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Das was dieser Wächter ihr erzählt hatte war so was von unglaublich.
Kyl war anscheinend pflichtbewusst bis hin zu Selbstaufgabe. Um sein Volk von sich zu überzeugen riskierte er sein Leben. Und um diesen neuen Weg zu gehen verzichtete er auf ein wunderschönes Tak-Mädchen an seiner Seite.

Oh doch, sie glaubte ihm wohl dass die jungen Damen hier eitel und selbstgefällig, selbstbewusst und fordernd waren, wenn sie aus einem so großen Pool an Kriegern wählen durften.
Aber Kallila war seine eigentliche Wahl gewesen, dieser wunderschöne, temperamentvolle Engel, den er sicher hätte bezaubern und verführen und auf den richtigen Weg hätte bringen können, wenn er die Zeit dazu gehabt hätte.
Er hätte sie einfach umworben, bis sie schwindelig gewesen wäre oder aber um den Verstand geküsst. Er konnte so unglaublich gut küssen.
Wer konnte da denn Bitteschön hart bleiben?

Doch Kyl hatte keine Zeit dazu gehabt, keine Möglichkeit seiner eigentlichen Wahl, seinem Willen zu folgen und hatte das Schicksal wählen lassen.
Seine Götter hatten statt dessen gewählt ... - Gott was für ein Hohn!
Er hatte sie genommen, nicht weil er sie wollte, schön, interessant oder toll fand, sondern weil sie die erste gewesen war die ein Mensch war und ihn hatte nehmen wollen, ganz egal aus welchem Grund. Und nun bemühte er sich so unglaublich um ihre Zuneigung und ließ sich sogar erschießen, nur um ihr zu zeigen, dass er nicht gegen ihren Vater kämpfen würde. ... Damit er vielleicht irgendwann doch noch ein bisschen Wärme in seiner Ehe, die unauflöslich war, finden mochte.
Damit sie, Lena Sophie Werner, ihn irgendwann nicht mehr fürchtete und sich auch verliebte... oder ihn nur in Ruhe Hochlord sein lies.
Seine kühle Pflicht zu erfüllen war für ihn das Wichtigste.
Da spielten seine tollen Worte vom Bewundern und verlieben auf den ersten Blick, dort unten auf der Erde keine Rolle mehr.
Er schätzte sie nicht einmal ordentlich, er brauchte sie nur... damit sie hier ihre naive Lady-Rolle spielte, alle gleich nett behandelte und er seine Lord Rolle ebenso spielen konnte ungestört von einer ansonsten sehr viel anspruchsvolleren und um die hiesigen Dinge wissenden Tak.
Einer die er lieben würde wie verrückt, der er alle Wünsche erfüllen wollte, was auch immer es war. Das wollte er bei ihr nun mal ganz sicher nicht.
Sonst hätte er sie im Bad doch nicht so idiotisch von anderen Typen begrabschen lassen.
Sonst hätte er sie doch lieber ganz für sich alleine haben wollen, statt sie mit ganz egal wem auch immer zu teilen.
Sonst hätte er ihr mal gezeigt, dass es ihm etwas ausgemacht hätte, wenn sie was mit diesen anderen Typen hätte anfangen wollen und sich nicht auch noch lustig über sie gemacht, oder?
Er hätte sie beschützt.
Statt dessen ließ er die Typen einfach mal machen, sie musste sich selbst wehren und dann ließ er sich auch noch als Krönung des ganzes Desasters von ihrem Vater abknallen, nur damit jetzt alles wieder in Butter war, sie ihn für seine Geduld bewunderte und dafür das er ihren Vater nicht auch so kurz und klein gehauen hatte. Was für ein Witz!

Lena verbot sich alle weiteren und noch viel hässlicheren Gedanken die gerade in voller Wahrheit in ihr aufsteigen wollten. Er konnte alles hören alles fühlen. Nichts war mehr geheim vor ihm und wenn er sich irgendwann wieder über ihre Ansichten von Sitte und Anstand und ihre ehrlichen Gefühle die gerade noch begonnen hatten in ihr aufzublühen lustig machen würde, wäre das bestimmt ihr Tod.
Also schluckte sie nun heftig und beruhigte sich dann ganz allmählich, lenkte sich mit anderen Gedanken ab, als Tarrek sie wieder nach ihrem befinden fragte, aß und trank noch etwas und dachte zurück an die früheren Abende zu Hause.

