20
Bebend versuchte sie einfach immer weiter zu atmen und ihre Hände krampften sich nun fest ineinander. „Kyl...?", wollte sie ihn hauchleise fragen, was das jetzt schon wieder zu bedeuten hatte. Das war hier doch sicher keine echte Krönung oder?
Nicht so von wegen König und Königin von den ... wie auch immer diese Leute noch mal genannt wurden... , oder? Oh Mann, was machte er denn da nur mit ihr? Und noch besser gefragt... warum?
Kyl strich ich sachte über die Wange.
„Keine Angst, Lena. Das ist nur eine kleine Zeremonie. Sie hat nichts welterschütterndes für dich zu bedeuten. Du kannst immer noch genau die sein und bleiben die du bist.", beruhigte er sie murmelnd und lächelte kurz.
Sie aber begann schon wieder am ganzen Leibe zu zittern, weil es sich so komplett falsch anfühlte, was er da gerade gesagt hatte.
Er umfasste sachte ihr Gesicht und hob es zu sich an.
„Einmal nur ein kleiner Kuss... darf ich?", fragte er sie flüsternd und lächelte schon wieder so engelsgleich... immer noch mit den frischen Blutspritzern im Gesicht. Doch die bemerkte sie nun kaum noch, als sie in seine unglaublich grünen Augen blickte und schluckte ... und nochmal schluckte. Ihr Atem flog, zitterte und sie wollte schon verwirrt nicken. Ein Kuss, ja klar, warum nicht...? Doch er beugte sich bereits über sie und berührte ihren Mund mit seinem, fest und warm. Eine Sekunde... zwei Sekunden...
Sie versteifte sich kurz, als sie einen gewaltigen Schlag abbekam – als hätte sie gerade an einen E-Zaun gepackt. Ihre Lippen, der Mund, das Gesicht und ihr Nacken kribbelten, als wäre sie gerade in einen Ameisenbau gefallen. In der nächsten Sekunde hatte er sich wieder gerade hingestellt und sah leise lächelnd auf sie nieder.
„Ich denke das wird bald noch eine sehr interessante Werbezeit für uns beide werden", raunte er ihr leise ins Ohr, was sie wieder tief erröten ließ und führte sie dann an der Hand hinauf zu dem steinernen Stuhl, hieß sie stumm mit der Hand an sich darauf zu setzen und drehte sich dann erst zu seinem Vater um, der sich gerade eben den eigenen Stirnreif abzog und ebenso hoch in die Luft hielt wie Kyl eben noch ihren.
Wieder begann dieses seltsame Gefühl in Lenas Bauch zu rumoren.
Etwas geschah hier gerade, das ganz und gar unmöglich war, oder? Was wichtiges, bedeutsames.
Auch wenn Kyl das eben gerade noch abgestritten hatte.
„Die Zeit ist gekommen. Mein Erbe ward schon lange benannt und ich habe nur auf den Tag gewartet an dem er die Bürden des Amtes auf sich vereinigen kann, an der Seite einer guten und im Herzen reinen Gefährtin. Ich weiß er wird dem Volk ein gerechter und rechtschaffener Hochlord sein und das brauchen wir im Moment mehr als alles andere.
Die Familie Tak-Ninjah herrscht nun in der siebten Generation als gewählte erste Familie derer von Takolia und selbst wenn das Recht hart ist und die Rechtsprechung gerade oft Blut erfordert, so gibt es immer einen Grund hinter allem und den Weg den Kyliander, schon seid er sehr jung ist, klar vor sich liegen sieht. Er kann diesen Weg gehen. Er hat geschworen Takolia nicht den Rücken zu kehren. Er will diese Welt und seine Bewohner retten.
Und so verlasse ich die hohen Ämter und Kreise, kehre zurück zu meinen Wurzeln des schlichten Meisters der hohen Kunst der Jemay, übergebe die Würden an diese starke Hand in der Verbindung mit der sanften Natur dieser, unserer neuen geehrten Hochlady.
Sie ist keine Tak, das ist richtig. Doch das braucht es dieser Tage auch nicht mehr zu sein. Sowieso hat es in den letzten sechzehn Triaden keine Veränderungen mehr gegeben. Diese leitet nun also Kyliander wie man sieht ein, zunächst mit der Wahl seiner Gefährtin.
Unser Volk begründet sich nicht nur auf den Schultern weniger Familien.
Kyliander wird dies allen wieder zu Bewusstsein rufen.
- Es hat bereits begonnen.
Lang lebe Hochlord Kyliander Tak-Ninjah, lang lebe Hochlady Lena-Sophie Tak-Ninjah, sowie alle ihre Nachkommen!", rief er laut und deutlich.
Die Tak brüllten einhellig auf, jubelten und hoben die Fäuste.
„Schlecht. Oh Gott, mir wird schlecht...",
murmelte Lena nur panisch vor sich hin und versuchte schnellstens an irgendwas anderes zu denken, an bunte Blumen... Sonnenschein... ja das war gut. Hier war es viel zu kalt und zu dunkel.
