Kapitel 12:

Die anderen reden wild umher, wissen nicht, was zu tun ist und hoffen auf einen Anführer, der ihnen helfen könnte. Sigrid nimmt ihre kleine Schwester bei der Hand, da sie jemanden braucht, der nicht zittert, aber so langsam befürchte ich, dass jeder hier im Haus vor Angst zittert, sogar ich. Ich gehe ohne Worte zur Tür hinaus und blicke hinauf auf den Berg, wo der gelbe Schimmer langsam nachlässt und die Schreie der Menschen aus der Seestadt lauter werden; sie wissen, was auf die zukommt. Die Zeit vergeht plötzlich so langsam, mein Atem wird so schnell und ich habe das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist. Ich höre von dem Berg aus, der mit bloßem Auge so weit weg scheint, das Grollen, das wir bereits seit Stunden hören. Es wird mit jeder Sekunde lauter. Dann, am Horizont in der Höhe, sehe ich ihn, wie er mit seiner Kraft und Bosheit direkt auf die Seestadt, auf uns, zufliegt. Smaug. In einem Bruchteil einer Sekunde husche ich schnell zurück ins Haus hinein.

„Uns bleibt keine Zeit! Wir müssen fort!", sage ich.

„Helft ihm hoch!", sagt ein Zwerg, deren Name ich nicht weiß. Ich habe nur in dieser kleinen Zeit herausgefunden, dass Kilis Bruder Fili heißt, mehr nicht.

„Komm, Bruder!", sagt Fili und hilft Kili hoch, der sein Gesicht verzerrt. Zwar ist das Gift aus ihm raus, aber seine Wunde auf dem Bein muss sich erstmal selbst heilen.

„Lass mich los, ich kann gehen.", brummt dieser und befreit sich von Filis Armen.

Alle um mich herum sind so in Hektik. Vier Zwerge, die versuchen sich anzuziehen, seinem verletzten Bruder zu helfen und dann noch drei Menschenkinder, die so in Panik geraten, dass sie wild um sich herum sehen und keinen klaren Gedanken fassen können.

„So schnell es geht.", flüstere ich Sigrid zu, währenddem ich Tildas Jacke zu mache und kurz über ihren kleinen, weichen Wangen streiche. Sie ist hübsch für noch so ein junges Mädchen und mir würde es leidtun, sie in der Seestadt alleine zu lassen. Draußen läuten bereits alle Warnglocken; die Menschen nehmen nur das Notwendigste mit, springen dann in ihre Boote und versuchen von der Stadt zu entkommen, die noch kein Feuer gefangen hat.

„Wir können nicht gehen! Nicht ohne unseren Vater!", sagt Bain.

Ich drehe mich zu ihm um. „Wenn ihr bleibt, werden deine Schwestern sterben. Hätte euer Vater das gewollt?"

Er sieht mich verdunst an bei dem Gedanken, dass ich Recht habe. Und ich habe diesmal sowas von Recht.

Wir gehen schnell die Treppen herunter, wo man zu einer hölzernen Ebene kommt, wo ein Boot bereitsteht. Es ist zwar klein, aber zum Entfliehen wird es genug sein. Ich nehme Tilda hoch und setze sie neben ihrer großen Schwester aufs Boot.

„Beeilt euch! Rasch!", sage ich und drücke jeden nach vorne zum Boot.

„Kili, komm!", sagt sein Bruder.

Er humpelt auf einem Fuß über den Steg und versucht alleine aufs Boot zu steigen, als ihm Fili dabei hilft und ich Bain helfe, einzusteigen, bevor ich mich ganz vorne im Boot geselle. Die zwei mir unbekannten Zwerge rudern los, aber schneller geht es nicht voran, da die Eisklötze im kalten Wasser so dick sind, dass man nur schwer vorankommt. Tilda schreit auf, als der Drache über uns hinweg fliegt und er im dunklen Himmel kurz zu sehen ist. Der Schatten über uns lässt alles kurz verdunkeln, noch dunkler, als das Schwarze der Nacht. Dann sehe ich einen leuchteten Punkt am Himmel und die Flammen, die das Maul des Drachen verlassen und die ersten Häuser in Brand setzten. Bei dem Gedanken, dass Menschen gerade ums Leben gekommen sind, wird mir nicht gut. Die Zwerge rudern sofort etwas schneller, bei der Angst, dass Smaug uns in Asche verwandelt. Menschen aus ihren Häusern, die Feuer gefangen haben, sprangen ins eiskalte Wasser und hoffen, auf jemanden sein Boot Zuflucht zu finden, aber es gibt wenig Hoffnung hier. Andere werden kaltblütig und bei lebendigem Leib verbrannt, andere springen ins Wasser und ertrinken, da sie nicht schwimmen können. Plötzlich kommen wir auf einer Kreuzung und erblicken zu spät, dass ein viel größeres Boot gegen uns prallt und wir gestoppt werden.

