Kapitel 6

Elaine sitzt in der Wanne und spielt mit ihren Spielsachen, die sie immer mit in die Wanne nehmen darf. Ich bin total erledigt. Sobald Elaine im Bett ist, werde ich auch ins Bett gehen. Das war einfach zu viel heute. Yvonne ist noch hergekommen und hat sich tausendmal entschuldigt. Komischerweise war ich ihr aber gar nicht böse. Mir hätte das genauso passieren können. Nur geht mir dieses Mädchen nicht aus dem Kopf. Sie sah wirklich schlecht aus. Und diese billigen, viel zu knappen Klamotten waren auch nicht sehr schön. Sie wird doch wohl nicht auf den Strich gehen, oder? Auch die Art und Weise wie sie geredet hat war komisch. Als wenn ihre Zunge schwer ist. Wie wenn man ein Glas zu viel getrunken hat. Nur roch sie nicht nach Alkohol. Sie wirkte benommen und kränklich. Ich würde ihr gern die Kette wieder geben. Es ist eine sehr hochwertige Kette. Eine von Tiffany&Co., um genau zu sein. Ob die Kette wirklich ihr gehört? Immerhin kostet so eine Kette locker um die sechshundert. Nicht, dass die geklaut ist. Allerdings scheint die Kette etwas persönliches zu sein, denn es sind Initialen eingraviert. "Papa.", ruft meine Tochter mich. Ich seufze und lasse in der Küche alles stehen und liegen, um zu ihr zu gehen. "Raus.", jammert sie und streckt mir ihre Arme entgegen. "Erst müssen wir dich waschen, du kleiner Dreckspatz." Sie kichert, als ich mir einen ihrer Füße schnappe und ihn mit dem Waschlappen schrubbe. Madame musste ja im Auto unbedingt Schuhe und Socken ausziehen, um von der Garage ins Haus zu laufen. Nur ist der Boden in der Garage ziemlich dreckig. "Titzelz, Papa.", quietscht sie, als ich sie zwischen den Zehen schrubbe. Ich grinse sie an. "Hat das Mädchen dir gesagt wie sie heißt?" Elaine schüttelt den Kopf und zieht ihre Füße weg. "Hey, die müssen doch sauber gemacht werden." Erneut schüttelt sie den Kopf. "Raus." Ich seufze. "Nein, Schatz, wir müssen erst noch Haare waschen." Sie schreit und strampelt mit den Beinen, sodass sie mich komplett nass macht. "Fräulein, es reicht jetzt. Hör auf!" Sie sieht mich wütend an. "Reiß dich zusammen, Elaine. Sonst kannst du sofort ins Bett gehen.", "Nein!", schreit sie mich an. "Okay, das reicht." Ich stehe auf und nehme sie aus der Wanne. "Nein!", schreit sie weiter und tritt um sich. Ohne mit der Wimper zu zucken trockne ich sie ab und stecke sie in ihren Schlafanzug, ehe ich sie in ihr Zimmer trage und es ignoriere, dass sie sich mit Händen und Füßen wehrt. "Gute Nacht.", sage ich zu ihr und lege sie in ihr Bett. Sie brüllt was das Zeug hält, doch das kenne ich schon. Das geht noch circa fünf Minuten so weiter und dann ist Ruhe. Nochmal fünf Minuten später kommt sie dann raus, entschuldigt sich und isst ihr Abendbrot. Sie ist manchmal nicht ganz einfach, aber das ist eben meine Schuld. Und das weiß ich auch. Ich bin einfach zu wenig für sie da. Ich hätte meine Karriere für sie an den Nagel hängen müssen, doch ich war zu egoistisch. "Papa? Is lieb.", schluchzt Elaine und kommt langsam die Treppe hinunter gerutscht, indem sie sich auf die Stufe setzt und Stufe für Stufe auf dem Hinter hinunter rutscht. "Du bist wieder lieb?" Sie nickt und kommt zu mir gelaufen, um auf meinen Schoß zu klettern. "Hast du Hunger?", "Ja.", "Na dann komm." Ich stehe mit ihr auf dem Arm auf und trage sie in dir Küche, wo ich sie in ihren Hochstuhl an den Tisch setze. "Au essen." Ich nicke ihr zu und beiße von meiner Stulle ab. "Morgen holt dich Oma ab, ja? Papa muss zum Training." Elaine schmollt und stopft sich den Mund mit den Häppchen voll. "Nicht stopfen.", ermahne ich sie. Gerade gestern hat sie alles ausspucken müssen, weil sie sich zu viel in den Mund gestopft hat. Sie verzieht wieder böse ihr Gesicht, was sie aber sofort lässt, als ich sie böse ansehe. "Du sollst doch nicht stopfen, Schatz. Iss ordentlich." Ich wünschte meine Frau wäre hier. Ich wünschte sie würde unsere Tochter sehen können, und unsere Tochter ihre Mama. Aber das ist nicht möglich. Was habe ich verbockt, dass ich solch ein Leben führen muss? Als Alleinerziehender Vater hat man es nicht leicht. Und schon gar nicht, wenn man mit 26 verwitwet ist. Ich wäre gern glücklich. Wunschlos glücklich. Aber das einzige Glück in meinem Leben ist meine Tochter.