Gott, Kyl hatte sie eben gerade belogen!
Es hatte doch was zu bedeuten. Der Stirnreif auf ihrem Kopf. Lang lebe der König... hu...! Von wegen sie könnte bleiben wer sie war, von wegen...
Übelkeit rann ihr in einem großen Schauer den Rücken hinab.
Jemand begann Musik zu spielen, andere holten Tische und Bänke hervor, Schläuche mit Getränken gingen herum und Lena saß nur immer noch geschockt auf dem steinernen Stuhl und wurde sich gerade erst bewusst, dass sie ganz offensichtliche einen angehenden und nun gerade eben wirklich gewordenen Herrscher geheiratet hatte und nicht einfach nur einen schlichten schwertschwingenden Krieger... Einen ziemlich jungen Herrscher noch dazu.
*
Kyl, der hinter ihr stand spürte ihre Gefühlswellen aus sengender Unsicherheit, brennender Scham, bohrender Angst und nagendem Schmerz und dem ständig wachsenden Gefühl und panikerfüllten Gedanken hier nun völlig fehl am Platze zu sein.
Wieder und wieder fragte sie sich, worauf sie sich da denn nur eingelassen hatte – und ob sie da nicht doch noch irgendwie aussteigen konnte?!
Fast musste er darüber lächeln.
Ein jedes andere Mädchen hätte nun stolz, triumphierend und restlos begeistert dagesessen, wo sie nun saß und hätte sich von allen Untertanen ausgiebig bewundern und vor allem natürlich heftig beneiden lassen.
Aber Lena war so unglaublich klug und
weitsichtig, dass sie auch den Druck und die Verantwortung hinter der neuen Machtposition erahnen konnte, nicht nur die Vorteile, bestehend aus Reichtum und hoher Ehre.
„Möchtest du gehen?", fragte er sie genau in dem Moment, als sie schon daran dachte einfach aufzuspringen und davon zu laufen.
Sie wandte den Kopf nur hecktisch zu ihm hin und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, während sie heftig nickte.
Er strich nur wieder beruhigend lächelnd über ihr rot gelocktes Haupt, das nun außerdem noch der rot-goldene Stirnreif von Takolias Herrscherfamilie schmückte und half ihr dabei aufzustehen.
„Du bekommst gleich noch etwas zu Essen, Lena... Nialkaron holst du uns bitte einen Schlauch mit Dahjasaft? Lena mag ihn und er macht sie nicht so wie einen Tak benommen, sondern ist für sie nur purer Fruchtsaft und sehr gut verträglich.", grinste er seinem Bruder zu, der brummig das Gesicht verzog. „Hätte ich den mal bei Natalie ausprobiert...", hörte Lena den Riesen finster murmeln.
Dann aber wurde er sofort wieder ernst.
„Wenn du möchtest liefere ich euch täglich
Nahrungsmittel, die deine Gemaha vertragen wird und die ihr gewiss besser schmecken, als hiesige Kost.", bot er ihm stirnrunzelnd an.
Kyl sah kurz zu Lena hinüber die nervös von einem zum anderen Bruder sah. „Gibt... es denn hier kein Essen für mich?", fragte sie Kyl dann nun doch sichtlich nervös.
Kyl drückte ganz sachte ihre eiskalten Finger
„Du kannst alles probieren, was wir haben, dann werden wir schon sehen was du davon auch verträgst und dein Körper an Mineralien verarbeiten kann. Die Menschen die bisher hier waren haben nicht sehr viel mit unseren Lebensmitteln experimentiert. Ich gestehe sie hatten auch nicht sehr viele Möglichkeiten dazu und als sie sie dann hatten, und alle Freiheiten noch dazu, kehrten sie lieber zusammen mit Natalie und meinem Bruder zurück auf die Erde und blieben dort.
Doch es wird nun für uns Tak allmählich Zeit uns wieder auf uns selbst zu besinnen wie auch unsere Wurzeln. Wir sollten also nun die Wälder bald verlassen zurück in unsere Städte gehen und uns ebenfalls mit den auf der Erde nun Flüchtenden Menschen solidarisieren. Du stehst mir heute zur Seite, auch wenn ich dich zugegeben überrascht habe. Doch letztlich kannst du wirklich die bleiben und sein die du bist, und alles wird hier genau so für dich gemacht oder geschaffen wie du es gerne willst und gebietest, Lena. Ich hole dir auch gerne deine gewohnten Nahrungsmittel von der Erde, wie auch allen anderen Menschen, die hier nun vorübergehend oder dauerhaft Zuflucht finden werden. Ganz so wie sie es zukünftig für sich entscheiden."
Er sah seinen Bruder kurz eindringlich an, der nur erleichtert grinste.
„Ja, das ist eine gute Idee. Erst mal freie und sichere Auffanglager auf Takolia und dann bringst du jene die es lieber wollen zu uns in den Nexus. Das wird den Mensche auf der Erde sicher helfen und wir können viel schneller und noch mehr von ihnen evakuieren und vor den Jägern retten. Selbst Natalie wird damit bestimmt einverstanden sein.", hörte Lena Nialkaron noch erfreut murmeln, doch sie war noch immer gedanklich bei dem Essen, das es hier vielleicht geben sollte... oder auch nicht.
