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Kyl aber bezwang seinen Unmut nicht selbst gehen zu können und zog statt dessen Lena weiter die edlen Gewänder aus, vorsichtig um sie nicht doch wieder aufzuwecken. Er war gerade dabei ihr das zweite Obergewand unter dem Eisblauen aufzuschnürren, als es am Vorhang klopfte.
„Hochlord!", rief Tarrek leise von draußen.
„Kommt herein, Tarrek!", sagte er ebenso leise und ohne sich zu dem Heiler umzudrehen.
„Verzeiht, dass ich störe. Ich sah wie ihr zurückkahmt und das die Hochlady ohne Bewusstsein ist. Geht es ihr etwa nicht gut? Benötigt ihr einen Heiler?"
„Sie ist nur wieder plötzlich eingeschlafen, Tarrek. Sie braucht die von euch verordnete Ruhe ... und wohl auch noch ein wenig Frieden."
„Darf ich dennoch noch einmal nach ihr sehen, mein Herr?", fragte Tarrek ihn wieder äußerst reserviert.
Kyl nickte nur kurz trat vom Bett zurück und schenkte sich derweil Tarrek an das Felllager herantrat, ein wenig Dahjasaft ein, bevor er ohne jede Regung zusah was der Heiler an Lena tat.

Wieder kontrollierte er ihren Bauch, diesmal nur durch das Hemd hindurch, spürte sich in sie hinein, in das Gewebe, die Nahtstellen, die er selbst angebracht hatte, die Adern und Muskeln und Gedärme, dort wo er auch den Wurm gefunden und herausgezogen hatte, bevor dieser Lena töten konnte.
„Heilt es gut?", fragte er Tarrek schließlich kurz.
„Ja, mein Lord. Das tut es.", meinte der Heiler nach einer kurzen weiteren Prüfung erleichtert und sah leicht besorgt blickend zu ihm hin. „Es bereitet mir nach wie vor große Übelkeit und Schuldgefühl, dass ich eure Lady nicht erst betäuben konnte, bevor ich den Wurm fassen musste. Das ich viel zu schnell handeln musste und ich hoffe nur... dass ihr es mir irgendwann verzeihen könnt, wie ... wie grausam ich bei ihrer Behandlung vorging, ohne zuvor euch und sie aufzuklären über das was geschehen musste.", neigte er vor Kyl den Kopf.
Dessen Augen wurden nun hart wie Stein und kalt wie Eis.

„Meine Gefährtin wäre heute fast gestorben, Tarrek, doch das war nicht eure Schuld. Sie trägt euch sicher nichts nach, denke ich. Das tut sie ja nie.
Sie weiß sicher, genauso wie ich, dass ihr sie beherzt gerettet habt, auch wenn ich die Methode nicht gut heiße. Jetzt, nachdem ich aber Zeit hatte darüber Klarheit zu finden, weiß ich ihr hattet keine Wahl, sonst wäre sie Quinzen nach dem Schlüpfen des Wurmes gestorben. Nur... mit ihr verbunden zu sein und zu fühlen was sie fühlen musste, als ihr die Hand in ihren Leib hinein stießet, Tarrek..."

Er hielt inne und schluckte kurz hart. Sein Kiefer zuckte, weil er sich beinahe nicht mehr beherrsche konnte.
„Mein Lord, wenn euch hilft mich aus eurer Nähe zu entfernen...", begann der Heiler beunruhigt erbleichend, doch Kyl unterbrauch ihn erneut mit vollkommen ausdrucksloser Stimme: „Ich weiß, es war nur zu ihrem Besten und mein Verstand beglückwünscht euch zu eurer schnellen Tat, Heiler. Doch nächstes Mal redet ihr mit mir während ihr sie untersucht und sondiert... und ich nehme dann umgehend all ihren Schmerz auf mich, damit sie nie wieder so sehr leiden muss.", befahl er ihm flüsterleise.