„Weg da!", schreit jemand auf dem Boot.

Ich erblicke den Bürgermeister der Seestadt, der überhaupt nicht nüchtern ist, seinen Stellvertreter Alfred und Männer der Stadt, die das Boot für sie steuern. Und als ich den Schatz der Seestadt erblicke (Gold, Ketten und das ganze Geld) wird mir übel bei dem Gedanken, dass sie lieber ihren Ruhm retten, als die Menschen der Seestadt, die um sie herum verschwinden und nie wieder zurückkommen.

„Macht schon, schneller!", brüllt der Bürgermeister die Männer an. Als wir erblicken, dass durch Aufprall mit unserem Bott Gold über ihr Bord geht, fleht er danach. „Mein Gold, mein Gold!"

„Wir sind zu schwer beladen. Wir müssen Ballast abwerfen.", sagt Alfred und schaut um sich herum.

„Ganz Recht." antwortet der Bürgermeister und schubst Alfred über Bord, der ins kalte Wasser fällt.

Das Boot des Bürgermeisters ist zu schnell, sodass es schon mehrere Meter von uns weg rudert und ich kaum was von dem Bürgermeister erblicke. Smaug währenddessen brennt alles ab, das noch nicht in Flammen steht und fliegt um die ganze Stadt herum. Dass ich sowas noch miterlebe, macht mich überhaupt nicht glücklich. Die Zwerge versuchen wieder an Schnelle zu gewinnen und wir rudern unter einem Haus hindurch, wo ich erblicke, dass links neben uns gerade ein Haus eingestürzt ist und Menschen in die Tiefe drückt.

„Vater!", schreit Bain und seine Schwestern schnappen ängstlich nach Luft.

„Vater!", schreit Tilda ebenfalls und hofft, er würde sie hören.

Ich erblicke ihren Vater auf dem hohen Turm stehen, wo die Glocke aufgehört hat zu läuten. Er versucht mit normalen Pfeilen den Drachen zu töten, jedoch weiß er nicht, dass diese Pfeile nichts nützen. Eine solche dicke Haut eines Drachen zu überwinden ist nicht machbar. Pfeil um Pfeil schießt er und jeder verfehlt sein Ziel.

„Getroffen! Er hat den Drachen getroffen!", schreit Kili und sieht zu mir hoch.

„Nein.", antworte ich.

„Doch, er hat ihn getroffen, ich hab's gesehen!"

„Seine Pfeile können seinen Körper nicht durchdringen! Nichts kann das."

Plötzlich macht mir Bain schreckliche Angst. Über uns hängt ein Hacken, an dem er sich festhält, aus dem Boot schwingt und auf einem Holzsteg landet.

„Was machst du denn?", schreit ein Zwerg und will ihn sich schnappen, aber entgleitet ihm aus seinen Händen.

„Nein, komm zurück!", schreit Fili, doch er hört nicht.

„Lasst ihn!", sage ich und sehe jeden einzelnen kurz an. „Ihr könnt nicht umkehren!"

So leid es mir auch tut es zu sagen, aber es ist wahr. Ich weiß, dass der Junge zu seinem Vater will und wenn er ihn heil erreicht, kann ihm nichts zustoßen. Sein Vater wird auf ihn Acht geben.

„Bain!", schreit Tilda weinend ihrem Bruder hinterher und versteckt sich in den Armen ihrer großen Schwester.

Sie weiß genauso wie ich, dass es das letzte Mal sein könnte, dass sie ihren Bruder sehen wird.

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