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Draußen klopfte es leise am Vorhang an das Brett und Kyl stand eilends auf, um zu sehen, wer da denn nun schon wieder störte. Er konnte sich nun wirklich nicht mit so profanen Dingen wie dem Triad befassen. Lena ging es nicht gut...

Es war aber nur Tarrek.

„Darf ich eintreten?", fragte er ihn sehr höflich. „Hebronar sagte mir ich solle besser noch einmal nach der Hochlady sehen, wenn es euch nicht stört. Sie hätte erneut große Aufregung erlebt und sei gerade doch noch sehr bleich gewesen. Hat sie sich vor etwas erschreckt, Mein Lord?" fragte er Kyl sachlich und kühl, doch Kyl wusste was er im eigentlichen fragen wollte und nickte ehrlich und ebenfalls ausgesprochen kühl.

„Sie hat mich gefürchtet seid dem ersten Moment da sie mich sah, Tarrek. Denn sie sah mich als erstes nur kämpfen und mit dem Schwert töten.
Sie ist zudem ein Mensch und noch sehr jung. Meine Persönlichkeit ist außerdem ja nicht nur im Licht oder allein im dunkel zu finden, wie ihr sehr wohl wisst.
Kein Hochlord darf sich nur allein dem Licht verschreiben, will er anführen und ein Volk vor dem Untergang retten. Sie kennt mich noch nicht genug, um zu wissen, wem ich gerade zürne und was ich mit denen um mich herum mache, wenn ich es tue.
Doch wenn morgen die Zwillingssonnen wieder aufgehen werden wir uns die Zeit nehmen, um uns erst einmal in aller Ruhe kennen zu lernen. Ich werde sie umwerben wie noch nie ein Mädchen auf Takolia umworben wurde, ihre Zuneigung für mich gewinnen und ihre Ängste vertreiben.", sagte er weich und hieß Tarrek mit einer einladenden Bewegung der Hand zum Bett zu gehen.

„Sie ist gerade urplötzlich eingeschlafen. Ist im Sitzen umgefallen, doch ihr Herz schlägt ruhig und gleichmäßig.", sprach er leise.

„Damit war zu rechnen, Mylord. Wenn ich euch empfehlen darf... lasst sie schlicht ruhen, solange es geht und kommt nach dem Triad sofort mit ihr zurück.
Der Anschlag auf ihr Leben, wie auch die letzten Heilsitzungen, wegen der schweren Verletzungen, haben sie sehr viel Kraft und Energie gekostet. Wenn ihr mir verzeiht, so möchte ich außerdem anraten ihr noch mindestens eine volle Triade zu geben bevor man an ein neues Leben auch nur denken sollte, - falls Mylady jetzt schon dazu bereit ist."
Kyl nickte nur kurz. Denn das war eine Sache die er auf keinen Fall mit dem Heiler besprechen würde und auch mit sonst niemandem. Lena hatte immer noch große Angst. Da würde er ihr jetzt nicht auch noch die noch einmal viel größere Verantwortung für ein neues Leben überantworten, nein, ganz sicher noch lange nicht. Das würde sie gewiss nicht verkraften, auch wenn Takolia in der nächsten Zeit immer wieder auf ihren Bauch schielen würde, um zu sehen ob sie nicht doch bald schon einen Erben in sich trug. Sie war indess noch viel zu jung, und viel zu sanft.
Tarrek fühlte ihren Herzschlag und ließ wieder ein wenig Energie durch seine ganz besondere Art der Heilung in sie fließen, damit sie das Triad ohne weiteren Schaden zu nehmen überstehen würde.
Nicht viele Hochladys waren bisher Opfer von gleich so vielen rasch aufeinander folgenden Anschlägen auf ihr Leben geworden. Doch Lena war ja auch die erste rein menschliche
Hochlady Takolias.

Kyl wartete bis der Heiler gegangen war, dann erst setzte er sich vor sie auf den Boden, zog sein Schwert und seinen Schleifstein heraus und begann in aller Ruhe seine Wacht am Bett seiner Lady.