Nachdem ich Elaine ihre Gutenachtgeschichte vorgelesen habe, schließe ich leise ihre Zimmertür, damit sie nicht wieder aufwacht. Ich muss jetzt ganz dringend meine Füße hochlegen, sonst ist bald alles zu spät. Nur macht mir da der jenige, der gerade an meiner Haustür klingelt, einen Strich durch die Rechnung. "Hey, alles klar?", begrüßt Auba mich und grinst. "Ja, aber ich wollte eigentlich gerade ins Bett." Er sieht mich entsetzt an. "Ins Bett? Es ist gerade mal halb acht." Ich zucke mit den Schultern. "War eben ein anstrengender Tag." Er seufzt und lässt die Schultern hängen. "Na schön, dann fahre ich wieder nach Hause. Aber morgen steht?" Morgen? Was war denn morgen? "Sag nicht, dass du es vergessen hast. Morgen ist Männerabend." Ich klatsche mir an die Stirn. "Tut mir leid. Ich habe niemanden für Elaine." Auba presst die Lippen aufeinander. "Wir wollten feiern gehen, Marco. Das war schon seit einer Ewigkeit abgemacht. Würdest du dir einfach mal eine neue Frau suchen, dann würdest du das Problem mit Elaine nicht ständig haben." Wütend verziehe ich mein Gesicht. "Was kann ich denn dafür? Sie ist meine Tochter und wenn ich niemanden habe, der auf sie aufpasst, nur damit ich feiern gehen kann, dann ist das so! Abgesehen davon will ich keine andere Frau! Wieso schnallt ihr das alle nicht?", brülle ich ihn an. Noch ehe er etwas erwidern kann, schlage ich die Haustür zu und atme tief durch. Ich bin viel zu gestresst in letzter Zeit. Erschöpft fahre ich mir mit meinen Händen über mein Gesicht und gehe in die Küche, um etwas zu trinken. Da fällt mir die Kette des Mädchens wieder ins Auge. Ich sollte sie ausfindig machen. Ich bin mir sicher, dass sie sie vergessen hat Elaine wieder abzunehmen. Sie sah nicht unbedingt so aus, als wenn sie Unmengen an wertvollem Schmuck hat. Man, was mache ich mir überhaupt Gedanken um sie? Sie sollte mich nicht weiter interessieren. Dennoch sollte ich mich bei ihr bedanken. Aber wie soll man in einer so großen Stadt wie Dortmund jemanden wiederfinden, dessen Namen man nicht einmal kennt?

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