XXXII. Verlorenes Selbstbewusstsein
‹37. SSW›
April|| Meine Eltern waren noch nie von der Sorte, die sich übermäßig Sorgen gemacht haben. Natürlich waren sie nie begeistert, dass Noah sich in irgendwelchen Kriegsgebiete aufgehalten hat, aber dennoch waren sie ziemlich stolz auf ihn und haben ihn ziehen lassen. Schon immer haben sie uns das machen lassen, was wir wollten, solange wir uns an gewisse Regeln hielten. Waren wir Krank oder hatten andere Wehleiden, wurde ab und an mal nach uns geschaut, aber im Grunde haben wir uns immer um uns selber kümmern müssen oder umeinander.
Deshalb war ich auch ziemlich überrascht, als sowohl mein Vater als auch meine Mutter am Freitag morgen bei mir vor der Tür standen, meine Widerworte total ignoriert haben und mich dann, samt einer gepackten Reisetasche mit zu sich genommen haben. Ich bin mir noch nicht sicher wie, aber irgendwie haben sie herausgefunden, dass ich sechs Tage vorher im Krankenhaus war und haben dann beschlossen, sich um mich kümmern zu müssen und mich nicht mehr aus den Augen zu lassen. Ich war so überrascht, dass ich nach einer kurzen Diskussion, einfach aufgegeben habe und mich ihren Entschluss gefügt habe.
Seit einer Woche wohne ich nun wieder mit meinen Eltern unterm Dach und zugegeben die ersten Tage habe ich es sogar genossen ein wenig von den beiden bemuttert zu werden, grade von meiner Mutter, aber mittlerweile gehen die beiden mir einfach nur tierisch auf den Geist. Ich durfte am letzten Freitag oder an einem anderen Tag noch nicht einmal zu Daniel und Henry - und das obwohl ich immer und immer wieder versichert habe, dass mein Exfreund mich abholt und auch wieder zurück bringen wird. Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, dass grade meine Mutter ein Problem damit hat, dass Daniel und ich uns so langsam aber sicher wieder annähern.
Das ganze Gefühl, unter streicht nun auch ihre heutige Aktion. Tatsächlich hat sie Jaqueline und ihre beiden Söhne Brandon und Bryan heute zum Kaffee eingeladen. Eigentlich wäre absolut nicht dabei, wenn sie mir grade den jüngeren der beiden Brüder nicht bereits im Vorfeld so sehr angepriesen hat. (<<Beide sind total bodenständige und freundliche junge Männer auf die man sich wirklich immer verlassen könnte.>> <April, Schatz du musst ja nicht gleich mit ihm Ausgehen, aber vielleicht freundet du dich ja grade mit Brandon an. Eine starke Schulter kann man immer gebrauchen. Jetzt grade du. Er kann dir sicherlich bei so manchen Sachen helfen. Wenn du Einkäufe hast zum Beispiel. Schwer schleppen sollst du ja eh nicht mehr>>) Ist klar. Im ersten Moment war ich allerdings so baff, dass ich mir anscheinend meine Freunde neuerdings nicht selber aussuchen durfte, und das im Erwachsenen Alter, dass mir nichts einfiel und ich es einfach über mich ergehen lassen habe. Mich kotzt es selber tierisch an, dass mein selbstbewusstes ich grade anscheinend irgendwo anders ist nur nicht hier. Sonst habe ich mich auch nicht von meiner Mutter hin und her schieben lassen. Wenn ich etwas nicht wollte, dann wollte ich es nicht und habe auch nicht mit mir diskutieren lassen.
Als die drei pünktlich um halb drei vor der Tür standen habe ich freundlich gelächelt und mich eher mäßig bei den Unterhaltungen eingebracht. Mir hat noch nicht einmal der Schokoladenkuchen geschmeckt, dabei kann ich grade in der letzten Zeit nicht genug von dem süßen Zeug bekommen. Allerdings bin ich nicht die einzige, denn die beiden Herren hier in der Runde sind auch nicht grade viel gesprächiger.
Grade habe ich vorgegeben auf Klo zu müssen und verstecke mich nun schon satte zwanzig Minuten in meinem alten Zimmer. Mir ist mein Bett viel zu weich, die Wände zu rot und eigentlich will ich nur noch in meine eigenen vier Wände zurück.
Seufzend nehme ich mein Handy und schreibe Aiden eine Nachricht, dass Mum anscheinend glaubt, mir neuerdings meine Freunde aussuchen zu müssen. Keine Sekunde später schellt mein Handy, was mich wirklich wundert, denn seit letzten Samstag herrscht noch immer absoluts Funkstille, wenn man von den paar sehr kurzen Nachrichten absieht, die wir ab und zu mal ausgetauscht haben.
