XXXV I. Positiv
April || Ziemlich nervös sitze ich auf den Toilettendeckel und starre auf das Stäbchen in meiner Hand. Niemals wäre ich auf den Gedanken gekommen einen Schwangerschaftstest zu machen, bloß weil mein Magen in den letzten zwei Wochen etwas verrücktspielte. Nachdem Daniel und ich gekocht hatten und wir uns mit irgendwas gehörig den Magen verdorben hatten, wollte mein Magen noch nicht so richtig – aber Daniel ging es ähnlich.
Kaum hatte er sich um mich gekümmert, ging es bei ihm ebenfalls los. Ganze drei Tage haben wir im Bett verbracht, wobei wir die ersten zwei Tage um die Wette ins Badezimmer gerannt sind. In der Zeit kamen ab und an mal meine Eltern vorbei. Haben uns mit Medikamenten versorgt, die der Arzt uns verschrieben hatte. Haben uns Suppe vorbei gebracht und dafür gesorgt, dass wir genügend Tee und Wasser im Haus hatten.
Nach den drei Tagen ging es so langsam wieder aufwärts. Während ich noch weitere zwei Tage zuhause geblieben bin, hat sich mein Freund wieder zur Arbeit geschleppt. Beide haben wir uns an Schonkost gehalten, also weder etwas Fettiges noch etwas deftiges gegessen. Eine ganze Woche haben wir uns nur von leichte Brühen, Salzstangen, Zwieback, trockene Brötchen und Knäckebrot ernährt. Während Daniel danach wieder alles essen konnte, war es bei mir noch etwas heikel. Ich bin nicht mehr gleich zur Toilette gerannt, habe mich aber ab und an mit Übelkeit geplagt.
Erst Holly gestern ist aufgefallen dass es bei ganz bestimmten Dingen passiert. Wenn wir in unserer freien Mittagspause zum Beispiel in die Altstadt zum Bäcker sind und an der Pommes Bude vorbei kommen. Im Allgemeinen ist es meist immer nur der Geruch vom Essen.
Meine Arbeitskollegin hat mich ganz gerade heraus gefragt, ob es vielleicht sein kann, dass ich Schwanger bin. Lachend habe ich ihr einen Vogel gezeigt und gemeint, dass Daniel und ich durchaus auf Verhütung achten. Er ist gerade dabei Karriere in seiner Firma zu machen, sein Chef erwähnt immer wieder, wie gut es ist ihn zu haben. Und ich? Ich bin eben erst mit dem Studium fertig. Erst gestern Abend habe ich die Zusage für eine Vollzeitstelle, an einer Schule in El Cajon bekommen. Wenn alles so läuft wie ich es mir Vorstelle, werde ich im Nächsten Sommer meine erste eigene Vorschulklasse übernehmen. Von Kindern ist bisher noch nicht einmal die Rede gewesen, weswegen für mich dieser Punkt eigentlich direkt weggefallen ist.
Erst nachmittags ist mir eingefallen, dass wir zwar immer auf Verhütung geachtet haben, ein einziges Mal allerdings etwas unachtsam gewesen sind. Nämlich als ich vor gut neun Wochen von dem Verhütungsstäbchen zur Pille gewechselt bin, weil ich es ersteres nicht mehr vertragen habe. Als das Stäbchen entfernt wurde, sollte ich Warten bis meine Periode einsetzt, bevor ich mit der Pille beginne. Zwar haben wir in der Zeit mit einem Kondom verhütet, allerdings ging es einmal daneben – großartige Sorgen haben wir uns darüber allerdings nicht gemacht. Vielleicht ein Fehler.
Noch gestern Abend bin ich los gezogen und habe mir ein Schwangerschaftstest geholt, musste allerdings bis heute Morgen warten, da die Verkäuferin extra noch meinte, dass man mit dem Morgenurin die besten Ergebnisse erzielt. Ausnahmsweise war ich mal froh, dass mein Freund erst relativ spät von der Arbeit kam und heute dafür erst am späten Vormittag ins Büro muss – so liegt er nun noch im Bett und ich konnte in Ruhe auf dieses blöde Stäbchen pinkeln. Wenn die drei Minuten des warten nur nicht so lange wären…..
