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Der Kaffee schmeckte gut, doch er war relativ kühl. Musste wohl genug Koffein für zehn enthalten. Wahrscheinlich damit Dice sonst wach blieb. Ich wurde davon nur voll aufgedreht. Unaufhörlich quatschte ich nur irgendwelches dummes Zeug.

Irgendwann kam ich dann auf den Trichter etwas zu Essen zu wollen. Das einzige Problem daran: Der nächste Supermarkt oder andere Einkaufsladen für etwas Essbares lag ungefähr eine halbe Ewigkeit von uns entfernt. Daran konnte man nun wirklich nichts ändern. Dice beeilte sich ja echt. Aber schneller als schnell ging halt auch nicht.

"Also schön.", meinte Dice. "Dann spielen wir jetzt mal was."

"Was spielen?" Unruhig rutschte ich auf meinem Sitz herum. "Ja, was spielen. Ich nenne das Highway-Bingo. Und das Spiel geht so. Ich sage zum Beispiel Truck mit Anhänger. Dann müsst ihr auf der Highway beide nach einem Truck mit Anhänger Ausschau halten. Alles zählt. Muss nicht unbedingt auf der Fahrbahn sein. Man darf bloß nicht lügen. Sonst macht das Spiel ja keinen Spaß. So weit verstanden?" Wir nickten. "Wenn ihr die Sache gesehen habt, sagt ihr das sofort. Dann kann man auch noch kontrollieren. Dann gibt es für denjenigen, der die Sache als Erster gesehen hat, einen Punkt. Wer am Schluss die meisten Sachen gesehen hat, also die meisten Punkte hat, hat gewonnen. Alles klar?" Wir nickten erneut. "Na dann mal los!"

Auch Che war ein wenig aufgedreht wie ich. Lag sicherlich auch am Koffein. So eine Menge waren wir nicht gewöhnt.

"Ich sage: Ihr müsst einen fahrenden Rolls-Royce sehen.", kündigte Dice die erste Runde an. Beide starrten wir wie die Blöden aus dem Fenster. Natürlich kam genau in diesem Moment kein fahrender Rolls-Royce. Na klar. Wer fährt auch schon morgens mit seinem Rolls-Royce spazieren?

Dann sah ich endlich einen. Auf einem Abschleppfahrzeug. Sah auch schon ziemlich mitgenommen aus. Na toll. Der fuhr ja definitiv nicht selbstständig. Irgendwann hatte Che dann einen entdeckt. Und der fuhr tatsächlich selbst. Der erste Punkt ging an ihn.

"Jetzt sucht ihr einen Abschleppwagen." Na super. Den hätte ich vorher gebrauchen können. Eigentlich war es ein faires Spiel, weil wir auf der mittleren Spur fuhren. Jeder hatte die gleiche Chance. Trotzdem ging dieser Punkt wieder an Che. Der war einfach zu gut.

Danach gewann ich endlich mal meinen ersten Punkt. Che wollte nicht mehr. Mit einem Mal überkam mich eine unendlich große Müdigkeit. Nur kurz die Augen schließen. Das schien Che wohl auch zu tun. Höchst wahrscheinlich. Der Trip hatte uns geschafft. Auf jeden Fall!

"Essenszeit!", wurde ich von Dicegeweckt. Müde rieb ich mir die Augen. Wenn das hier vorbei war, würde ich erstmal so richtig ausschlafen. Wir hielten bei so einem Restaurant, das von außeneher einem Pferdestall ähnelte.

"Hier gibt es Essen besondersgünstig.", meinte Mister Commonwealth und trat ohne zu Klopfen ein. Wirfolgten ihn unauffällig. Drinnen war es ein wenig düster. Schlechte Lampenerhellten den Raum. Fenster gab es nur an einer Seite, aber die waren schon soverdreckt, dass sie natürlich nicht mehr viel nützten. Licht drang durch sieauf jeden Fall nur noch minimal. Es stank fürchterlich nach Rauch. Ich musstehusten und Che auch.

"Wir gehen zu den Nichtrauchern. Keine Sorge."Dice bahnte sich einen Weg durch die dicht beieinander stehenden Tische undStühle. "Ihr wartet hier." Wir nickten wie üblich und blieben direktneben einem Rauchertisch stehen.

"Und ihr seid also mit Commonwealth unterwegs?"Einer der Trucker drehte sich zu uns um.

"Ja, sind wir.", gabChe zurück. Es klang irgendwie neutral.

"Aha. Der steht in letzter Zeitvoll auf Kinder. Erst schleppt er die ganze Zeit seine Schwester mit sich rumund jetzt euch. Was wohl als nächstes kommt?", berichtete der Trucker, der uns angesprochen hatte.

"Dann ist er wohlVater.", sagte ein anderer Trucker belustigt.

"Das würde aber echtpassen. Der ist doch so der Gesundheitsfutzi geworden.", meldete sichwieder Trucker eins zu Wort. Allgemeines Gelächter. Sehr schön. Habt ihr jaganz toll hingekriegt euch über Dice hinter seinem Rücken lustig zu machen.Mich nervten diese Raucher schon nach vielleicht einer oder zwei Minuten an.

"Und wo hat der euch aufgegabelt? Oder seid ihr auch so Verwandte, beidenen er jetzt Vater spielen muss?" Wieder schmissen sich alle weg vorlachen. Trucker eins war ja wirklich eine Witzkanone. Der geborene Komiker.Genauso ein Depp wie die Meisten, die sich Komiker nennen.

"Wir sind nichtmit Dice verwandt. Er hat uns bloß mitgenommen.", erwiderte Che kurz undbündig.

"Von der Autobahn!" Vor Lachen konnten sich die Trucker kaumnoch auf den Stühlen halten.

"Wo seid ihr denn abgehauen, dass ihr auf derAutobahn allein rumsteht? Aus dem Jugendknast?" Trucker eins musste selbstso lachen, dass er kaum noch seine Witze reißen konnte. Wie bedauernswert. Ichhätte ihn erwürgen können.

"Klar. Wir kommen grad frisch aus demGefängnis.", sagte Che todernst, "Wir haben das so gemacht wie AndyDufresne. Shawshank war echt eine interessante Erfahrung." Den Truckernfiel die Kinnlade runter.

"Da seht ihr mal, was ich für wichtige Menschenaufgable. Stephen King lässt grüßen." Mit diesen Worten nahm uns Dice mit.

"Die scheinen wohl nicht "Die Verurteilten" zu kennen." Chelachte.

"Nein. Und Stephen King sagt denen auch nichts." Nun war esDice, der lachte.

"Nicht schlecht habt ihr das gemacht. Ich muss schonsagen. In eurem Alter hätte ich mich gegen solche Erbsengehirne nicht wehrenkönnen. Man muss nur die Schwäche seines Gegners kennen und die eigene. Hatmein Vater immer gesagt." Dice lachte.

Unser Tisch gefiel mir. Er standdraußen, weil drinnen ja geraucht wurde.

Außer uns saß niemand in der Nähe.

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