„Du Lebst.“, melde ich mich mit einer eher Neutralen Stimme. „Ja und das obwohl mir Chris und Noah ziemlich den Kopf gewaschen haben.“ Ich lehne mich an den Kopfteil meines Bettes, streife die Schuhe von meinen Füßen und ziehe die Beine an meinem Körper. „Verdient, wenn du mich Fragst.“ Ich höre ihn seufzen. „Du hast recht, ich habe mich vor allem dir gegenüber echt mies Verhalten. Du weißt schon, ich bin immer für dich da und du kannst dich auf mich verlassen. Ich würde sagen, ich habe dir in den letzten Tagen wohl eher das Gegenteil bewiesen.“ „Stimmt.“ „Bist du sehr böse auf mich?“, höre ich ihn Fragen. Keine Ahnung war ich das? Böse ist wahrscheinlich der falsch Ausdruck. „Nein.“, antworte ich ihn und strecke nun doch wieder meine Beine aus, weil es so viel gemütlicher ist. „Aber enttäuscht.“ „Ich weiß und es tut mir Leid. In anderthalb Wochen kommen Chris und ich nach Hause und dann verwöhne ich dich von Kopf bis Fuß. Wenn du willst, trage ich dich sogar zum Klo.“
Er entlockt mir ein Lachen. „Danke aber, ich lehne ab. Ich bin Froh wenn ich wieder in meinen eigenen vier Wänden wohne und nicht ständig jemanden um mich herum habe, der mir sagt was ich zu tun oder zu lassen habe.“, lasse ich ihn wissen. „Noah hat das heute Morgen erzählt, weil er es erst Heute morgen von Mum erfahren hat. Warum hast du keinem von uns etwas davon erzählt?“, will er von mir wissen und hört sich etwas vorwurfsvoll an. Ich bin mir sicher, dass er nicht darauf anspielt, dass ich nun hier untergekommen bin, sondern viel mehr darauf, dass ich im Krankenhaus war. „Ihr hattet alle absolut keine Zeit. Samstag habe ich versucht dich anzurufen und du hast mich immer und immer wieder weg gedrückt. Noah, meinte er müsse sich um Mum und Dad kümmern. Wie bitte...“ - „Es tut mir Leid. Ehrlich. Noah auch. Wir hätten für dich da sein müssen.“, unterbricht er mich ehe ich mich noch weiter aufregen kann. Ich atme tief ein und aus. „Wie bist du ins Krankenhaus gekommen? Mums Freundin meinte wohl nur, sie hätte dich gesehen.“ Na das beantwortet wenigstens meine Frage, wie meine Eltern davon Wind bekommen haben. „Daniel hat mich gefahren.“, verrate ich ihn und bekomme bloß ein Oh zu hören. Oh? Was soll das denn schon wieder bedeuten? Er war doch dafür, dass ich mich wieder mit ihm ausspreche und wir uns vielleicht sogar etwas näher kommen. „Ich nehme an das ist gut, oder? Ich mein ich schätze Dan so ein, dass er sich den Strohhalm geschnappt hat, den du ihm so, vielleicht auch unbewusst, hin gehalten hast und ihr euch wieder so einigermaßen versteht?.“ „Ja.“, gebe ich kurz angebunden von mir und gestehe mir gleichzeitig ein, ihn schon ein wenig zu vermissen. Ich hatte mich so sehr auf das Treffen mit ihm und auch Henry gefreut. Irgendwie hatte er mir an dem Tag, an dem er nochmal da war, dass Gefühl gegeben, nicht allein zu sein. Verdammt, er hatte sogar vorgeschlagen mir bei der Geburt zur Seite zu stehen und das obwohl wir beide wissen, dass er Blut auch wenn es nur ganz leicht als Geruch im Raum hängt, überhaupt nicht ab kann. „Er will ein Kuscheltier kaufen und am Montag bei der Untersuchung dabei sein. Es ist total komisch.“, erzähle ich ihm. „Ihr trefft euch also wieder? April, das freut mich echt für euch.“ „Nein, ganz so ist das nicht. Wir haben in den letzten Tagen viel geschrieben und ab und zu mal telefoniert, aber er ist nicht einmal hier aufgetaucht, nachdem ich ihm erzählte, dass unsere Eltern sich mich kümmern und mir quasi Hausarrest gegeben haben.“ Nun höre ich ihn ein wenig lachen. „Aiden das ist nicht Lustig, ich glaube Mum will mich mit Brandon vekuppeln.“, stelle ich ernst klar. Ich höre ihn flüstern und anderes gemurmmel aus dem Hintergrund. „Gott wenn ich einmal nicht Zuhause bin. Sag April das sie erwachsen ist und alt genug um eigene Entscheidungen zu treffen. Sie soll sich nicht drum kümmern, was Mum will, auch wenn sie sich zur Zeit um sie kümmert und ruhig zu Daniel fahren, wenn sie Lust dazu hat.“, höre ich Noah sagen.
