Kapitel 6:

Ich verbeuge mich sofort von Thranduil und gehe die Treppen wieder zurück nach unten. Vielleicht versteht er mich nicht, aber Legolas und ich sind Freunde, und daran kann und wird sich nie etwas ändern. Ich habe niemals Hoffnung gesucht, wo ich mir sicher bin, dass es dort keine gibt. Und er glaubt fest daran, da wäre mehr im Sinne.

Ich will einfach nur noch irgendwo hin, wo ich alleine sein kann. Ohne nachzudenken gehe ich zu den Zellen. Ganz vergessen! Diese sind ja jetzt besetzt. Ein dicker Zwerg starrt mich mürrisch an, als ich an ihm vorbei gehe und so tue, als wüsste ich, was ich tue. Andere schlafen bereits und schnarchen so laut, dass man es sicher bis oben hören kann. Ich tue so, als würde ich nur kurz vorbeisehen, ob alles auch in Ordnung sei. Als ich an Kili vorbeigehe, dem Zwerg, dem ich das Leben vor den Spinnen im Düsterwald gerettet habe, erblicke ich, dass er einen seltsamen Stein in der Hand hält und mit diesem seine Zeit vertreibt.

„Der Stein in eurer Hand. Was ist das?"

„Ein Glücksbringer.", antwortet er nach kurzer Zeit ohne mich anzuschauen.

Ich warte auf mehr, denn nur das kann es ja wohl nicht sein. Ich bin eben viel zu neugierig, wenn es um einen Zwerg geht. Ich sehe Zwerge wirklich selten, noch dazu noch so gutaussehend. Trotz, dass sich Zwergen und Elben nicht gerade immer gut verstanden haben, habe ich nichts gegen sie und hoffe sogar, dass in der nahen Zukunft sogar eine Freundschaft zwischen den zwei Rassen entstehen könnte, aber mit einem König wie Thranduil ist das sehr schwer.

„Ein mächtiger Zauber liegt darauf.", sagt er. „Liest ein anderer, als ein Zwerg, diese Runen... so ist er für immer verflucht!"

Er streckt seine Hand mit dem Stein genau zu meinem Gesicht aus, sodass ich mich erschrecke und kurz die Runen erblicke. Verflucht. Ich will gehen, als der Zwerg weiterredet.

„Oder auch nicht." Er beginnt breit zu lächeln. „Kommt drauf an, ob man an sowas glaubt. Ist nur 'n Andenken." Er lacht kurz. „Ein Runenstein... Meine Mutter hat ihn mir geschenkt, damit ich an mein Versprechen denke."

„Welches Versprechen?"

„Dass ich zu ihr zurückkehre."

Ich lächele, denn ich finde, dass es ein schönes Versprechen ist. Er hat wenigstens noch eine Mutter. Oder er war zu lange weg und sie ist längst tot? Dann ist es eine Schande, dass er sein Versprechen gebrochen hat.

„Sie sorgt sich. Sie hält mich für waghalsig." Er spielt weiter mit dem Stein herum, wirft ihn in die Luft und fängt ihn wieder auf.

„Seid ihr es?"

Er lacht und schüttelt dabei den Kopf. „Näh."

Plötzlich verfehlt er den Stein, sodass dieser neben mir vorbei fällt und ich ihn noch gerade mit meinem Fuß auffange, sodass er nicht den hohen Abhang herunter in den Fluss fällt. Kili steht sofort auf und kommt an die Gitter der Zelle, während ich den Stein aufhebe und ihn ans Licht hochhalte, um die Runen darauf genauer zu erkennen.

„Da oben scheint ja eine große Feier im Gange zu sein.", murmelt er.

„Es ist das Sternenlichtfest." Ich reibe den Stein durch meine Finger und Handfläche. „Den Elder ist alles Licht heilig. Aber am meisten lieben die Waldelben das Licht der Sterne."

„Ich fand immer, es ist ein kaltes Licht. Von nichts und weit entfernt."

„Es ist Erinnerung. Besonders kostbar und rein." Ich stehe genau vor seiner Zelle, er klebt so gut wie gegen das Gitter und starrt zu mich hoch. „Wie euer Versprechen."

Als ich ihm seinen Stein zurückgebe, sehe ich kurz zurück, wo ich die Lichter des Festes schimmern. Jetzt weiß ich auch, wieso ich überhaupt hier runter gekommen bin: ich wollte nicht auf dem Fest sein.

