie. Wem auch immer dieses Anwesen früher gehört hatte, war echt stinkreich gewesen. Alter!
So reich konnten doch bloß unendlich gute Broker werden. Oder Menschen, die richtig geerbt hatten. Da mussten man eben sehen, wann man an der Reihe war und gut daraufhin arbeiten, um sich alle Reichtümer unter den Nagel zu reißen.
Tja, so was könnte mir schon mal nicht passieren. Bei meiner Verwandtschaft, die ich kannte, war nicht allzu viel zu holen. Wäre ja auch unnütz, nett zu jemandem zu sein, um später davon zu profitieren. Würde ich nie machen. Auch nicht, wenn mein Onkel, dieses Arschloch, einige Milliarden Dollar schwer wäre.
Obwohl, ... dann vielleicht schon.
Oben stand man auf einer Galerie aus Marmor. Meine Güte! Wer baute bloß eine Art kleinerer Palast in eine solche Einöde in eine Geisterstadt mit echt seltsamen Nachbarn wie dem Schatzinsel-Ben? Dazu musste man doch wirklich irre sein.
Oder etwa nicht?
Mit einem Mal hörte man von draußen Lärm.
Nanu?
Wo konnte der denn herkommen?
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