Kapitel 9:

Im Sonnenschein rennen Legolas und ich ans Ufer des Sees entlang und suchen nach einem Weg, wie wir nach Esgaroth gelangen, denn ich weiß durch Spurenlesen, dass die Zwerge einen Weg gefunden haben, dorthin zu gelangen. Bestimmt ist es ein Kranführer gewesen. Anders geht es nicht, denn schwimmen können Zwerge meist nicht und das Wasser ist viel zu kalt für diese lange Strecke.

Wir rennen um den großen, langen See herum in die Stadt hinein. Der Abend ist bereits angebrochen und ich werde immer müder. Wir haben den ganzen Tag gebraucht, um den riesigen See zu umrunden und über kleine Klippen zu springen. Dennoch müssten wir etwas schwimmen, damit wir ankommen und nicht entdeckt werden, denn nach Esgaroth kommt man nur durch die Booteingänge und durch einen langen Holzsteg auf der anderen Seite im Norden, wo der Berg liegt. Dafür hätten wir etwa zwei bis drei Tage gebraucht und das würde viel zu lange dauern.

Wir klettern auf den Dächern weiter und ich erblicke die Stadt vor mir. Esgaroth. Ich bin noch nie hier gewesen, aber was die Menschen auf einem See aufgebaut haben, finde ich zutiefst beeindruckend. Ihre Straßen bestehen aus Wasser, auf denen sie mit Boote segeln. Ihre Häuser sind alle aus Holz, die mit dicken, festen Stegen tief unter dem Wasser stehen und das Gleichgewicht halten. An Brücken sind Wachtposten aufgestellt, aber sie passen nicht sehr scharf auf, denn es ist schon zu lange her, dass sie das letzte Mal wirklich etwas zu tun gehabt hatten. Mit den Waldelben sind die Seestädter gut befreundet, abgesehen vom gelegentlichen Zank um die Flusszölle. Manche jungen Leute in der Stadt äußern unverblümt Zweifel an der Existenz eines Drachen im Berge und lachen die Graubärte und die alten Mütterchen aus, die behaupten, sie hätten ihn in ihrer Jugend am Himmel fliegen sehen. Ich jedenfalls glaube, dass der Drache im Berg ist, genauso wie jeder andere Waldelb, da wir länger leben. Luthien erzählte es mir, als es geschah, dass nicht weit von unserem Königreich ein Drache aufgetaucht ist und die Zwerge ihr Zuhause verloren haben. Ich weiß, dass mir der Name Thorin Eichenschild bereits irgendwann gehört habe und erst, als mir die Zwerge über den Weg liefen, wusste ich woher.

Legolas und ich lassen uns kurz auf dem Dach eines Hauses nieder und schnappen nach Luft. Mir wird kalt, da meine Kleidung völlig nass ist und ich zu zittern beginne. Unsere Haare sind trocken geblieben, nur die Spitzen sind nass. Nachdem wir uns etwas ausgeruht haben, ohne ein Wort auch nur zu verlieren, flüstert Legolas schließlich leise, da es sein könnte, dass Menschen gerade unter uns sind und schlafen.

„Talia..."

Ich sehe ihn an, währenddem ich meine Schuhe ausziehe und das Wasser auslaufen lasse.

„Ich bezweifele, dass er dir vergeben wird."

Ich weiß, dass er so denkt. Thranduil wird sauer auf mich sein, nicht auf seinen Sohn. Er weiß bereits, dass ich Legolas überredet habe, mit mir zu kommen, denn ich weiß auch, er würde mich niemals alleine gehen lassen, nachdem wir so viel zusammen erlebt haben.

„Wir müssen die Zwerge finden. Weit können sie nicht sein.", wechsele ich das Thema, denn er weiß, dass es mich schwer zum Nachdenken bringt und es mir kein gutes Gefühl gibt, dass ich den Zorn von Thranduil über mich gebracht habe.

Er steht ruckartig auf. „Dann los."

