18
"Abwarten und Kaffee trinken." Viggo musste über seinen eigenen Ausspruch lachen. Wir liefen noch einmal an den See, um uns abzukühlen. Inzwischen trug ich auch wieder mein Cowboyoutfit.
"Schreib deinem Vater. Vielleicht tut es ihm leid und er macht sich Sorgen", flüsterte ich Viggo zu. Er erwiderte nichts, doch ich war mir anhand seines Gesichtsausdruck sicher, dass er mich wohl verstanden hatte.
Wir verabschiedeten uns. "Hoffentlich begegnen wir uns noch einmal", meinte Viggo zum Abschied. Das hoffte ich auch. Che und ich stiegen wieder in unseren alten Cadillac.
Dieses Mal folgten wir erneut der Landstraße, da der Boden um uns herum immer noch aufgeweicht war. Noch einmal in einer Matschkuhle festzustecken, darauf hatte keiner von uns beiden Bock. Ich drückte den Kopf gegen die Fensterscheibe.
"Auf dem Fahrrad kommt einem dreißig Stundenkilometer immer voll schnell vor und im Auto überhaupt nicht. Findest du nicht auch? Und auf einem Pferd fühlt man sich auch immer übertrieben schnell, wenn man so galoppiert", murmelte ich gedankenverloren.
"Weißt du woran das liegt?" Che schien es dennoch gehört zu haben.
"Nein."
"Weil du hier in einem großen Fahrzeug sitzt, in dem du dich sicher fühlst, und weil du eine Scheibe davor hast. Da spürst du keinen Fahrtwind. Und der beeinflusst unser Empfinden von Schnelligkeit auch maßgeblich." Ah, wieder was gelernt.
"Manchmal bist du so gebildet, dass es anstrengend ist. Du weißt echt verdammt viel über so abstraktes Zeug. Kaum zum Aushalten", meinte ich scherzhaft. Che grinste über sein ganzes Gesicht. Unwillig musste ich auch lachen.
Wir fuhren immer weiter. Die Landschaft zog am Fenster vorbei. Es konnte einem beinahe so vorkommen, als würde sie an einem vorbei hasten. Meine Augen fingen von der ständigen Sonneneinstrahlung und dem wenigen Schlaf an, zu schmerzen. Ich machte sie zu.
Plötzlich gab es einen übelst lauten Knall! Schlagartig öffnete ich die Augen und zuckte erschrocken zusammen. Was war das denn? Verwirrt sah ich mich um.
Wir standen. Fakt.
Die Frage war lediglich wieso.
"Was ist passiert?", erkundigte ich mich panisch.
"Keine Ahnung. Wenn ich es wüsste, hättest du es gar nicht bemerkt. Dann hätte ich das Problem ja schon behoben. Hab schon die ganze Zeit gedacht, dass da was nicht stimmt", gab Che nur zurück.
"Toll, du Hellseher. Und jetzt?"
"Wieso wirst du eigentlich immer gleich so nervös? Immer langsam und entspannt. Das ist die einzige sinnvolle Methode, die wirklich Zeit spart!" Che hatte wie üblich die Ruhe weg. Wie konnte er nur?
Gemächlich stieg er aus. Ich tat das Selbe. Wir gingen um das Auto herum.
Leider zeigte es uns gleich ganz genau, wo der Fehler lag.
"Oh", macht Che nur. Es klang nicht sonderlich besorgt. Ich öffnete die Motorhaube und sah auf den ersten Blick gar nicht, was das Problem war.
"Verdammter Scheiß!", fluchte ich. Ich bemühte mich, nicht zu schreien, doch es hörte sich richtig aggressiv an. Wie sollten wir in diesem Zustand jemals wieder weg kommen? Weit und breit war tote Hose. So eine Kacke!
"Kennst du dich vielleicht zufällig mit Autos aus?" Che schien meine wütende Art kein bisschen zu beeindrucken. Normalerweise kuschten da alle. Er tat natürlich das, was er für angebracht hielt.
"Nein, natürlich nicht, verdammt, du Arsch! Sonst wäre mir das ja egal!" Inzwischen hatte ich begonnen, hysterisch zu kreischen.