„Ich bin manchmal dorthin gewandert. Über den Wald hinaus in die Nacht. Ich habe gesehen, wie die Welt verschwindet...", ich fange an zu flüstern. „...und das weiße Licht der Ewigkeit die Luft erfüllt."

„Ich habe mal einen Feuermond gesehen.", sagt er und ich drehe mich sofort um und will alles wissen. „Er ging über den Pass bei Dunland auf, riesig. Rot und der ganze Himmel leuchtete." Ich setze mich auf die Treppe und lausche ihm weiterhin zu. „Wir eskortierten eine Gruppe von Kaufleuten. Wir nahmen den Grünweg nach Süden, das Gebirge zu unseren linken. Und dann erschien er, dieser riesige Feuermond und erleuchtete unseren Weg. Ich wünschte, ich könnte euch die Höhlen unter diesem Bergen zeigen."

Er bleibt stumm und ich stehe sofort auf. Ich bemerke, dass ich gerade etwas Falsches tue und durch meinen Gesichtsausdruck habe ich es verraten. Wieso kann ich bei den anderen meine Gefühle und Emotionen so gut verstecken, nur bei diesem Zwerg nicht? Ich lächele ihn dennoch aus Höflichkeit an und verschwinde aus dem Gang, von dem ich gekommen bin. Ich renne in meine Gemächer, wo ich Luthien erblicke, die gerade mit einem Wachen, die Thranduils Thron bewachen, redet, aber jetzt in seiner Pause ist. Als sie mich erblickt, lässt sie das Gespräch mit dem Wachen fallen und kommt auf mich zu.

„Talia! Alles in Ordnung? Du siehst..."

„Mir geht es gut."

Ich muss an Kili denken. Leider weiß er meinen Namen noch nicht, aber bei der nächsten beliebigen Gelegenheit verrate ich ihn ihm.

„Ihr seid auch Spinnen begegnet?"

„Ja, einigen."

„Ich habe von Thranduil gehört, dass du sehr gut gekämpft hast."

Ich seufze. „Habe ich auch gehört."

Luthien lächelt und schüttelt dann den Kopf. „Was der Zwerg vor uns allen geschrien hat..."

„Er redete bloß von dem Verlust seiner Rasse...", murmele ich. „Wann passierte das überhaupt mit dem Erebor, als der Drache kam?"

Plötzlich hören wir einen Wachen am Ende des Flures. „Eindringlinge entkommen!"

Ohne Worte laufen wir beide aus dem Gang mit anderen Wachen zu den Zellen und erblicke diese vollkommen leer. Alle Zwerge sind verschwunden. Wie kann das passieren? Ich war noch vor wenigen Minuten da gewesen und nun sind sie weg. Alle.

„Wo ist die Wache mit den Schlüsseln?", frage ich wütend und laufe die Treppen zum Keller herunter, wo man den Wein braut und reifen lässt. „Schneller!", befehle ich den Wachen hinter mir und wir rennen alle die Treppen herunter, als wäre es um Leben oder Tod.

Ich weiß, dass ich Ärger von Thranduil bekommen würde, auch wenn es nicht meine Schuld ist. Gerade, als ich im Keller angekommen bin, erblicke ich, wie die Luke am Boden sich schließt. Dort stehen normalerweise die leeren Fässer, die mit dem Fluss nach zum Kahnführer nach Esgaroth geschickt werden. Ich bin mir sicher, dass es die Zwerge waren, die über die Luke abgehauen sind. Ich schicke die Wachen so schnell wie möglich nach draußen, wo der Fluss am Tor noch einmal mündet, bevor er durch eine sehr starke Strömung weiter in den Osten fließt. Legolas ist bestimmt bereits mit anderen Wachen draußen, währenddem ich noch durch die langen Gänge des Königreiches laufen muss, bis ich dorthin gelange. Ich höre in einem Echo das Ertönen eines Horns, damit die das Tor beim Fluss schließen sollen. Jetzt geht es endlich schneller voran. Ich sehe die Zwerge in den Fässern, während einer von ihnen im Wasser ist und sich an ein Fass festhält. Nun zähle ich dreizehn Zwerge, das kann doch nicht sein. Im Düsterwald waren es zwölf. Ich strenge meine elbischen Augen an und erblicke zu meiner Verwunderung einen Hobbit, der im Wasser durch die Strömung herumgespült wird. Wieso habe ich nur den Gedanken, währenddem ich aus dem Reich von Thranduil renne, dass diese Bande von Zwergen noch eine wichtige Rolle in der Zukunft zu spielen haben, nachdem sie so unerwartet aufgetaucht sind?

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