Kapitel 2
Kalter Wind streicht sanft über meinen Arm und langsam spüre ich die Umwelt um mich herum immer mehr. Ich öffne die Augen und sehe noch kleine Spiralen durch die Luft fliegen.
Verwirrt blicke ich mich um. Ich stehe in einem unbekannten Raum, der schöner verziert ist als alle anderen davor. Verschiedene Arten von bekannten und unbekannten Künsten finden hier ihre Einheit und spielen miteinander. Gold, Silber und ein schwarzes, unbekanntes Gestein ergänzen einander in verschiedenen Formen wie eine mystische Schlange. Das Gestein, aus dem er gebaut war, gleicht Marmor. Es erscheint nur viel weißer und glänzender. Durch kleine Löcher an der Decke, die mit Farbkristallen beschmückt sind, fällt das Licht hindurch und erleuchtet den Raum in allerlei Farben. Wunderschön war das Ergebnis. Dadurch strahlt der Raum Ruhe und Vollkommenheit aus. In der Mitte steht die Statue einer mir unbekannten Frau, deren Blick weise und undurchdringbar den Raum bewacht. Prachtvoll streckt er sich in die Höhe. Die Baukunst ist mir unbekannt. Solch ein Gebäude habe ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen. Es muss sehr alt sein. Älter als der Göttervater. Trotzdem hat es die Zeit ohne jegliche Spuren überdauert. Ein Meisterwerk. Kein Volk der heutigen Zeit kann so bauen. Die Atlanticer waren bis zu ihrem Untergang allen weiter fortgeschritten, als man wusste.
Überwältigt trete ich tiefer in den Raum, als plötzlich hinter mir Schritte erklingen. Erschrocken drehe ich mich um und sehe in das Gesicht einer Frau mit langen blonden Haaren, die um sie herum in der Luft schweben und wirbelten. Lichtpunkte fliegen um sie herum. Das weiße Kleid wird vom Wind spielerisch in die Luft gehoben. Es war die Frau, die die Statue darstellt.
,,Wer bist du? Bist du eine Göttin? Hast du mich gerufen?", sprudelt es mir aus dem Mund. Lachend schüttelt sie den Kopf und antwortet: ,,Nein. Ich bin nur die Wächterin dieser Anlage. Ein Irrlicht. Ich war die Botin. Die damalige Brücke zur anderen Welt. Dies ist vergangen. Gerufen habe ich dich nicht. Auf dich gewartet jedoch schon. Es wurde prophezeit, dass du kommst. Die Stimme warst du. Gekommen ist sie aus deinem Inneren. Du führst dich selbst hierher. Zu deinem Schicksal. Endlich! Die Zeit ist gekommen. Ich bin nur da, um dir etwas zu erzählen. Dieser Tempel wurde von meinem Stamm jahrtausende Jahre zuvor gebaut. In ihm bewahren wir das Relikt auf, das uns von unserem Herr gegeben wurde. Er war noch älter als dein Gottkönig. Doch nun ist er vergangen. Nur wir bestehen. Du und ich. Aber er sah die Zukunft. Sah wie die älteren Götter deiner Welt reagieren, wenn die Menschen aufhören, sie anzubeten und zu fürchten. Er sah den Hass und die Machtgier. Kommt dir das bekannt vor? Du hast es auch gesehen. Einen Teil! Außerdem sah er das Ende dieser Welt. Er sah auch, wie man es aufhalten konnte und erschuf das Relikt, das dort vorne steht. Aber ohne Schüssel ist es nutzlos. Aber jetzt ist der Schüssel ebenfalls auf diese Welt gekommen, um sein Schicksal anzutreten. Du bist der Schlüssel. Unser Gott hat dich erschaffen und zum Leben erweckt. Du bist keine Göttin. Du bist viel mehr. Du bist sein Werkzeug. Und nun nimm dein Schicksal an. Halte die endgültige Zerstörung auf!"
Nach diesen Worten verschwindet sie und ein Krachen ertönt. Aus dem Boden fährt ein Tisch hervor. Auf ihm liegt eine Stein, in dem sich die Farben des Regenbogens widerspiegeln.