„Äpfelchen, Noah meint du...“ - „Ich habe gehört, was er gesagt hat Aid.“, unterbreche ich meinen Zwillingsbruder. „Ich kann aber nicht einfach so bei Daniel auftauchen.“, lasse ich ihn wissen. „Wieso?“ „Weil.....“ Ja warum? Weil ich nicht einfach so, ohne vorher etwas zu sagen bei ihm auftauchen kann? Aber er konnte es ja auch. Vielleicht weiß ich auch einfach nicht, wie nah ich ihn wirklich an mich ran lassen will. Natürlich habe ich ihn in den letzten Tagen so irgendwie vermisst und ich habe es auch genossen, mit ihm zu schreiben, auch wenn er mich nur danach gefragt hat wie mein Tag war und wie es mir und den kleinen Stups geht, aber will ich ihn wirklich wieder so nah an mich ran lassen?
„Wie wissen doch, dass du noch Gefühle für ihn hast und bei ihm sieht es auch nicht anders aus.“, redet Aiden auf mich ein. „Ach ja? Wissen wir das wirklich?“ „Ja natürlich.“ Ich verdrehe die Augen. „Woher?“ Genervt stöhnt er. „Man sieht es dir an April. Glaub mir, dass habe sogar ich als Außenstehender gesehen.“, höre ich Chris sagen und runzel die Stirn. Typisch Aiden, dass er mal wieder alle an unser Gespräch teilhaben lässt. „Und mich hat er gefragt, ob es sich für ihn überhaupt noch lohnt, sich ins Zeug zu legen, weil er glaubte dein Interesse gilt neuerdings Chris. Er war richtig eifersüchtig.“, erzählt Aiden mir nun. „Und mir sagte er, er hat noch Gefühle für dich April. Nur deshalb, habe ich ihn zur Feier eingeladen. Um euch ein Schubs zu geben.“, gibt Noah nun auch sein Senf dazu.
„Ich bin mir sicher, dass er sich freuen wird, wenn du plötzlich vor ihm stehst.“ „Und was erzähle ich Mum? Sie hat sich in den letzten Tagen echt Mühe gegeben, mir alles recht zu mache.“, will ich wissen, auch wenn wahrscheinlich meine Hormone ein wenig ihre Finger im Spiel haben. „Das glaub ich jetzt nicht. Gib sie mir mal!“, fordert Noah und ich höre ein rascheln in der Leitung. „Du warst sonst doch nicht jemand, der ständig das tut, was Mama sagt.“, mault er mich nun ein wenig an. „Sie hat sich in den letzten Tagen aber wirklich Sorgen gemacht und so ziemlich alles getan, dass ich mich entspanne. Sie war sogar mit bei meiner Hebamme um sich zu versichern, dass auch wirklich alles gut ist.“, erwähne ich. „Das gehört sich auch so. Dennoch bist du erwachsen und solltest dich nicht von ihr herum kommandieren lassen, dass habe ich ihr heute auch schon mal gesagt. Das gleiche gilt, wenn du wieder nach Hause willst.“, stellt er klar. „Du hast recht.“, stimme ich zu. „Natürlich und jetzt sei wieder du selbst und setz dein verdammten Kopf durch. So wie immer.“, fordert er von mir.
Ich nicke und stehe auf. „Wann kommst du wieder heim?“ „Ich wollte mich morgen Früh auf den Weg machen und Mum und Dad darauf vorbereiten, dass Aid in anderthalb Wochen nicht alleine kommt.“ Ich beiße mir auf die Lippen. Ich habe bewusst, dieses Thema die letzten Tage vermieden. „Ich hab mich nicht getraut sie drauf anzusprechen, aber....“ - „Mach dir keine Sorgen. Unsere Eltern sind Cooler als wir denken, trotzdem müssen sie sich erst mal an dir Situation gewöhnen, allerdings können sie das nur, wenn sie direkt damit konfrontiert sind.“ Erleichtert atme ich aus. „Okay. Ich sollte auch mal wieder runter gehen. Ich meinte vor gut einer halben Stunde ich müsse auf Klo.“ „Naja du bist Schwanger und hast ein menge im Bauch und....“ - „Noah! Du hast definitiv viel zu viel Zeit mit Aiden verbracht.“, unterbreche ich ihn und schüttel mich einmal. „Schon gut, schon gut. Sag einfach das wir angerufen haben.“ „Mach ich. Grüß die anderen beiden Schwachköpfe von mir.“
Ich schlüpfe wieder in meine Schuhe und verlasse mein Zimmer um wieder nach unten zu gehen. Meine Mum, ihre Freundin und deren Söhne sitzen mittlerweile auf der Terrasse und schauen mich überrascht an, als ich wieder auftauche. Die beiden blonden jungen Männer schauen mich Lächelnd an und wirken erfreut, dass ich sie nun nicht mehr mit den beiden Frauen alleine lasse. „Du warst lange weg. Wir dachten schon, du wärst schlauer als wir beide gewesen und hättest dich verdünniesiert.“, bemerkt Brandon und lächelt mich an. Ich versuche es zu erwidern, zucke nur mit den Schultern und setze mich auf den freien Stuhl. Böse funkelt meine Mutter mich an und mein Vorhaben zu verschwinden löst sich plötzlich in Luft auf.