Auch wenn sie es noch nicht glaubte und keiner es hier auch nur für möglich hielt, er hatte seine Worte ernst gemeint, als er Lena zu seiner Herrin und Gebieterin erklärt hatte. Die Segnung in der Grotte gab ihm recht, ebenso ihr Zuspruch an die Halbweisen.
Früher hatte es diese trennenden Linien zwischen den verschiedenen Rassen nicht gegeben. Man hatte alles Leben auf Takolia das annähernd so aussah wie ein Tak, redete wie ein Tak, ging und stand und verstand wie ein Tak auch nur als Tak bezeichnet und nicht als Halbblut, Mensch, Tak, Halbweiser und Samurai-Gildach.
Die alten Bräuche seiner Urahnen kamen ihm wieder in den Sinn, um eine Initiation durchzuführen und er überlegte eine Weile hin und her wie er Lena da am besten mit einbinden konnte, ohne ihr zuviel zuzumuten. Auch wenn sein Vater dachte, Kyl würde eine gebührende Hochlord-Rede halten, das sich Takolia danach regelrecht an ihn klammern würde... das war nun wirklich nicht seine Absicht, sondern eher das genaue Gegenteil.
Außerdem ging ihm der morgige Tag bereits durch den Kopf. Er musste Lena dazu bringen viel zu ruhen aber genauso sehr begeisternde Neugierde auf das neue Leben an seiner Seite zu empfinden.
Er überlegte sich schon mal verschiedene Arten um angemessen und nicht beängstigend seine Werbung zu beginnen und ihr die Art der Tak auf eine Weise zu erklären die sie verstehen und akzeptieren konnte.
Erst als die Sonnen sanken, stand er wieder auf und steckte sein Schwert in die Waffenscheide zurück. Es blitzte und war nun wieder so scharf wie das natürliche Armschwert eines Zefanusie.

*

Die Dienende Restra brachte schließlich auf seine Bitte hin ein neues Gewand in eisblauer und weißer Farbe herein, ebenso den Stirnreif der Hochlady der noch einmal ordentlich poliert worden war. Als Letztes brachte die Mutter des Mädchens Restra den mit dickem weichen fellverbrämten schneeweißen Umhang mit der rotgoldenen Brosche der Hochlady. Die zweite Intarsie; und die Stiefel aus weichem, weißen Leder, aber doppelt so dick gefüttert, wie die Stiefel anderer Tak, da Lena ihre eigene Temperatur ja nicht so lange halten konnte und er nicht wollte, dass sie nach allem heute auch noch fror.

Sie regte sich bereits, als er an ihre Seite trat und sachte über ihren Arm strich.
Sie erwachte allerdings nicht sanft und langsam, sondern ruckartig und erschrocken. Sah ihn aus traumverhangenen Augen heraus vorwurfsvoll an, so als hätte er sie eben irgendwie angegriffen oder gar beleidigt.
Sofort trat er zwei Schritte von ihr fort und verneigte sich leicht vor ihr.

„Meine Lady, es ist gut dass du erwacht bist, denn du musst dich nun ankleiden. Das Fest des Triad beginnt in wenigen Quinten und wir dürfen uns nicht verspäten.", erklärte er ihr leise und sie sah sich blinzelnd und erschöpft um.

„Hm, ja... tja...", sagte sie nur und griff nach den Sachen und legte sie dann aber wieder hin um erst einmal den Kopf in den Händen zu vergraben und tief durchzuatmen.
Soll ich Thana oder Restra rufen, damit sie dir helfen?", fragte er mit zu Boden gesenktem
Blick.
Schon schaute sie wieder zu ihm hoch, runzelte wieder die Stirn und schüttelte schließlich den Kopf.
„Ich... Himmel! Ich bin noch ganz durcheinander. Tut mein Bauch noch weh?", fragte sie ihn verwirrt, was auch bei Kyl für einige Verwirrung sorgte, doch er überprüfte sogleich ihre Gefühle und Gedanken die durcheinander waren, getränkt von einem Alptraum der gerade eben erst begonnen hatte, kurz bevor Kyl sie weckte. 
Doch ihr Bauch schmerzte sie schon mal nicht mehr, also lächelte er nur leicht und schüttelte den Kopf. „Es geht dir besser, meine Lady.", sagte er förmlich und Lena kroch zum Bettrand hinüber, schloss dort wieder kurz die Augen und sah schon so aus als würde sie gleich wieder umfallen, doch plötzlich gab sie sich einen Ruck, riss die Augen ganz weit auf und kam wankend hoch.
„Was soll ich denn...?", fragte sie ihn verwirrt, sah da erst die Kleidungsstücke, welche auf dem Bettende ausgebreitet lagen und zeigte innehaltend auf das eisblaue Überkleid...? Soll ich das da anziehen?", fragte sie Kyl immer noch sehr müde und benommen. Er nickte nur und half ihr dabei das andere Hemd abzustreifen, sah dabei auf die Wandbehänge hinter Lena, damit sie sich nicht so scheuen würde, doch das tat sie natürlich doch wieder.