Erschrocken über ihre Worte bleibe ich jedoch stehen. Erstaunt blicke ich auf mich hinab. Ich bin ein Schüssel. Poseidon ist nicht mein Vater. Mein echter Vater ist älter als ich denken kann. Er hat aufgetragen, diesen Raum zu erbauen. Träume ich? Das muss ein Traum sein. Aber Götter träumen nicht. Aber ich bin keine. Ich bin ein Werkzeug. Ein Ding. Sie hat mit mir gesprochen als habe ich keinen Wert. Aber ich fühle mich lebendig. Ich spüre Gefühle. Wie kann das nur sein? Plötzlich spüre ich, dass meine Wangen nass werden und ich sinke zu Boden. Mein gesamtes Leben war eine Lüge. Ich bin keine Göttin. Nur ein erschaffener Schüssel. Mein gesamtes Leben war gelogen. Ich stürze mich in die aufkommende Verzweiflung und wiege mich hin und her wie ein Kind.
Irgendwann meldet sich die Stimme in meinem Kopf. Sie strahlt ein beruhigendes Licht in meine Gedanken und ich komme zur Ruhe. ,,Es ist deine Bestimmung. Opfere dich. Halte die Zerstörung auf. Du wirst belohnt werden."
Aus dem Nichts kommt ein seltsames Gefühl in meinen Körper. Und mit einem Mal verliere ich das Gespür über meinen Körper. Ich richte mich ohne meinen Willen auf und gehe Schritt für Schritt auf den Stein zu. Aus dem Nichts stellt sich mein Bruder vor mich. Doch das erste Mal in meinem Leben schimmert er bläulich und wirkt unwirklich. Mein Körper bleibt stehen und ich folge dem Willen meines Herzen und lächele ihn entschuldigend an. Danach trete ich an ihm vorbei und folge weiter meinem Weg. Erneut stellt er sich vor mich und will mich festhalten. In seinem Gesicht kann ich einen verzweifelten Ausdruck lesen. ,,Es tut mir so leid! So leid. Wir werden uns wiedersehen. Versprochen! Ich komme zu dir zurück!", flüstere ich leise mit dem Wissen, dass ich das Versprechen vielleicht nicht halten kann. Tränen laufen mir erneut über die Wange und tropfen zu Boden. Mein Herz. Es schmerzt. Aber dieses Schicksal muss aufgehalten werden. Selbstsicher trete ich durch ihn hindurch und er löst sich auf.
Nun stehe ich vor dem Stein. Er singt ein ruhiges Lied und beruhigt meine Emotionen. Entspannt beobachte ich ihn und ein kleiner Teil weiß, dass ist mein fehlender Teil. Knapp schwebt meine Hand über ihm und als ich sie senke, spüre ich den Irrgeist nahe bei mir. Sie lässt mich nicht alleine.
Meine Hand liegt am Stein. Kurz passiert nichts. Doch dann stürzt die Hölle über mich herein. Schmerzerfüllt schreie ich auf. Mein gesamter Körper schmerzt. Doch die Präsenz des Irrgeistes nimmt mir einen kleinen Teil des Schmerzes. Sie will mir helfen. Irgendwann löst sich ein Licht von mir und verschmilzt mit dem Stein. Alles wird schwarz.
☆~☆~☆~☆~
Das Mädchen sinkt zu Boden und bleibt reglos liegen. Ihr Brust hebt sich ein letztes Mal und dann bleibt ihr Herz stehen. Ihre Augen blicken ziellos in den Raum. Das Leben ist aus ihrem Körper entweicht. Ihr Geist wurde zum Schlüssel und wandelt weiter. Zurück bleibt nur die leere Hülle ihres einstigen Seins. Die Frau erscheint erneut über ihren Körper, kniet sich neben sie nieder und schließt ihre Augen. ,,Mein Mädchen! Finde deine Ruhe! Du hast es gut gemacht", spricht sie und verschwindet erneut. Diesesmal mit dem Körper des Mädchen.
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