Tanz unter Sterblichen - One Shot (Teil 2)

Athene wäre am liebsten weggerannt, doch der Mann hielt sie bei sich und zwang sie fast schon zum Tanzen. Schritt nach hinten - beinahe wäre sie umgeknickt. Schritt nach vorne - fast wäre sie ihm auf die Füße getreten. Mit angehaltenem Atem versuchte sie, sich die Schrittfolge einzuprägen, was nicht unbedingt einfach war. Athene hatte das Gefühl, nach jedem Takt würden die Schritte sich wieder ändern...

Unglaublich erleichtert war sie, als der Ball zu Ende war und sie den Tanz überlebt hatte. Wie? Nun, das blieb ihr selbst ein Rätsel. Auch blieb ihr ein Rätsel, warum der Mann mit ihr getanzt hatte. Noch nie hatte sie jemand dazu aufgefordert. Gut, es könnte eventuell daran liegen, dass sie sonst nur unter Göttern lebte und denen auf den Tod untersagt hatte, sie auch nur anzufassen. Dennoch fragte sie sich, warum sie sich darauf eingelassen hatte. Auch, weil sie der Mann mit den meergrünen Augen an Poseidon erinnert hatte. Ihren algenhirnigen Rivalen. Sie ärgerte sich darüber, überhaupt an ihn gedacht zu haben. Nichts verachtete sie mehr als ihn (außer Spinnen vielleicht) und auch er konnte sie auf den Tod nicht ausstehen...

Athene brauchte frische Luft. Der Saal lag an einem See und so war der Weg nach draußen nicht weit. Vor dem Wasser blieb sie stehen. Der Mond schien weiß und hell am Nachthimmel und spiegelte sich in den sanften Wellen wieder, die sachte über die Oberfläche glitten. Bäume schmückten das Ufer und ragten majestätisch empor. 

"So sieht man sich wieder" Sie unterdrückte sich ein Aufschreien und schnaubte stattdessen auf: "Was fällt Ihnen ein..." Der Mann hob seinen Finger an ihre Lippen und sofort verstummte sie, was sie normalerweise nie tat. Niemals ließ sie sich von einem männlichen Wesen etwas gefallen...

"Ich glaube", sagte er schließlich leise, "ich habe vorhin vergessen zu erwähnen, dass Sie wirklich bezaubernd aussehen, Mylady..." Athene konnte nichts erwidern, zum einen, weil sie solche Komplimente nicht gewohnt war, zum anderen, da sein Finger nach wie vor ihren Mund versperrte. Sie nickte nur und hoffte, nicht so dämlich auszusehen, wie sie sich fühlte. 

"Warum sind Sie denn gegangen?", fragte er sie jetzt und trat ein Stück näher zu ihr. Das Leder seiner Schuhe berührte ihre Zehenspitzen und sie stammelte: "I-Ich... m-mir war e-etwas... warm..." Das war wenigstens nur zum Teil gelogen. Der Mann lächelte: "Nun, jetzt scheint Ihnen aber kalt zu sein..." Ohne, dass sie die Chance hatte, etwas zu erwidern, hatte er sein Jackett auch schon ausgezogen und um sie gelegt. Ihr Zittern stoppte abrupt und Athene quiekte: "Äh... danke?" Sie wusste, dass sich Aphrodite gerade köstlich amüsierte. Aber Gnade ihr Zeus, sollte sie auch nur auf die Idee kommen, einen ihrer närrischen Liebes-Pfeile abzuschießen...

Plötzlich erstarrten all ihre Sinne. Ihr Gehirn war wie eingefroren und ihre Gliedmaßen waren steif wie ein Brett, als der Mann sich zu ihr beuge und sie küsste. Seine Hände legten sich sanft um ihre Taille und zogen sie zu ihm, während seine Nasenspitze die ihre berührte. 

Seine Lippen schmeckten salzig wie das Meer. Sein Atem war warm wie der Ozean im Sommer. Seine Hände zart wie die Wellen. Seine Haut weich wie der Sand am Strand. In ihrer Schockstarre konnte sie nicht anders, als ihre Arme um seinen Hals zu schlingen und den Kuss zu erwidern. Zu sehr hatte dieser sie in den Bann gezogen. Ihre Knie waren wie aus Pudding und kaum noch in der Lage, sie zu halten, doch die seine Arme umfassten ihren Körper fest, sodass sie nicht fallen konnte. Seine Hand wanderte langsam zu ihrem Gesicht und streichelte vorsichtig über ihre Wange, während sie die Augen schloss und das Gefühl, das sich in ihr ausbreitete, in vollen Zügen genoss. 

Dann schaltete sich ihr Verstand ein und ruckartig stieß sie ihn von sich weg. Etwas benommen starrten seine funkelnden Augen sie an und Athene keuchte: "Du! Wie... wie konntest du nur?" Angewiderte blickte sie zu ihm. Sie konnte es nicht fassen, wen sie gerade geküsst hatte.

Poseidon war es, der vor ihr stand. Verwirrt. Athene fragte sich, ob er wohl zu viel getrunken hatte, bis ihr einfiel, dass das bei Göttern selten zu Sinnesstörungen führte. Er hatte sie mit Absicht geküsst. Er hatte den Kuss gewollt. Und ihre Unsicherheit genutzt, um ihn zu bekommen. Beschämt und ohne sich noch einmal umzudrehen raffte sie den Saum ihres Kleides und rannte weg. Weg von dem Fehler, den sie begangen hatte, und dorthin, wo sie nun die Konsequenzen dafür bekommen würde.

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