Nervös wippen ich mit meinem Fuß auf und ab und kaue mir auf die Fingernägel herum. Als mein Handy Geräusche von sich gibt zucke ich zusammen, sehe aber zu das ich den Alarm schnell ausstelle.
„Scheiße.“, gebe ich leise von mir, als ich in rosa Großbuchstaben das Wort Schwanger lese. Was soll ich denn jetzt machen? Ich schlucke und warte darauf, dass sich Tränen in meine Auge bilden, allerdings bleibt es aus. Ich bin wie gelähmt und werde erst wieder aktiver als Daniel an der Tür klopft. Panisch stehe ich auf, wickel Klopapier um das Stäbchen und stecke es anschließend in meine Hosentasche. Ich schließe die Tür auf und öffne sie anschließend. Etwas verschlafen und dennoch Lächelnd steht Dan vor mir, gibt ein guten Morgen von sich, eher er sich zu mir herunter beugt, um mir einen kurzen Kuss auf die Lippen zu hauchen.
„Wieso hast du abgeschlossen?“, will er von mir wissen. Ich zucke mit den Schultern. „Weiß nicht.“ Er runzelte die Stirn. „Alles okay?“ Ich nicke, drücke ihn ein Kuss auf die Wange und informiere ihn darüber, dass ich Kaffee kochen und die Brötchen aufbacken gehe. Ich kann ihm auf keinen Fall hier zwischen Tür und Angel sagen, dass der blöde Schwangerschaftstest positiv war - formal ein positiver Test sicherlich nichts 100%iges ist.
„Hey Apes. Wir könnten auch ausnahmsweise gemeinsam duschen gehen. Wo du doch heute frei hast und ich erst später los muss.“, schlägt er grinsend vor und wackelt mit den Augenbrauen. „Oh Daniel, ich glaube kaum, dass du dann heute noch mal freiwillig die Wohnung verlässt und wenn doch dann ziemlich zerstreut - dabei habt ihr heute doch ein wichtiges Meeting.“, ziehe ich ihn auf und will grade einfach nur einen Ausblick Ruhe. Hoffentlich fällt ihm mein merkwürdiges Verhalten nicht auf. „Oh du.... Aber morgen, wenn wir beide Frei haben, dann schuldest du mir ein langes Bad.“ Ich nicke und schüttel dann mit dem Kopf. „Du wusstest das ich heute Frei habe, du hättest auch ein Tag Urlaub einreichen kö....“ - „Du weißt das wir bei Meetings alle Anwesenheitspflicht haben.“, unterbricht er mich. Ich nicke, drehe mich um und lasse ihn allein zurück.
Allein im Schlafzimmer, ziehe ich mich schnell an und bleibe plötzlich vor dem Spiegel stehen. Ich lege eine Hand auf meine Bauch. Ob da wirklich ein kleiner Zwerg in mir heran wächst? Ich ziehe mein Oberteil ein Stück hoch und streiche über meinen Bauch.
Scheiße.
Wenn der Test wirklich Recht hat, dann wird sich unser Leben von Grund auf ändern. Niemals werde ich im nächsten Sommer meine erste eigene Klasse übernehmen können. Wahrscheinlich werde ich in zehn Jahren Hausfrau und Mutter sein und nichts aus meinen bisherigen Leben gemacht haben. Ich merke wie Panik in mir aufsteigt und ziehe mein Oberteil schnell wieder runter. Das darf einfach nicht sein. Schnell suche ich mein Handy und wähle die Nummer meines Zwillingsbruders. Als er beim ersten Mal nicht gleich abnimmt, werfe ich etwas verzweifelt mein Handy aufs Bett.
Seufzend schließe ich kurz die Augen, atme ein paar Mal ein und aus und finde meine Reaktion plötzlich etwas übertrieben.
Natürlich, ist es nicht geplant. Natürlich wird es einige Änderungen in unserem Leben geben, aber bloß deshalb ist weder mein noch Daniels Leben verpfuscht. Ich kann maximal in der neunten Woche sein, weswegen ich locker noch einige Wochen arbeiten gehen kann, um mich in meiner neuen Stelle Eingewöhnen. Daniel und ich könnten uns die Elternzeit teilen - erst bleib ich daheim und danach er. Sein Chef muss das einfach tolerieren.