Der Heiler neigte nur zögernd den Kopf und nahm die Hand von Lenas Bauch.
„Mein Hochlord, ich weiß ja, es war mein
Fehler... und hätte ein Heiler meiner eigenen Gefährtin ohne es zu erwähnen oder mich zu warnen solches Leid zugefügt, hätte ich ihn persönlich gewiss erstochen... Wenn es euch lieber ist kann ich auch einen anderen Heiler für eure Lady ernennen...", bot er dem Hochlord untertänig an, doch Kyl stellte den Dahjasaft nun mit einem Krach auf den Tisch, dass der Keramikkelch beinahe zersprang und sah ihn nur wieder finster an.

„Es ist alles zu dem Thema gesagt, Tarrek. Wenn du nach ihr gesehen und dich von ihrer Unversehrtheit überzeugt hast, oder ihr vielleicht auch noch etwas Gutes getan hast, zur rascheren Erholung, darfst du gehen und Triad feiern, so wie alle.", fügte er bemüht ruhig hinzu. Doch seine Stimme war beinahe nur noch ein eisiger Hauch. „Für deine Anteilnahme Danke ich dir, ebenso für deine Aufmerksamkeit, dich um sie zu sorgen, obschon du nicht gerufen wurdest.
Und das ist auch einer der Gründe warum du der beste Heiler Takolias bist... und darum auch noch immer der meiner Lady.", fügte er nach kurzem Zögern eisig hinzu und umkrampfte die Stuhllehnen so hart, dass das
Holz beinahe darunter zersprang.

„Ja, mein Lord. Wie ihr wünscht. Es ... es geht ihr gut. Sie ist in der Tat nur sehr erschöpft wie ich es vorausgesehen habe. Ich habe mir erlaubt, noch ein wenig heilende Wärme zu spenden, um das Gewebe weiter aufzulockern. Vielleicht macht ihr das in der Nacht noch einige Male bei ihr damit sie morgen keine Krämpfe bekommt. Das Gewebe der Menschen nimmt solche Eingriffe oft sehr übel und braucht wesentlich länger, um sich davon gänzlich zu erholen. Sie... wird auch sehr empfindlich sein, wenn ihr sie dort in den nächsten Tagen berührt, Mylord, selbst wenn es nur ein flüchtiger Kontakt sein sollte ... Selbst eine sachte Liebkosung der Hautoberfläche...", fügte er rau hinzu.
„Ich habe nicht vor sie anzufassen, bis sie wieder ganz gesund geworden ist, Tarrek. Du brauchst bei mir nicht um dieses Thema herumzureden. Sie ist meine Lady und ich schade ihr nicht.", sagte Kyl nun beinahe wieder gefasst und griff erneut zu dem Becher, um noch einen Schluck zu trinken. Der Heiler beendete die Untersuchung und verneigte sich noch einmal sehr tief vor ihm.

Kyl wusste im Grunde, dass ihn keine Schuld daran traf dass er den Wurm umgehend unschädlich machen musste und keine Zeit für Anderes geblieben war. Doch Lenas gequälte Schreie waren ihm durch Mark und Bein gefahren.

Er würde sehr lange brauchen, um das alles zu verwinden und vielleicht sogar dann irgendwann zu vergessen.

Er trank noch einen Schluck von dem Saft und blickte dann zum Fenster hinüber wo es gerade so dunkel war das man draußen nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen konnte. Zu Triad war es immer so. Selbst die Sterne konnten dann kein Licht mehr abgeben, weil Takolias Sonnen und Monde nun für diese eine Tag-Nacht die Sonnen im Schatten behielten und diese in ihrer Umlaufbahn nun so nahe an ihnen drann standen, dass sie den Blick auf den weiteren Sternenhimmel komplett verdeckten und auch nicht mehr erhellen konnten.

