Kapitel 96
Lia
Ächzend schleppe ich die schweren Einkaufstüten in die Küche, wo Scott am Tisch sitzt und aufspringt, als er mich sieht. "Herrgott, Lia, du solltest nicht so schwer tragen." Erstarrt bleibe ich stehen und lasse die Tüten fallen. "Woher weißt du es?", flüstere ich. "Ich bin nicht blöd und habe Augen im Kopf. Und ich habe gehört, wie du dich vorhin übergeben hast." Ich schlucke schwer. "Du hast es aber nicht Marco gesagt, oder?" Er schüttelt den Kopf. "Bitte sag es ihm auch nicht. Ich möchte es ihm sagen, aber noch nicht jetzt." Scott seufzt. "Als ob du Angst haben müsstest, dass er dich sitzen lässt oder sauer wäre.", "Das ist es nicht. Zumindest ist das nicht der ausschlaggebende Grund." Neugierig sieht der Sunnyboy mich an. "Ist nicht so wichtig. Kannst du mir kurz helfen?" Er nickt und hebt mir die Tüten auf den Tisch, damit ich sie besser auspacken kann. "Wie weit bist du?", "Fast elfte Woche.", "Was? So weit schon?" Ich nicke und sehe nach unten zu meinem unter einem schlabbrigen Pulli versteckten Bauch. "Ich weiß es seit drei Wochen. Aber es ist 'ne Risikoschwangerschaft, deswegen wollte ich es noch niemandem sagen.", "Verstehe.", gibt Scott leise von sich und hilft mir beim Auspacken. "Elfte Woche. Wow. Aber dann hast du die schwierige Zeit doch fast schon überstanden, oder?", "Naja, geht so. Ich war eben beim Arzt. Sie sagte, dass sie vermutet, dass es auch weiterhin ein Risiko bleiben wird. Mein Körper hat eigentlich gar nicht genug Kraft, um ein Baby auszutragen." Ich seufze traurig und setze mich hin. "Ich habe Angst, dass ich es verliere, weißt du? Und deswegen habe ich Angst es Marco zu sagen. Denn wenn er davon weiß und ich das Baby verliere, dann wird auch er trauern. Zumindest falls er sich auf das Baby freuen sollte, denn vor einer Weile hat er mir noch ausdrücklich gesagt, dass er keine weiteren Kinder möchte." Ich schniefe und wische mir die Tränen weg, die mir gekommen sind. "Hey, alles wird gut Lia. Nur musst du auch Dinge vermeiden, die deinem Baby schaden könnten. Solche fetten Einkaufstüten zu schleppen ist zum Beispiel überhaupt gar nicht gut." Ich weiß ja, dass er recht hat, deswegen bin ich jetzt auch noch deprimierter. "Ach Lia. Kopf hoch, du machst das schon." Ich nicke leicht. Vielleicht hat er ja recht. Nur bleibt die Angst trotzdem bestehen. "Ela schläft, du kannst also auch etwas die Beine hochlegen.", "Danke, Scott." Er winkt ab und ich gehe ins Wohnzimmer, wo ich mich auf dir Couch lege und den Fernseher einschalte. Es ist ewig her, dass ich einfach mal entspannt irgendwo gesessen und ferngesehen habe.
Ich zucke zusammen, als ich eine Hand an meiner Wange spüre. Erschrocken sehe ich in Marcos Augen, der mich anlächelt. Ich muss wohl eingeschlafen sein. "Hey, Schlafmütze. Es ist schon nach fünf." Ich gähne herzhaft, ehe ich mich aufsetze. "Wie war's beim Training?", "War alles super. Und was habt ihr heute schönes berissen?", "Nicht viel. Über Mittag war ich einkaufen und dann muss ich hier eingeschlafen sein. Der arme Scott musste dann wohl die ganze Zeit Ela beschäftigen, was? Dabei ist er doch eigentlich Krankenpfleger und nicht der Babysitter." Marco zuckt mit den Schultern. "Es war nur eine halbe Stunde. Sie hat bis drei geschlafen und halb vier war ich zuhause." Ach so, dann geht es ja.