Ihre Mutter, die auf ihrem Platz am Tisch saß und Berichte las, während ihre Kinder Hausaufgaben machten.
Es war so beruhigend gewesen, so schön. Und sie hatten dabei auch so viel gelacht.
Lena vermisste sie schrecklich... und Kevin und ihren Vater. Doch der musste wohl bald zurück auf die Erde... ohne sie. Sie konnte nicht mehr weg, war jetzt eine Tak. Vielleicht hätte sie doch den Nexus wählen sollen, vielleicht ihrem Vater mehr vertrauen müssen ...
Doch die waren so furchtbar schnell gewesen und hatten ja schließlich auch sie verborgen in den Büschen gefunden...
„Wenn, Hätte, Aber... Es nützt jetzt alles nichts mehr. Ich hab mich entschieden und muss nun damit leben.", murmelte sie selbstvergessen und aß noch eine Schale Fingrru, nahm sich dazu einen Fleischspieß und biss immer wieder
zwischendurch davon ab.

Tarrek sagte nichts mehr und ließ sie in Ruhe ihren Gedanken nachhängen, bis sie zu Essen aufhörte und ihre Hände an dem nassen Lappen, den Restra für sie bereitgelegt hatte, abwischte.
„Ich trage euch jetzt hinunter ins Badehaus, wenn ihr einverstanden seid, meine Lady.", schlug er vor und kam zum Bett, hob sie hoch als sie nur nickte und schon ging es los.
Bei ihm wagte Lena es nicht sich anzulehnen, doch die Augen kniff sie fest zusammen bis er wieder anhielt, sie sachte auf die Füße stellte, sich kurz vor ihr verneigte und dann mit der Bitte ihn gleich durch einen der Wächter zu rufen, wenn sie zurückwollte verschwand.
„Die Hochlady! Da ist sie...!"
„Seid gesegnet, Lena-Sophie!"
„Eine baldige Genesung, meine Lady!", riefen ihr ringsum die Tak zu, die von den Jemay in Schach gehalten wurden. Lena sah sich um und winkte kurz scheu zu denen hin, die sie schon mal gesehen hatte und die sich nun lächelnd vor ihr verneigten.

Ein lautes Knurren hub an. Jilliar war da und sofort neigten sich nun alle Köpfe der Tak. Auch von denen die nur glotzend dagestanden hatten.
„Meine Lady, geht nun hinein. Es ist keiner
mehr zugegen.", sagte er schließlich grimmig.
„Das muss aber doch nicht immer so sein, oder? Ich meine, weil ich heute noch krank bin machen die das so, aber wenn ich wieder gesund bin können alle wieder rein wie sie wollen."

„Wie ihr es wünscht, Hochlady Lena-Sophie.", nickte er ihr reserviert zu.
Lena sah dass er sich umdrehen wollte, doch sie winkte ihn mit einem Zeigefinger denn sie krümmte noch mal näher an sich heran.
Jilliar der nicht genau wusste was das sollte, trat gehorsam näher.
„Wie geht es ihm?", flüsterte Lena leise.
Da hellte sich seine Miene ein wenig auf und er griente sogar kurz.
„Schon wieder ganz gut. Er ist der mächtigste Jemay den ich jemals sah, Hochlady Lena-Sophie.
Das hätte er euch im Vorfeld aber ruhig noch mitteilen können. Wir haben alle bemerkt wie ihr euch aufgeregt habt. Tarrek hat uns den zweiten Heiler, Finn geschickt der uns in seinem Namen gehörig zusammengebrüllt hat. Ich hoffe nur es geht euch nun auch wieder etwas wohler.", sagte er nun deutlich weicher.
„Wird schon.", lächelte sie unfroh. „Was uns nicht umbringt macht uns härter, nicht wahr?", seufzte sie müde und wandte sich dann von ihm ab.
Die Rufe der Tak klangen ihr selbst beim Ausziehen noch in den Ohren.
Sie wurde gebraucht, sie wurde verehrt... zumindest von ein paar der Tak. Den früheren Halbweisen, weil die dachten, sie hätten Lena das alles zu verdanken, dabei war es doch Kyl der diese Verschmelzung zu einem Volk durchführte. Ihm hätten sie danken müssen, ihm zurufen und gute Besserung wünschen...