Als mein Handy schellt, brauche ich einige Sekunden um dieses zu finden, bevor ich mich bei meinem Bruder mit einem Hey melde. „Du blöde Kuh hast mich geweckt. Ich hoffe es ist wichtig.“, zickt er mich an. „Vor zwei Sekunden war es noch Lebenswichtig, mittlerweile habe ich mich beruhigt. Es wäre bloß schön, wenn du hier wärst.“, antworte ich ihm. „Na wie gut, dass ich seit gestern Abend bei Mum und Dad bin. Eigentlich wollte ich ausschlafen und dann meine nervtötende Zwillingsschwester überfallen.“, informiert er mich. „Das ist gut, sie braucht dich nämlich.“ „Okay April, was ist los?“, fragt er mich. Ich beiße mir auf die Lippen. „Es könnte sein, dass ich vielleicht Schwanger bin.“, beichte ich ihm.
Ich ziehe an der oberen Lippenhaut und schmecken kurz darauf den ekligen Geschmack von Blut. „Aid sag was.“, fordere ich ihn auf. „Bist du dir sicher?“ „Ich habe einen positiven Test.“ „Und was hast du jetzt vor?“ „Nicht in Panik ausbrechen und mit Daniel reden. Aber ich werde sicherlich nicht abtreiben oder es zur Adoption freu geben.“, stelle ich klar. Ich höre ihn erleichtert ausatmen. „Das ist gut, ich habe schon gedacht, du erwegst eine Abtreibung und ich glaube nicht, dass ich es zulassen hätte. Denn ich kenne dich Äpfelchen, darüber wärst du niemals hinweg gekommen.“, entgegnet er und trifft damit völlig ins schwarze.
„Okay, pass auf. Ich geh duschen, frühstücke eine Kleinigkeit und dann mache ich mich auf den Weg zu euch.“, schlägt Aiden vor. „Ja das klingt gut. Bring noch einen Schwangerschaftstest mit.“, bitte ich ihn und höre ihn lachen. „Aid! Das ist nicht lustig.“
„Doch, wenn der eine positive ist, kannst du wahrscheinlich noch weitere hundert machen, von den fünfundneunzig positiv sind. Ruf lieber bei deiner Ärztin an und lass uns dann zu ihr gehen.“, entgegnet er. Okay, vielleicht hat er recht. „Aber du kommst mit, wenn Daniel keine Zeit hat? Du lässt mich da nicht.....“ „Nein, nein. Keine Sorge.“, unterbricht er mich, was ich mit einem leisen okay kommentiere. „Dann bis gleich. Hab dich lieb, Schwesterchen.“, höre ich ihn noch sagen. Bevor wir auflegen, gebe ich noch ein ich dich auch von mir.
Noch eine idee erleichterter seufze ich und begebe mich in die Küche. Als ich Kaffee aufsetzen will stocke ich. Wenn ich wirklich schwanger bin, darf ich dann überhaupt noch Kaffee trinken? Bevor ich nicht sicher bin ob ich es nun darf oder nicht, koche ich lieber bloß für meinen Freund Kaffee und für mich einen Tee....oder doch lieber nur einen Orangensaft?
Letztendlich entscheide ich mich für Milch und hoffe, dass sie in Ordnung ist. Ich schiebe die Brötchen ebenfalls in den bereits warmen Ofen.
„Hast du eigentlich schon etwas von der Schule gehört, in der du dich letztens Vorgestellt hast?“, höre ich Daniel fragen, als er zu mit in die Küche kommt und ich grade die Brötchen aus dem Ofen nehme. „Welcher? Ich habe mich bei mehreren Vorgestellt.“, gebe ich von mir, auch wenn es ein wenig gemein ist, aber er hat sich sonst auch nie dafür interessiert.
„Ähm....“, stockt er. „Von irgendeiner?“ Er schaut mich an und widmet sich dann sein Handy. „Ja, am ersten Wechsel ich. Es ist eine Vollzeit stelle und...“, diesmal bin ich es die mitten im Satz stockt, weil Dan mir überhaupt nicht zuhört. Ich schüttel den Kopf, nehme meine Tasse und ein warmes Brötchen und gehe schließlich an ihm vorbei ins Wohnzimmer.