"Wollt ja nur wissen." Che klang absolut entspannt. Konnte der nicht einfach mal damit aufhören, so rumzuchillen? Sollte lieber mal was machen! Ist doch sonst so pragmatisch und hält sich selbst für außerordentlich geschickt. Sollte er das doch jetzt mal zeigen. Hier und jetzt!
"Wieso bin ich jetzt eigentlich ein Arsch?" Er hätte mich auch fragen können: Wie alt bist du? Es hörte sich kein bisschen beleidigt oder aufgebracht an. Alter, lass das!
Seelenruhig öffnete Che die Motorhaube noch weiter, als ich es bereits getan hatte. Noch einmal schaute ich ahnungslos hinein. Wenn ich mich nicht ganz täuschte, war ein Schlauch nicht mehr an seinem Platz. Mit Sicherheit konnte ich es aber nicht sagen. Ganz super! Was, wenn da jetzt ein Teil fehlte? Wo sollte man hier Ersatzteil herbekommen? Was wenn der Schlauch durchgebrannt war? Unser ganzes Auto könnte Feuer fangen und explodieren!
Beide traten wir einen Schritt nach hinten. Dann warteten wir. Mehr konnte man im Moment in der Tat nicht tun. Ich stöhnte leise. Ok, ruhig Blut. Man sollte bei Problemen lieber nachdenken, als seine Energie mit Aufregen zu vergeuden. Damit erreichte man nichts. Che hatte Recht.
Nach einer Weile hatte sich meine Atmung wieder normalisiert. Fachmännisch beugte sich Che darüber. Innerlich kochte ich immer noch vor Wut. Bald erhob sich Che wieder und zuckte mit den Achseln.
"Was ist denn los?" Ich gab mein Bestes, meine Wut zu verbergen.
"Keine Ahnung." Es kam mir vor, als würde ein Hauch von Verzweiflung in seiner Stimme liegen. Die nächste Tankstelle oder Ortschaft mochte noch Kilometer weg sein. Alles nütze nichts.
Ich sah ein letztes Mal unter die Motorhaube. Eindeutig, dieser Schlauch von vorhin war nicht an seinem Platz. Na ganz klasse. Ob ich Werkzeug brauchte, um ihn zu fixieren? Ich sollte mir auf jeden Fall lieber welches beschaffen? Schaden konnte es sicher nicht.
"Hohl mir mal einen Schraubenzieher." Unverständnis von Ches Seite.
"Was ist das?", erkundigte er sich dann zaghaft.
"Oh, Mann! Du bist so blöd! Bring einfach den ganzen Werkzeugkasten." Che tat wie ihm geheißen. Im Nachhinein tat er mir echt leid. Ich meine, ich schrie ihn die ganze Zeit an und er rettete mich trotzdem danach beinahe jedes Mal.
Der Werkzeugkasten beinhaltete leider nicht allzu viel. Aber ein Schraubenzieher befand sich dennoch unter den wenigen Stücken. Ich nahm ihn heraus und begann im Inneren des Autos herumzuschrauben. Keine Ahnung, was ich genau tat. Allerdings half er mir nicht sonderlich und ich entschied mich dazu, es mit bloßen Händen zu versuchen.
Der Schlauch steckte wieder dort, wo ich glaubte, dass er hingehörte. Zufrieden richtete ich mich wieder auf. Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr mein Bauch schmerzte. Die ganze Zeit hatte ich auf ihn gelegen, da mein Oberkörper sonst zu klein gewesen wäre. Meine Beine hatten kaum auf den Boden gereicht. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich mich extrem ungeschickt angestellt hatte, weil ich im Allgemeinen nicht allzu klein war. Auch kein Riese, doch groß genug, um nicht aufzufallen. Wie meine gesamte restliche Familie.
Wir waren so das Mittelding von allem. Die perfekte Durchschnittsfamilie, die zur augenscheinlichen Musterfamilie mutiert war.
Che stieg in den Cadillac ein. Er startete den Motor. Ob er wohl dieses Mal erneut anspringen würde? Glauben konnte ich daran nur herzlich wenig. Als ob es nur dieser Schlauch gewesen wäre.
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