Restra kam nun auch leise Keuchend angelaufen.

„Wirklich... ich glaube ich muss einen der Jemay bitten dich auch immer herunter zu tragen. Du bist doch schon seid einer Ewigkeit unterwegs hier runter. Aber das sehen die wohl nicht. Das Normalos so wie wir echt lange für den Weg brauchen. Es sollte noch ein zweites Badehaus weiter oben geben, denkst du nicht auch?

„Oh Mylady, das würde ich mich gar nicht vorzuschlagen wagen. Die Tak haben immer gesagt das die am Fuße des Hügels genügen, es gibt nämlich noch zwei andere, die noch ein wenig weiter unten sind. Das hier ist schon das nächst gelegene zu den Arbeitsgründen und früher alleine den Reinblütigen Tak vorbehalten.", berichtete sie ihr redselig.

„Wie nett.", murrte Lena nur düster. „Dabei schleppen die ganzen unbegabten Muttis ihre Babys hier rum, müssen dann den ganzen Weg wieder hoch laufen, zwischen den Arbeitsgruppen den Berg hinauf bis nach Hause. Wenn sie dann ankommen, könnten sie eigentlich gerade wieder umkehren weil sie bestimmt total verschwitzt sind. Ich zumindest werde das sein und wenn ich mal muss erreiche ich das Badehaus auch nur dann rechtzeitig, wenn Kyl oder ein anderer mich runterschleppt. Wie macht ihr das eigentlich, Restra?

„Oh, dass darf man eigentlich gar nicht laut sagen...", murmelte sie errötend und sah sich in der lehren Grotte um, bevor sie schließlich seufzte und gestand: Wir benutzen irdene Töpfe. Und waschen uns dann im Haus, jeder schleppt sich Wasser herein und wärmt es tagsüber am Feuer nur zu diesem Zweck."
„Unsinn, echt. Warum bauen die nicht ein Badehaus im Wohngebiet?"
„Weil es als Unsauber gilt. Und unhygienisch, es direkt neben dem eigenen Haus stehen zu haben."

„Also ich hätte kein Problem damit. Ist doch praktisch, man geht über die Straße und ist schon da, muss nicht erst den halben Berg runter und ihn nachher wieder hoch kraxeln."

„Krak...?" versuchte Restra Lenas Worte nachzusprechen.
„Ist ein Dialekt, Bayrisch. Es bedeutet besteigen oder hochklettern. Wenn man die Abkürzung nimmt ist es eine Bergtour, wenn man den langen Weg nimmt eine Wanderung. Auf jeden Fall viel zu gefährlich wenn man eine Mutter ist und kleine Kinder im Arm trägt. Die sollten vielleicht einen Lift einbauen, so wie bei uns auf der Erde. Oder Fahrzeuge die auf der Straße fahren und die Leute runterbringen und dannach wieder hoch. Das spart Zeit und ist effektiver, als wenn man stundenlang mit Kleinkindern, die sowieso noch nicht gut laufen und nach einem Kilometer spätestens schlapp machen, die Berge hier hoch und runter muss. Kein Wunder dass hier niemand Kinder will.", meinte sie nachdenklich.
„Oh Mylady, daran liegt es gewiss nicht. Und das Laufen ist ein gutes Training für die Kinder. Sie werden schnell stark."

„Von wegen... Vor allem die Mütter sind hier ganz schnell stark, nicht die Kinder. Die quengeln doch sicher den ganzen Weg rauf und runter, weil sie getragen werden wollen und wer muss sie dann tragen? Die Mamas.