Restra kam wieder herein und brachte ein großes Tablett mit allerlei Köstlichkeiten der takolianischen und der irdischen Küche. Verneigte sich tief vor ihm als sie wieder hiausgehen wollte, doch Kyl hielt sie noch einmal zurück. „Restra bestelle dem Haflikafänger ich will ihn sprechen... bezüglich der gehörten Äußerungen der Tak-Lyrden Familie auf dem Platz vor dem Steinhaus.", befahl er dem Mädchen ausdruckslos und sie verneigte sich wieder tief vor ihm, sorgenvoll diesmal. „Heute noch mein Lord?", fragte sie ihn nun sichtlich nervös, doch Kyl schüttelte nur ganz langsam den Kopf und trank noch einen weiteren Schluck aus seinem Becher

„Nein, morgen ist ausreichend. Die Tak feiern Triad, das Licht ist nicht mehr und die Sterne spenden erst in der dunkelsten Stunde der Nacht wieder ihrer Freude-Funken und Leben für uns alle.
Geh auch du feiern und dich bewundern und unmwerben lassen, Restra. Du hast nicht viel Zeit dir einen geeigneten Gemmes zu erwählen und solltest die Kandidaten noch etwas näher kennenlernen. Im übrigen muss es kein Jemay sein, dessen sei dir im klaren. Dies ist allein deine Wahl! Und auch unter den übrigen Tak gibt es gute Seelen. Ich werde hier unterdessen bei meiner Lady wachen.", sagte er zu dem Mädchen. Sie knickste erneut ganz tief und eilte mit immer noch sorgenvollem Blick nach draußen.

Kyl trank den Becher aus und stand langsam auf, ging zum Bett hin, um Lena nun doch noch aus dem zweiten Obergewandt zu helfen - sie rührte und regte sich nicht.
Mit vorsichtigen Bewegungen zog er die Bänder aus den Schlaufen und den Stoff vorsichtig unter ihr heraus, löste auch die Strümpfe und rollte sie ihre schönen, graden Beine herunter. Haut, so weiß wie Schnee. Durchscheinend, zart und bleich im Moment, vor allem ihr Gesicht, das sich heute am frühen Tage so horrend schmerzlich verzerrt hatte, doch konnte es sich auch ganz entzückend röten.
Nie hätte er es für möglich gehalten dass einmal ein Mädchen so unter seine kontrollierte, durch die Jemayausbildung gestählte Haut fahren könnte. Dass sie ihn so gefangen nahm, so umwarf.

Seine Pflichten waren ihm heute vollkommen gleichgültig gewesen. Alles was zählte war, dass sie lebte und lächelte und vielleicht auch irgendwann einmal nur für ihn alleine ein solch schönes Lied sang.
Ihre liebliche Stimme klang ihm immer noch erfüllend und lebendig in den Ohren, lenkte ihn ab von den Schatten, die in seinem Inneren darauf lauerten ihn zu umwallen und das Opfer zu fordern das er da bringen musste.
Ein Opfer dass ihm nun nicht mehr ganz so schwer viel zu tragen, wo es nun sie in seinem Leben gab. Nach nur einer Quarte... einer einzigen Quarte und sein Leben war verändert, vervollständigt und licht geworden.
Sie bewegte sich leicht als er die Felle über ihren schmächtigen Körper zog. Wenn es ihm nur gelingen mochte sie wieder zu stärken.
Er wollte sie lächeln sehen, seine Lena und ja er wusste das sie noch viel zu jung war, doch seine Gedanken und Gefühle begriffen es nicht, wollten es auch gar nicht begreifen.
Sie fürchtete ihn.
Sie fürchtete ihn mit einer Inbrunst, die ihn schaudern machte. Nie hatte sie zuvor gesehen wie wirkliches Blut vergossen wurde, wie getötet wurde, wie man Leben nahm.
Es war indes seine Bestimmung als Krieger und Hochlord Leben zu nehmen um die Seinen zu beschützen. Schon von klein auf.
Und sie hielt ihn darum nur für hart und kalt.

Er versuchte es zu mildern, indem er ihr den anderen Kyl in sich zeigte, wann immer sie allein waren. Doch außerhalb der schützenden Gemächer, außerhalb einer einsamen Badegrotte, unter den Augen der Tak konnte er nicht anders als der Kriegerlord zu sein. Denn war er hier nicht der Krieger, dann war er angreifbar, verletzlich. War er verloren...

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