„Kann... kann ich denn vielleicht auch selbst was kochen?", fragte Lena Kyl wieder leise, nachdem sie nachgedacht hatte.
„Was immer du brauchst und willst. Ich kann dir auch Gewürze aus deiner Welt besorgen, wenn dir die hiesigen nicht schmecken oder zu ungewohnt sind. Es gibt hier in der Regel Fleisch und Kuschlak, das bisher auch von Menschen vertragen wurde. Knollen und Wurzeln so ähnlich wie jene, die ihr auf euerer Welt esst, die wir Tak aber nicht besonders schmackhaft finden. Die kannst du aber natürlich ebenfalls versuchen.
Wir probieren es aus, alles was du haben möchtest, und gut verträgst... oder eben doch erst mal gewohntes Essen von der Erde, wie gesagt. Du musst hier ganz sicher nicht hungern, Einverstanden?", fragte er sie fürsorglich und zog die Kapuze über ihr Haar, als sie gerade fröstelnd für sich bemerkte wie scharf der Wind nun an ihren Ohren vorbeipfiff.
„Du... du musst das nicht tun, Kyl. Auf alles was ich fühle und denke sofort reagieren... Ich meine... ich kann mir doch selbst helfen, wenn ich das gerne möchte.", begehrte Lena leise auf und zog sich die Kapuze selbst noch einmal so zurecht wie sie es gerne haben wollte.
Kyl verneigte sich nur ernsthaft vor ihr und murmelte mit einem fast schalkhaften Lächeln um die Mundwinkel herum „Sehr wohl, meine
Herrin!"
„Das ... das bin ich nicht! - Lass das, so ...so was zu sagen!", protestierte sie aufgewühlt stotternd. „Ich... Ich kann das außerdem gar nicht, ich meine... von wegen so eine Königin sein und... und Kronen tragen und ...und so. Das ist nicht witzig oder toll für mich. Ich... ich bin ehrlich erschrocken, Kyl. Hätte ich gewusst dass du der Kronprinz dieser Welt bist, kurz vor der Thronübernahme..."
„Dann hättest du mich abgewiesen, das weiß ich, Lena. Und das ist genau die Art von Persönlichkeit, welche ich als meine Herrin und Gefährtin schon immer gesucht habe, verstehst du das?", unterbrach er ihren verwirrten Wortschwall ernsthaft.
Lena schloss nun durch die Nase heftig nach Atem ringend den Mund, bevor sie den Kopf zu schütteln begann.
Wieder berührte er ihr Gesicht mit seiner Hand und lächelte beruhigend auf sie hinab:
„Nur diejenigen, welche die Verantwortung scheuen gehen auch gerecht und vorsichtig damit um.
Die Tak-Mädchen hier würden sich um diese Vormachtstellung der Position einer Hochlady reißen, einander ermorden und mit Dolchen niederstrecken, sich gegenseitig die Augen auskratzen, wenn sie es denn könnten und letzlich dann auf alle anderen herabsehen, wenn sie schließlich die Hochlady währen.
Sie wollen diese Macht und du willst es nicht. Und darum nur bist du die richtige Gefährtin für mich und ich muss dir gestehen... Ich habe gestern morgen wirklich sehr gehofft, dass du mich erwählen würdest, statt zurück zu kehren. Das du mich ohne dieses Wissen und ohne Kenntnisse von dem was ich bin und zu was ich werden muss, wählst, einfach nur weil ich dir Sicherheit geben kann, Wärme, Schutz... und vielleicht irgendwann auch echte, tiefe Zuneigung, wer weiß?", schürte er ihre Hoffnungen nun zumindest ein klein wenig.
„Ist ... das denn überhaupt möglich, wenn man aus einer vollkommen anderen Welt kommt und anders ist, anders aussieht, anders denkt und fühlt...?", fragte Lena ihn nun beinahe schon losweinend. „Kann man sich da denn wirklich und echt ineinander verlieben, wie's normal und richtig ist?", fragte sie ihn erneut erbebend. Er führte sie und stützte sie auch ein wenig an der Seite, als er merkte wie schwach sie schon wieder auf den Beinen war.
„Ich hoffe es einfach mal ... für uns beide!", gab er auch einen Teil seiner eigenen Gefühle preis und erwiderte kurz ihren eindringlichen, ängstlichen Blick, der ihre großen Zweifel verriet.
Schnell führte er sie weiter und hinter die Häuser der edlen. Dort erst hob er sie auf seine Arme und seufzte leise auf.
„Lehne dich wieder an und schließe die Augen. Dann wird dir nicht ganz so schwindelig, Lena. Ich werde jetzt wieder sehr schnell sein.", warnte er sie sanft.
Lena gehorchte und ihr blieb der Atem beinahe stehen. In einer Sekunde waren sie hier, in nur zwei weiteren ganz woanders.
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