Lucy steht von ihrem Platz auf und beginnt zu jaulen, weshalb Marco und ich gleichzeitig seufzen. "Ich gehe mit ihr, beschäftige du mal deine Tochter. Dann kann ich noch etwas frische Luft schnappen.", "Alles klar." Marco küsst mich kurz und geht dann nach oben, während ich in den Flur gehe, um mir Schuhe und Jacke anzuziehen. "Lucy, komm!" Die Hündin kommt angelaufen, also mache ich sie an die Leine und gehe mit ihr raus. Ich liebe sie abgöttisch.
"Bin wieder da.", rufe ich durch's Haus, doch ich bekomme keine Antwort. Wo sind denn alle?
Schnell leine ich Lucy ab und ziehe mir meine Schuhe und Jacke aus, ehe ich in die Küche gehe und vor Schreck nach Luft schnappen. "Gott, hast du mich erschreckt. Wieso hast du nicht geantwortet?", frage ich Marco, doch dann fällt mir mein kleiner gelber Mutterpass auf, der vor ihm auf dem Küchentisch liegt. "Marco, ich-", "Wieso hast du es mir nicht gesagt?", unterbricht er mich. Ich schlucke schwer. Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung, was ich sagen soll. "Bist du deshalb auf Abstand gegangen? Hattest du Angst, dass ich es merke, wenn ich deinen Bauch berühre?" Traurig nicke ich und setze mich ihm gegenüber. "Wieso, Lia? Hast du gedacht, dass ich dir den Kopf abreiße? Hast du gedacht, dass ich dich vor die Tür setze?", "Nein, das ist es nicht.", sage ich leise und spiele nervös an meiner Nagelhaut. "Was dann? Rede mit mir, ich will eine Erklärung.", drängt er, also atme ich tief durch. "Es gibt verschiedene Gründe. Zum einen hast du noch vor nicht allzu langer Zeit gesagt, dass du keine Kinder mehr möchtest." Er nickt wissend. "Das ist richtig, das habe ich gesagt." Seufzend streiche ich mit meinen Händen über mein Gesicht. "Ich habe mit der Ärztin gesprochen. Sie sagt zwar, dass das Baby keine großen Entzugserscheinungen aufweisen wird, wenn es auf die Welt kommt aber es kann trotzdem zu Komplikationen kommen. Es kann sein, dass mir in nächster Zeit, wenn das Baby etwas mehr gewachsen ist, gesagt wird, dass es zum Beispiel eine Behinderung hat. Noch dazu ist es eine Risikoschwangerschaft, weil mein Körper eigentlich überhaupt nicht genug Kraft hat, um ein Baby auszutragen. Ich habe noch immer zu wenig Gewicht und der Stress in den letzten Monaten hat mir auch nicht unbedingt gut getan. Jedenfalls wollte ich warten bis ich es irgendwem erzähle. Wenigsten die ersten drei Monate wollte ich abwarten.", gebe ich kleinlaut zu. "Drei Monate? Verdammt, ist das dein Ernst? Wie lange wolltest du mich denn da noch im Dunkeln lassen?", "Nicht mehr lange. Die drei Monate sind ja fast um.", murmle ich. "Was? Wie weit bist du denn schon?", "Elfte Woche.", seufze ich und Marco schnaubt. "Gut zu wissen. Und wie lange weißt du es schon?", "Seit drei Wochen. Ich war mit Mama beim Frauenarzt." Marco lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkt die Arme vor der Brust, als plötzlich Ela in die Küche getapst kommt. "Ela krinken.", sagt sie zu mir und hält mir ihren Schnabelbecher entgegen. "Klar, gib her, Mama macht dir neues Trinken in deinen Becher.", sage ich zu ihr und stehe auf, um den Becher zu füllen. "Komm mal zu Papa." Das kleine Mädchen setzt sich in Bewegung und Marco hebt sie auf seinen Schoß. "Hast du Hunger?" Sie schüttelt ihren Kopf. "Sicher?" Wieder schüttelt sie den Kopf. Versteh mal einer unser kleines Mädchen. "Geh mal noch kurz spielen, ich mache dir etwas zu essen." Jetzt nickt sie und klettert von Marcos Schoß. Auf dem Weg ins Wohnzimmer nimmt sie mir noch ihren Becher ab. "Bist du sauer?", frage ich Marco vorsichtig. "Ja, aber nicht weil du schwanger bist, sondern weil du es mir verschwiegen hast. Und ich bin eher enttäuscht als sauer." Mit diesen Worten steht er auf und macht Ela etwas zu essen, ohne mich dabei weiter zu beachten.
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