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Er strich ihr hauchzart über die gefesselten Finger in den weichen Polstern. Er berührte auch ihre andere, verletzte Hand und ließ noch einmal heilendes Licht in die Wunde wandern, um den Knochen wieder auszuhärten. Wenn sie schon gehen musste, dann wenigstens mit den best möglichen Vorraussetzungen, dachte er bei sich, bevor er sich wieder den Schlauch mit dem Dahjasaft schnappte und dessen berauschende Wirkung in sich einfließen ließ.
Auf das Mädchen hatte der Saft überraschenderweise garkeine Wirkung gezeigt. glückliches Wesen.
Sie wusste kaum etwas von dem Kampf der Welten, den Versuchen des Rates den Nexus der eigenen Krieger zu unterminieren, damit das Problem der Menschen fortan nur noch ein Problem für die Samurai-Gildach sein sollte und nicht mehr das der Tak, nachdem diese ja nun die Menschen nicht ausnutzen Konnten, um von der Dunkelkrankhit geheilt zu werden und ihnen zu dienen.

Der Rat sah sie nun schlicht als Feinde an, da sie gegangen waren, geflohen, so undankbar sprachen sie und lästerten ihren einstigen Sklaven.
Das die hohen Meister solche Tak überhaupt noch am Leben lassen und beschützen konnten?

Nein der Rat unterstützte die Menschen nicht.
Doch gleichwohl würde nur ein Bund mit ihnen beiden Welten Frieden bringen.

Doch es dürfte kein Bund sein, geschmiedet aus Dominanz, Stärke, Unterdrückung, Gier und Gewalt... nein.
Von dieser kürzlich aufgedeckten  und bestraften Schande der Tak hatte sich das Volk noch immer nicht erholt. Und viele sahen es bis heute nicht ein, dass es ihr eigenes Verschulden gewesen war, welches dazu geführt hatte, dass alle Menschen sofort als sie es konnten auf die Erde zurückkehrten und somit keine weiteren Frauen für die Normalbevölkerung der Tak zum Verbinden oder der Gründung einer Familie übrig blieben.
Wenn sie ihnen denn jemals solche Ehrungen angetragen hatten.
Doch der Rat war ja auch dagegen eingeschritten. Das reine Blut besser nicht wieder zu mischen, bah!
Wo gab es das denn jetzt noch?
Wie konnten sie nur so denken?
Von dreißig Kriegern, waren fünfundzwanzig mindestens zu einem viertel andersrassig so wie er selbst und hatte einer von ihnen eine eigene Gefährtin oder zumindest die Aussicht darauf.
Es gab außerdem viel zu wenig weibliche Kinder und zu viele männliche.
Die Jemay wollten daher gerne alle bald möglichst zur Erde übersiedeln, um dort für sich Gefährtinnen zu finden und gegen die Samurai-Gildach zu kämpfen.
Doch der Rat ließ sie nicht gehen. Da sie ja immer noch die angeblichen Monster dieser Welt fürchteten, statt zu den Flug- und Schwarmzeiten einfach so wie die Menschen einst, welche nie richtig beschützt worden waren, unter die Erde zu gehen und dort schlicht abzuwarten bis es vorbei war.