Durch die Kälte die an ihre bloße Haut drang aufgeweckt bedeckte sie ihre Blöße rasch mit den Armen und Kyl beeilte sich ihr das neue Untergewand zu reichen, das diesmal strahlend weiß, hauchdünn und aus besonderem Garn gefertigt war das leicht glitzernd schimmerte. Die Nähte waren so zierlich, dass man sie kaum sah und der Stoff war viel weicher noch als Haflikadaunen.

Das Gewand einer echten Hochlady, dachte er bei sich und betrachtete wie ihre flammenden Locken das reine Weiß und eisblau erst recht noch einmal zum strahlen brachten. Wie das Licht selbst um sie herum leuchtete unter ihrer ganz eigenen feurigen Wärme.
Er half ihr auch noch dabei das eisblaue Übergewand anzulegen mit der großen silbernen Tak-Ninjah-Sonne auf der Brust und dem Bauch. Er selbst trug bereits ein schwarzes Wams mit eben dieser Sonne auf der Brust und verschnürte nun die silbernen Bänder an ihren Seiten, mit aller Ruhe und Sorgfalt. Hernach nahm er die weißen langen und für Lena extra sehr dicht und dick gewebten Strümpfe vom Bett und reichte sie ihr wie eine Opfergabe zu, die sich auch gleich wieder errötend hinsetzte und die Strümpfe anzog, während Kyl sich derweil halb von ihr abwandte. Sie schwiegen beide. Er gedachte auch nicht sie jetzt noch irgendwie auf das vorzubereiten was da nun gleich kommen würde. Sie musste einfach nur Lena sein, ihr Herz, ihre reine Seele und das lichte Strahlen ihres Wesens.
Sie erhob sich leise seufzend als sie fertig war und Kyl kniete wieder einmal vor ihr nieder, um ihr nun auch noch in die Stiefel hinein zu helfen.
Lena stutzte kurz, weil diese nun so ganz anders waren als die letzten, nun viel höher am Bein hinauf reichten, fast bis zu den Knien, als Kyl blitzschnell die Bänder vom Knöchel ab über ihre Wade hinauf über Kreuz verschnürte und direkt unter dem Knie sachte festzog.
Zuletzt half er ihr dann noch in den Echt dick gefütterten Umhang hinein und schloss ihn vorne mit der langen geschwungenen rotgoldenen Brosche und reichte ihr zuletzt noch den Stirnreif.
„Setze ihn auf, meine Lady. Hier vor dem Spiegel, so kannst du sehen wer du nun bist und wie du aussiehst.", zog er ein Tuch das Lena ebenfalls für Ein Wandgebilde gehalten hatte von einem bodentiefen Spiegel zurück und trat bei Seite.
Lena meinte zuerst sie sähe ein weiteres Bild, gewebt und fein und schön. Das Abbild von einer hiesigen Hochlady aus längst vergangenen Jahrhunderten. Doch diese hier hatte rotes, groß-gewelltes Haar, das ihr lose über die Schultern hinab floss und auch noch den halben Rücken hinunter.
Und sie hatte zudem ihr Gesicht.
Das Fell des Umhangs umrahmte ihr Kinn und noch nie hatten ihre Augen so extrem blau geschimmert. Fast genauso eisblau wie das Gewand das sie trug, gar nicht mehr so graustichtig oder klar wie Wasser. In den Händen hielt sie immer noch den Stirnreif und stand da wie erstarrt, bis Kyl sich leise räusperte.