Wir springen auf das nächste Dach und huschen von Dach zu Dach, so leise wie eine Katze, die niemand hört. Plötzlich hören wir Schreie von zwei Mädchen, das Gebrülle von Orks, das Zerbrechen von Glas und Porzellan und das Zerschlagen von Holz. Alles in einem weiß ich, dass es ein Angriff von Orks auf eine Familie ist. Sofort rennen wir zu den lauten Geräuschen; ich springe von einem Dach ab und schieße einen Pfeil direkt in den Rücken eines Orks, der umfällt. Legolas bleibt auf dem Dach des Hauses, wo sich die Familie befindet und die Orks ihr Unheil treiben. Ich komme zur Eingangstür hinein, töte mit meinen Messern mehrere Orks währenddem ich sehe, dass ein junges blondes Mädchen, vielleicht gerade mal zwanzig Jahre alt und ein kleines, ebenfalls blondes Mädchen von neun oder zehn Jahren, neben einem umgelegten Tisch stehen und versuchen sich zu verstecken. Außerdem sehe ich einen jungen braunhaarigen Mann, vielleicht gerade mal sechszehn Jahre alt, der wie versteinert dort steht. Ich sehe insgesamt vier Zwerge, unter anderem Kili, der Rest ist verschwunden. Legolas bricht durch die Decke, tötet mit seinen Pfeilen einige Orks. Kili liegt auf einem Bett, verschwitzt und blass. Er sieht überhaupt nicht gut aus. Es ist das Gift, das durch seine Adern fließt.

Als ich während einem Kampf einen anderen Ork erblicke, der Kili angreift, ziehe ich das Messer heraus, töte erst den Ork bei mir und dann den anderen, sodass Kili gerettet wird. Als noch mehrere Orks ins Haus kommen, halte ich mich an einer Säule fest, die dem Haus Halt gibt, mache mich steif, sodass ich über die Wand laufe und schlage mit dem Bein einem Ork ins Gesicht. Legolas und ich schlachten alle nach dem anderen ab, ich rette zwei Zwergen gerade das Leben indem ich sie wegschubse, sie von der Schusslinie der Orkpfeile nehme und den Ork ein Messer in den Bauch stecke. Kili hat ein Messer in der Hand, stürzt sich mit seiner ganzen Kraft auf einen Ork, sticht ihm das Messer ins Genick und fällt vor Schmerz vor meinen Füßen um. Er schreit seinen Schmerz aus der Seele, ich halte vor Schreck den Mund geöffnet und fühle mich in diesem Moment so hilflos. Die restlichen Orks verschwinden, da sie bemerkt haben, dass die restlichen Zwerge nicht da sind und bereits auf dem Weg zum Erebor sind. Legolas steht draußen vor dem Haus, erblickt die Orks, welche in Richtung Brücke zum Berg verschwinden.

„Ihr habt alle getötet.", murmelt der Junge verblüfft und schnappt erschreckend nach Luft.

Legolas schreitet schnell ins Haus hinein. „Es kommen noch mehr." Er sieht mich an, währenddem er das Haus auf der anderen Seite wieder verlässt. „Talia", sagt er schnell und zornig. „Komm!"

Die Augen dieses Elben starren mich etwas ängstlich an, als hoffe er, dass ich ihm endlich folgen werde. Die Weise, wie er meinen Namen ausspricht bringt mich zu nachdenken, aber ich weiß nicht, wohin. Er verwirrt mich zu tiefst, aber ich glaube, ich würde es mir selbst wieder mal nicht verzeihen, dass ich jemanden für ihn sterben lasse. Ob ich bei ihm oder dem Zwerg bleibe, das ist für ihn wohl sehr wichtig, genauso wie für mich. Hier geht es nicht mehr, um irgendwelchen Orks zu töten. Hier geht es diesmal um uns. Und das schon seit wir zu dieser großen und gefährlichen Reise angebrochen sind.

„Talia..."

Und dann verschwindet er. Ohne mich.

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