„Sorry, dass war ein Kollege. Der Chef hat ihn angerufen und meinte er müsse früher kommen.“, entschuldigt sich mein Freund. „Also eine Vollzeit Stelle? Das war doch die in der du im nächsten Sommer deine erste eigene Vorschulklasse bekommen sollst?“, will er von mir wissen und erhält einen überraschten Blick von mir. Er hört mir ja doch zu, auch wenn es manchmal nicht den Eindruck macht. „Ähm ja... Aber ich bin mir nicht sicher ob das noch etwas wird.“, gebe ich von mir. Er zieht die Augenbrauen hoch. „Doch natürlich wird das klappen. Du hast einen super Abschluss gemacht und kannst doch echt gut mit den kleinen Kids. Du wirst sehen, alles wird super laufen.“, versucht er mich zu ermutigen, allerdings schüttel ich den Kopf.
„Daniel ich.... Also es kann sein..... Ich bin vielleicht Schwanger.“, gebe ich vorsichtig von mir und sehe mit an, wie sämtliche Farbe aus sein Gesicht weicht. „Was?“, hakt er nach und klingt ein wenig barsch, was mich zusammen zucken lässt. „Ich habe heute morgen einen Schwangerschaftstest gemacht. Er war positiv. Etwa fünfte Woche.“, gebe ich von mir und schaue ihm ihn die Augen.
Er fährt sich mit seiner Hand durch die Haare. „April.....“, sein Handy unterbricht ihn. Entschuldigend schaut er mich an. „Einen Moment, da muss ich eben dran gehen. Der Chef.“, informiert er mich und nun merke ich, dass sich meine Augen mit Tränen füllen. Dan steht auf und geht im Raum hin und her. Die Worte die er mit seinem Chef wechselt, nehme ich kaum wahr. Das alles entwickelt sich grade irgendwie nicht so, wie ich es gerade gehofft hatte. Ich habe nicht geglaubt, dass Dan freudig im zick zack durch die Gegend springt, dass er aber so barsch reagiert und dann kaum eine weitere Regung zeigt, damit hatte ich nun auch nicht gerechnet.
„Ich muss los, der Chef hat angerufen und bescheid gesagt, dass das Meeting vor verlegt wurde.“, informiert mein Freund mich und zieht sich seine Schuhe an. Fassungslos schaue ich ihn an. „Du willst jetzt wirklich gehen? Ohne das wir über meine Mögliche Schwangerschaft gesprochen haben? Daniel der Test war Positiv.“ „Ja ich weiß, das habe ich durchaus wahrgenommen. Ich fahre jetzt zur Arbeit und wenn ich wieder komme reden wir in ruhe. Wir kümmern uns schon irgendwie um die Sache. Eine Lösung lässt sich sicherlich finden.“, beschließt er drückt mir ein Kuss aufs Haar und verschwindet.
Als ihr die Tür ins Schloss fallen höre, schüttel ich den Kopf. Ich fasse es nicht. Er tut es tatsächlich schon wieder. Er setzt seine Arbeit an erster Stelle und ignoriert alles andere um sich herum. Ihm ist alles andere wichtiger, als uns. Als mich. Als das mögliche Baby. Und was genau meint er mit wir kümmern uns um die Sache? Das kleine Lebewesen in mir ist doch kein Ding.
Allerdings hörte es sich nicht so an, als wäre es für ihn eine Option, dass wir nun schon Eltern werden und einen ganz anderen Weg einschlagen, als vielleicht geplant.
Mir wird schlecht. So geht das nicht. Wenn er uns nicht will, dann ist es so, aber ich werde das Baby sicherlich behalten, da Diskutiere ich keine Sekunde drüber.
Plötzlich fühle ich mich hier absolut nicht mehr wohl. Ich will einfach nur noch weg. Einen sauberen Strich unter all dem - auch wenn das bedeutet, demnächst ein Leben ohne Dan zu führen, dafür allerdings mit Baby.
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