„Möchtest du jetzt die Intarsie aufsetzen, meine Lady? Wir müssen gehen, sonst kommen wir doch noch zu spät.", erklärte er ihr sanft.
Lena blinzelte und erwachte aus ihrer Starre. Ging schnell auf den Spiegel zu, drehte den Reif so dass das rautenförmige Ende nach vorne zeigte und setzte den Reif dann mit einem schweren ausatmet auf ihren Kopf, schob ihn da noch mal erbebend ein bisschen zurecht und dann, weil sie so nervös war, fasste sie ihre langen Haare zu einem Schopf zusammen und zog diesen zupfend und die Locken noch weiter herausdrehend über die linke Schulter hinab.

Sie bemerkte gar nicht Kyls bewundernden Blick, der die ganze Zeit über auf ihr ruhte, wollte nur irgendwas machen, irgendwas versucht haben, um wenigstens halbwegs präsentabel auszusehen und nicht wie ein Kind das gerade Eis-Prinzessin spielt.

Doch als sie von nahem wieder in den Spiegel blickte kam sie sich nun doch genauso vor. Als wäre sie lediglich zum Karneval verkleidet.

„Du bist wunderschön, meine Hochlady.", raunte Kyl da plötzlich hinter ihr stehend. Und als sie wieder in den Spiegel blickte, sah sie ihn hinter sich aufragen. Schwarz und Weiß, blond und rot, groß und klein.
Und auch er trug jetzt den Stirnreif auf dem Kopf. Sie reichte ihm tatsächlich gerade mal bis an die Schulter, dabei war er doch auch erst ... hm... neunzehn, oder? - Hallo? Und das fanden die Tak etwa nicht stattlich? Noch riesiger und sie wäre vor Angst sicher gestorben...

„Denk das nicht. Ich wachse vielleicht noch ein Stück... und du vielleicht auch.", raunte er ihr wieder leise zu und fasste sie ganz sachte, kaum spürbar, an den Armen.
„Tolle Aussichten. Dann bist du am Ende ja doch drei Köpfe größer als ich, dabei bin ich jetzt schon kein Zwerg. In meiner Familie war kein Mädchen größer als ich und selbst meine Mutter hatte ich schon eingeholt", murmelte sie niedergeschlagen. „Aber hier bei den Tak zählt wohl wirklich nur imposante Größe. Damit kann ich echt nicht dienen. Ich bin schon seit einem Jahr ausgewachsen.", murmelte sie unglücklich und dachte kurz daran ob nicht auch ihre Größe hier bald schon zum Problem gemacht werden würde... wenn die Tak sie schon dafür angriffen, dass sie nur ein Mensch war...?!

„Hab keine Angst. Da werden heute so viele Jemay sein, dass man dir unmöglich schaden kann. Und nach dem heutigen Anschlag werde ich dich tatsächlich fortan in das Badehaus begleiten, so wie es zuerst auch dein Gedanke war. Ich werde dein getreuer Wächter und Beschützer sein.
Und niemand tut dir jemals wieder so weh.", versprach er ihr ernsthaft.
„Das kannst du mir gar nicht versprechen.", wisperte sie spontan zu ihm auf.
„Doch kann ich. Ich bin der Hochlord von Takolia, schon vergessen?", entgegnete er leicht schmunzelnd und seine Augen begannen seltsam warm zu strahlen, als würde er gerade etwas wirklich wunderbares sehen, dachte Lena bei sich.

„Das tu ich auch. Ich sehe meine wunderschöne Lady!", antwortete er ihren Gedanken und hob sie unversehens auf die Arme.
„Berge deinen Kopf an meiner Schulter. Ich gestehe ich mag dieses Gefühl, dass du dich mir auf diese Weise schenkst und dich von mir vertrauensvoll überall hin tragen lässt.", lächelte er auf sie herab und sie atmete schnell noch einmal ganz tief durch bevor sie den Kopf an seine Schulter sinken ließ, die Arme um seinen Hals schlang und die Augen schloss.

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