Mit einem Kleinkind kann der Aufstieg bestimmt stundenlang dauern. Da muss man noch Windeln und was zu Essen und was zu trinken mitnehmen. Das da keiner zum Arbeiten kommt oder zum Wäsche flicken ist klar. Außer Baden und Berge hoch und runter laufen kann man nichts machen, dann ist der Tag auch schon rum. Und du brauchst dich echt nicht zu Schämen nur weil ihr einen Nachttopf habt. Den will ich auch. Ist auch auf der Erde so üblich gewesen, als die Örtchen noch draußen waren.
Ist nicht immer so angenehm wenn Kyl mich rumschleppen muss. Vor allem nicht wenn ich ihm sauer bin so wie gerade jetzt. Hast du das eigentlich mitbekommen?", fragte sie Restra stirnrunzelnd.

„Ja natürlich. Mann hat dein Geschrei gewiss
noch unten auf den Mauern der Wächter gehört. Die sind sich alle einig dass sie gewiss keine Annäherungsversuche mehr machen werden, oder dich zu waschen anbieten, obwohl dich viele unglaublich hübsch und es schade finden dass du so wenig entgegenkommen zeigst. Aber das ist ja schließlich so üblich, dort wo du herkommst. Auch das haben nun wirklich alle gehört. Eine beinahe tödliche Beleidigung.", meinte sie ernsthaft und senkte dann betreten den Blick.
Dann aber sah sie sie betrübt an und strich ihr zu Lenas Überraschung tröstend über den Arm.

„Ich glaube nicht das man schon einmal zuvor den Hochlord so betroffen gesehen hat... oder die beiden Krieger die sich eingeladen fühlten. Was meinst du, warum sie dich jetzt hier ganz alleine lassen, nur mit mir? Du sollst dich nicht mehr aufregen und ganz in Ruhe waschen können. Das hat Tarrek so angeordnet.", meinte Restra ganz ernsthaft und nickte gewichtig.
Lena schloss leise aufstöhnend die Augen.
„Ich bring hier alle und alles komplett durcheinander."

„Was gut ist. Dein Durcheinander ist immer gut, Lena. Das haben zumindest die unbegabten Tak festgestellt. Du siehst alles aus unserer Sicht. Vielleicht kommen demnächst ja die Krieger zu uns und helfen uns mit den Kindern, zumindest das steilste Stück, denn du hast natürlich recht. Ist man endlich oben angelangt könnte man gleich wieder umkehren, weil eine sehr lange Zeit, während des Ganges vergeht und die Kinder dann schon wieder auf die Abtritte müssten.
Aber wie gesagt, wir haben Töpfe... doch das darfst du den edlen Tak nicht erzählen, also den begabten.
Die würden über uns nur ihre feinen Nasen rümpfen und uns für unsauber halten, ja über uns schimpfen obschon sie keine Probleme damit haben Krieger zu finden die ihre Kinder hinauf und hinunter tragen. Die haben nur wir.", verriet sie Lena ein klein wenig bitter klingend.
Lena schwieg nur wieder und ging in den Baderaum hinein, gleich nach hinten zu den Abtrittslöchern.

Restra wartete respektvoll bis sie wieder nach vorne kam, bevor auch sie nach hinten verschwand.
Kein Zweifel. Tarrek hatte sehr viel zu ihr gesagt, fand Lena und ging mit wackeligen Beinen in das warme, sprudelnde Wasser hinein. Von hinten hörte sie Restra summen und schloss sich langsam entspannend die Augen.

Ein weher Laut ließ sie dann aber doch wieder hochschrecken. Doch es war nicht Restra die gerade vor ihr stand, sondern ... ein Alien!

Diesmal aber wirklich so ein Teil, wie man sich gemeinhin Aliens auf der Erde ... und vielleicht einem Science-Fiction Film entsprungen ... vorstellte: Birnenförmiger Kopf, kein Mund, silberne Madarienenscheibenaugen, keine Ohren, die sie äußerlich sah, kahlköpfig, lange knochige Gliedmaßen, die in gewaltigen Scherenklauen endeten. Und das Ding zirpte sie nun auch noch an.

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