Nein, statt dessen wurden die Leben der Krieger sinnlos vergeudet, im Kampf gegen einen Feind, der eigentlich keiner mehr war, und er selbst wurde nun schon seid drei Triaden von den Töchtern der Räte verfolgt, da Nijahlie sich ja nach ihrem Besuch ebenfalls für ein Leben auf der Erde mit ihrem menschlichen Gefährten entschieden hatte.
So blieb das Amt des Erben schon im jungen Alter von erst 54 Triaden an ihm hängen.
Er hatte indes keine Wahl, wollte er seine Welt retten und Kitoma, seine Mutter und Hochlady von Takolia, erwartete nun von ihm dass er bald möglichst eine Gefährtin erwählte und mit ihr ohne jede Dienstzeit auf der Erde in Takolia sesshaft würde.
Doch er verabscheute die schwatzhaften ober-flächlichen Tak-Edlen Mädchen, welche sich nur selbst noch für edel hielten, es im Gunde aber gar nicht sein konnten. Denn ihnen fehlte der Wille dem rechten Pfad zu folgen und das zu tun was gut war und das Rechtssystem der Ungleichheit zu vergessen.
Doch das würden sie nicht tun. Nicht ohne Zwang. Und nur darum war Takolia dem Untergang geweiht. Er würde bald also dieses Erbe antreten das im Grunde keines mehr war.
Denn was bitte hatte ein nächster Anwärter zu erben, wenn es bald schon keine Tak mehr gab, die seinem Wort folgen konnten?
Er hatte Hebronar noch kurz vor seinen Prüfungen in den Nächten mit Kitoma diskutieren gehört.
Er war es müde seine Pflichten in den Wind zu sprechen und kein Gehör zu finden. Er meinte, dass die Jugend vielleicht eher die Ausdauer und auch die Kraft hätte, die für ein solches Amt erforderlich war und drängte auf eine rasche Verbindung mit einer ehrenwerten jungen Gurunah, damit er ihm das Amt des Hochlords bald möglichst übertragen konnte. Denn ein Hochlord hatte nun mal verbunden zu sein und alle wussten das.
Alle schauten auf die Familie Tak-Ninjah, und für ihn würde es bald ebenso wenig noch eine Rettung geben wie für dieses schöne Mädchen mit den feurig roten Haaren. Dass es eine solch intensive Färbung bei den Menschen überhaupt natürlich vorkommend geben konnte war außergewöhnlich.

Und ihre zarte, beinahe durchscheinend bleiche Haut, glich frisch gefallenem Schnee, ihre Wimpern waren dicht und lang und seltsamerweise tiefschwarz und weich. Sie lagen wie Federn auf der Haut der Wangen auf.
Keine einzige Falte verunzierte das wunderschöne Gesicht, das makellos wie ein polierter, weißer Stein schimmerte.
Und ihre Lippen waren ebenfalls so unglaublich, schön geschwungen, voll und weich. Wie süß hatten sie sich unter seinem Mund angefühlt...

Er konnte einfach nicht wiederstehen mit einem Finger ihre Unterlippe zu berühren.
Die Elektrizität, die von Haut zu Haut sprang, ließ sie sich sogleich wieder unruhig bewegen. Er zog seinen Finger schnell zurück und kniete stumm um Verzeihung bittend neben der Schlafenden nieder.

Wenn seine Gefährtin nur so hätte sein können, wie dies mutige Menschenmädchen, dass ihn aber nun fürchtete, wegen dem was er nun mal war. Ein Wesen von einer anderen Welt, ein junger aber bereits allzu brutaler Krieger, der im Grunde viel zu oft sein Schwert benutzte, und ihr Leben erst rettete, nur um es dann einfach wieder weg zu werfen.
Er berührte ihre Hand zögernd mit seinen Fingerspitzen, um eine leichte Verbindung zu ihrem Geist herzustellen, der in wirren, atemlosen Träumen verloren rannte, um einen Ausweg zu suchen. Doch egal wo auch immer sie sich hindrehte, vor ihr standen entweder tote, gesichtslose Wesen, die ihr zuraunten sie hätte Schuld an ihrem Tode, oder aber die Samurai-Gildach erhoben sich direkt vor ihr aus dem Boden, mit ihren Peitschen und Schwertern, drohend vor ihr aufragend.

Er beschloss die aufkommende Panik des Mädchens zu lindern und ihren Träumen eine bessere Wendung zu geben, versenkte sich tief in Trance und stahl sich auf diese Weise in den Traum des Mädchens hinein, zog im Geiste sein Schwert und  hieb alle Samurai-Gildach nieder, die es wagten ihr zu nahe zu kommen, vertrieb auch die schattenhaften Gestalten, die sie beschuldigten, linderte ihren geistigen Schmerz durch kühle Ruhe und friedfertige Berührungen, stand schützend vor ihr und nahm zugleich zur Kenntnis, dass sie nicht dankbar war oder erfreut über seine Taten sondern vielmehr verwirrt und verloren:

Warum tust du das? Du rettest mich nur um mich wieder hierher zu bringen ... und dann aber doch wieder zu retten. Warum machst du das?, fragte sie ihn im Traum.
Er senkte sein Schwert und ergriff ihre Hand, die in dieser Zwischenwelt der Seelen unverletzt und zartgliedrig war, so wie alles an ihr. Ihre Locken rannen rot wie geronnenes Blut über ihre Schultern hinab und sie trug trotz der Kälte nur ein langes, weißes Hemd... Wie sie so zu ihm aufschaute war sie wunderschön ... wie eine junge Göttin.
„Ich verneige mich vor deinem Mut und verdamme mich selbst, ob deiner Furcht vor mir und den Meinen. Ich bin kein Monster, bin kein Jäger, das möchte ich dir sagen, Lena, jedoch... und das ist leider so... kann ich nichts anderes sein im Leben als ein Krieger, der um des Kampfes willen auszieht und sein Schwert benutzt, um all jene Seelen ins Licht zu schicken, die verderbt und schwarz und in Dunkelheit gehüllt sind.", antwortete er ihr in Gedanken.
„Ich fürchte mich vor dir.", gestand sie ihm ehrlich und weinte. Sowohl im Traum als auch in echt. Kyl sah den Glanz der Tränen über ihre bleichen Wangen rinnen, bemerkte ihre abgehackten Schluchzer.
„Es ist seltsam dass ich das drängende Gefühl verspüre dich beschützen zu müssen. Du bist ein Mensch, und Menschen mögen die Tak oft nicht leiden, weil wir grausam sein können, weil die Krieger der Jemay erbarmungslos sind und oft töten müssen."

Es ist mir egal wie oft du schon getötet hast, Hauptsache du tötest mich nicht, indem du mich zurück zu den Jägern schickst. Bitte... ich flehe dich an! Ich tu alles, wenn ich nur nicht zurück zu den Masken muss!"
Er hörte es sie sagen, hörte die Dringlichkeit, ihre Furcht, ihren Schmerz und entschied sich spontan.
„Willst du bei mir bleiben, dann sage morgen, wenn dich jemand fragt ob du bereit bist zu erwählen, statt zu gehen:  Ja, ich will jemanden  erwählen.
Und wenn sie dich dann fragen wen du dir
erwählst, so kannst du Kyl, den jungen Jemay, sagen, das bin ich. Dann kannst du als meine Gefährtin in Takolia bleiben und ich kann für dich auf die Erde zurückkehren und deine Familie suchen und retten, so sie noch leben."
Lena weinte noch bitterlicher und Kyl rammte im Geiste sein Schwert vor ihr in den Boden, schnitt sich geistig die Handfläche an seiner Klinge auf und ließ sein Blut opfernd und um seinen Schwur des Bundes zu bekräftigen, zu Boden tropfen.
„Wenn ich jemanden wie dich, der so tapfer und mutig ist, an meiner Seite hätte, könnte ich vielleicht wieder das Gute und Lichte im Leben erblicken.", sagte er inbrünstig zu ihr und ließ sein Blut vor ihr auf den Boden tropfen.
„Ich bin noch jung, doch bereits hart und mein Schicksal ist in Stein gemeißelt, um genau das zu sein, was ich im Grunde verabscheue. Doch ich werde dir nie weh tun und ich weiß dass du dir morgen sicher sagen wirst dies sei nur ein verrückter Traum gewesen.
Doch mein Angebot steht. Überlege es dir, Lena.", fügte er noch eindringlich hinzu, ohne viel Hoffnung, dass sie das tatsächlich tun würde und zog sich dann gleich einer unwirklichen Geistergestalt, die sich in Luft auflöste, aus ihren Träumen zurück.

Blinzelnd öffnete er die Augen und bemerkte dass sie wieder tief und ruhig schlief.
Kurz unterdrückte er den Drang noch
einmal sachte über ihre Lippen zu streichen, oder die Spuren der vergossenen Tränen zu beseitigen, Doch hätte diese Tat sie beide wieder aufgewühlt und Lena unruhig gemacht. Dabei brauchte sie nun dringend den sehr tiefen und erholsamen Schlaf, in den sie gerade geglitten war.
Die Zeit bis morgen würde erweisen ob sie sich noch an seine Worte erinnern konnte und wenn ja, wie sie sich entscheiden würde.
Vielleicht war er ja dumm den selben Weg wie seine Geschwister zu nehmen, doch er glaubte nicht daran.
Nialkaron und Nijahlie waren alles andere als dumm und sogar glücklich in ihren Verbindungen. Und er selbst musste erst noch beweisen, wer und was er war. Nur eines stand schon jetzt fest. Vom Rat der Tak würde er sich niemals lenken lassen und auch nicht von deren eigennützigen Töchtern.
Es wurde Zeit eine Position zu beziehen und gegen den Rat und seine vernichtenden Entscheidungen vorzugehen.

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