⏭️⏮️
Eine dreiviertel Stunde später und etliche Ratschläge zu den letzten Wochen meiner Schwangerschaft später, habe ich die Nase gestrichen voll. Ich rücke den Stuhl nach hinten und schaue meine Mutter an, die mich mit einem Fragenden Blick beobachtet. „Mir fällt die Decke auf dem Kopf und ich muss ein wenig raus. Ich fahre in die Stadt. Vielleicht schreibe ich einer Freundin ob sie grade arbeiten ist und ich sie im Restaurant besuchen kann oder gehe bei Daniel und Henry vorbei.“, lasse ich sie von meinem Vorhaben wissen, auch wenn ersteres mit dem Restaurant gelogen ist. „Wir haben Gäste.“ „Du hast Gäste. Ehrlich, ich kann kaum noch sitzen und will einfach mal etwas anderes sehen.“ „Nun lass sie doch gehen.“, hilft mir Jaqueline und ich bin ihr wirklich dankbar. „Brandon kann sie ja mit in die Stadt nehmen, er wollte eh noch in die Stadt. Nicht wahr Schatz.“ Der Angesprochene schaut von seinem Handy auf. „Äh... Ja klar. Wann willst du denn los?“ Ich verdrücke mir ein genervtes stöhnen und bringe ein gefaktes Lächeln zustande. „Ich hol nur schnell meine Tasche und ne Jacke dann kann es von mir aus los gehen.“, lasse ich ihn wissen. So muss ich wenigstens nicht mit dem Bus oder ein Taxi fahren. „Wie kommst du denn wieder nach Hause. Du weißt was deine Hebamme gesagt hat? Du sollst keine weite Strecken mehr laufen. Schon gar nicht alleine.“ „Ich bin mir sicher, dass mich nachher jemand Heim fahren kann. Mum mach dir darüber keine Sorgen.“, lasse ich sie wissen, drücke ihr ein Kuss auf die Wange und verabschiede mich bei den anderen beiden schon mal mit einem Ciao.
In Null Komma nix habe ich meine Tasche mit meinem Handy und eine Strickjacke und verlasse zusammen mit meiner Mitfahrt Gelegenheit das Haus. Brandon fährt einen schwarzen Cabrio und öffnet mit der Zentralverrieglung die Türen. Anders als ich es eigentlich gewohnt bin, öffnet er nicht erst meine Tür, sondern direkt seine, steigt ein und sieht mich dann nur auffordernd an. Schweigend setze ich mich zu ihm und schnelle mich an. Abgesehen davon, dass ich ihm kurz Dans Adresse gegeben habe, verläuft die Fahrt eher still und ich bin froh, als ich endlich aussteigen darf. Sein Fahrstil ist alles andere als angenehm, grade dann wenn man Schwanger ist. „Danke fürs Mitnehmen.“ „Kein Ding. Allerdings habe ich es nur getan um Mum nicht schlecht da stehen zu lassen. Sorry aber ich stehe absolut nicht auf Frauen die Schwanger sind oder sogar schon ein Kind haben.“, stellt er klar. „Na wie toll. Ich stehe auch nicht auf Typen, die sich nicht an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten können oder immer nur das tun was Mutter verlangt.“, zicke ich zurück und begebe mich ohne noch einmal umzudrehen ins Wohnhaus.
Da die untere Tür offen ist, gehe ich unbeirrt ins dritte Stockwerk und muss oben dann doch erst mal wieder zu Luft kommen. Als ich nicht mehr so außer Atem bin, klopfe ich an die Tür und wünsche mir im nächsten Moment nicht den Mut gefasst zu haben, hier ohne bescheid zu geben einfach aufzutauchen, denn vor mir steht Alexis. Bloß in einem Handtuch bekleidet ....
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