Kapitel 68

Marco

Da Elas behandelnder Arzt heute nicht im Krankenhaus ist, muss ein Gespräch in Bezug auf häusliche Krankenpflege etwas nach hinten verschoben werden.
Wir sind heute zum Mittagessen zu meinen Großeltern eingeladen, doch Lia und ich haben noch etwas Zeit und sind deshalb vorerst nochmal nach Hause gefahren, um uns noch einmal frisch machen zu können. Lia ist gerade oben unter der Dusche, als es an der Tür klingelt. Also wenn überhaupt klingelt es maximal einmal am Tag an meiner Tür. Heute - am ersten Weihnachtsfeiertag - aber bereits das zweite mal. Und das sogar noch vor Mittag. Also irgendwas ist heute anders. "Guten Tag, Herr Reus, entschuldigen Sie die Störung. Meyer mein Name, von der Kripo Dortmund." Der linke der beiden Männer hält mir seinen Ausweis entgegen, der Mann neben ihm tut es ihm gleich. Hinter ihnen stehen noch zwei normale, in Uniform gekleidete Polizisten. "Kein Problem, wie kann ich helfen?", frage ich. "Stehen Sie in Kontakt mit Emilia Leopold?" Kurz halte ich den Atem an. Was will die Kripo von Lia? "Sie ist meine Freundin.", antworte ich ehrlich. Für Lügen bin ich nicht zu haben. "Ist sie im Moment bei Ihnen?" Ich nicke langsam. "Sie duscht gerade. Dürfte ich fragen worum es denn geht?", "Frau Leopold ist Hauptverdächtige in einem Mordfall.", erklärt der zweite Mann, sein Name ist Groß. "Hauptverdächtige in einem Mordfall? Das ist ein Witz, oder?", beginne ich zu lachen. "Nein, Herr Reus, das ist es durchaus nicht. Dürften wir bitte reinkommen? Wir möchten bitte mit Frau Leopold reden." Mein Lachen verebbt und ich trete wie erstarrt beiseite. Lia und Mordfall? Hauptverdächtig? Wie bitte? "Ähm, gehen Sie doch durch. Lia wird sicher gleich fertig sein. Wie gesagt, sie duscht noch. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?" Alle vier Männer lehnen höflich ab und bleiben im Flur stehen. Lucy - freundlich, wie sie ist - holt sich von unserem Besuch ordentliche Streicheleinheiten ab. "Ich bin dann jetzt so wei-" Lia hält in ihrer Bewegung Inne, als sie die vier Beamten im Flur stehen sieht. "Oh, hallo.", sagt sie dann freundlich und gibt jedem die Hand. "Frohe Weihnachten, die Herren.", fügt sie noch lächelnd hinzu. "Gleichfalls, Frau Leopold.", erwidert Herr Meyer. "Mein Name ist Lukas Meyer, ich bin von der Kriminalpolizei Dortmund, das ist mein Kollege Groß. Wir sind hier, weil Sie Hauptverdächtige in einem Mordfall sind, welcher sich vor kurzem ereignete." Lias Gesichtszüge frieren ein. "Wie bitte? Ich soll einen Mord begangen haben? Das ist ein Scherz." Sie lacht freudlos auf, ihre Augen spiegeln Entsetzen wider. "Nein, das ist kein Scherz.", erwidert Groß. "Aber wen soll ich denn bitte ermordet haben? Und wann? Ich könnte doch keinen Menschen umbringen, zu so etwas scheußlichem wäre ich doch überhaupt nicht im Stande!" Aus Verzweiflung beginnt Lia zu weinen, weshalb die ich sie in den Arm nehme. "Der Name des Opfers lautet Quinn Schulz. Man hat seine Leiche gestern Morgen in seiner Wohnung gefunden. Den Ermittlungen zufolge ist Herr Schulz vor etwa fünf Tagen ermordet worden. Er wurde mit einer Plastiktüte erstickt. Als man ihn fand, war diese Tüte noch um seinen Kopf befestigt." Entsetzt sehe ich die Männer an. Die können doch nicht im Ernst glauben, dass Lia zu so etwas in der Lage wäre! "Quinn ist tot?", haucht Lia neben mir. Der Beamte nickt und beäugt meine Freundin mit Adleraugen. "Ich muss Sie bitten mitzukommen.", "Aber ich war es nicht, das schwöre ich. Ich habe nichts getan.", "Das werden wir dann auf dem Revier klären, Frau Leopold." Meine Freundin sieht zu mir hoch - die Panik ist ihr ins Gesicht geschrieben. "Dir passiert schon nichts. Sag ihnen einfach die Wahrheit, okay?" Sie nickt, Tränen strömen ihr über die Wangen. "Ich werde zum Revier kommen.", verspreche ich ihr noch und gebe ihr einen kurzen Kuss, ehe sie aufgefordert wird, den Männern mach draußen zum Auto zu folgen. Ich meine, natürlich hat Lia vor nicht allzu langer Zeit etwas davon erwähnt, was sie Quinn am liebsten antun würde, doch das würde sie niemals tun. Das traue ich ihr einfach nicht zu. Abgesehen davon war sie vor fünf Tagen... Ja, wo war sie da eigentlich? Angestrengt denke ich nach was wir in den letzten Tagen alles gemacht haben, doch es will mir einfach nicht in den Sinn kommen. Irritiert schüttle ich den Kopf. Ich darf nicht an Lias Unschuld zweifeln, das würde uns nur auseinander treiben und außerdem vertraue ich Lia mehr als mir selbst.

Nachdem ich bei meinem Großeltern angerufen und ihnen gesagt habe, dass Lia und ich nicht kommen können, schnappe ich mir meine Autoschlüssel und mache mich auf den Weg zum Polizeipräsidium. Ich bin nicht sicher, was mich dort erwarten wird, doch ich bin mir sicher, dass Lia dort die Wahrheit erzählen wird. Ich traue Lia nicht zu, dass sie die Polizei belügen würde. Außerdem würde sie auch niemanden ermorden. Nicht einmal Quinn, der sie über zwei Jahre lang so sehr gequält hat. Meine Freundin ist eine herzensgute Frau und tut keiner Fliege was zu Leide. Naja, außer bei Spinnen reagiert sie etwas empfindlicher aber das ist doch auch etwas völlig anderes. Lia will immer nur das Beste für jemanden und selbst jemandem wie Quinn würde sie kein Haar krümmen. Es gibt doch sicher genug Menschen da draußen, die diesen Kerl hassen, oder? Irgendwelche Junkies, die ihren Stoff nicht bekommen haben und von ihm übers Ohr gehauen wurden oder Dealer, denen er noch Geld geschuldet hat. Wieso kommen die denn ausgerechnet auf Lia? Immerhin ist sie schon länger als ein halbes Jahr von ihm getrennt und hat ihn seitdem nicht wiedergesehen. Es ist doch klar, dass dieser Kerl eine Menge Feinde hatte. Wieso also ausgerechnet Lia als Hauptverdächtige?
Ich halte den Wagen in der Nähe des Präsidiums und krame mein Handy aus meiner Jackentasche hervor, um einen sehr guten Anwalt anzurufen. Einen Anwalt, der mir bereits auch einmal geholfen hat, als man herausfand, dass mein Führerschein gefälscht war. Ich gebe ja zu, dass das mehr als dumm von mir war, aber ich habe daraus gelernt. Ich mache mit dem Anwalt aus, dass er zum Revier kommt, damit er Lia verteidigen kann und sie nicht allein da durch muss. Sie hat zwar auch mich, doch in diesem Verhörraum wäre sie ganz alleine und das kann ich einfach nicht zulassen.

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