Kapitel 59

Lia

Da ich nicht schlafen kann, stehe ich auf, um unten in der Küche einen Schluck Wasser zu trinken. Leise gehe ich nach unten und reibe mir über die Arme, da es ziemlich frisch ist. Ich bin so unglaublich müde aber ich kriege einfach meine Augen nicht zu. Zu viele Gedanken kreisen in meinem Kopf umher und halten mich seit Stunden wach. Gierig trinke ich mein Glas leer und stelle es anschließend auf der Arbeitsfläche ab. Der Tag heute war einfach scheiße. Ela so leiden zu sehen brach mir das Herz. Ich ertrage es nicht, dass dieses winzige Mädchen so viel Schmerz ertragen muss. Lange habe ich überlegt, was ich ihr kochen könnte. Vielleicht Nudeln oder Milchreis? Aber sie isst auch gerne Kartoffelpuffer oder Pfannkuchen. Ich frage am besten Marco morgen, was ich machen soll. Ich könnte dann nämlich so viel machen, dass er auch etwas davon essen kann.

Ein Lauter Knall lässt mich zusammenzucken. Erstarrt bleibe ich in der Küche stehen und spitze die Ohren. Ob hier jemand ist, der hier nicht sein sollte? "Ah fuck!", brüllt Marco und wieder ist ein lauter Knall zu hören. Sofort löse ich mich aus meiner Starre und renne so schnell ich kann die Treppe nach oben, anschließend zu Marcos Schlafzimmer, woher der Lärm kommt. "Marco!", rufe ich entsetzt, als ich sehe, wie er gegen seine Kommode tritt. "Geh weg, Lia.", haucht er schwer atmend. "Nein, ich werde nicht weggehen. Beruhige dich, okay?", rede ich auf ihn ein. Schluchzend setzt er sich ans Bettende und vergräbt sein Gesicht in seinen Händen. "Ich kann nicht mehr, Lia. Ich kann einfach nicht mehr! Ich will Ela so nicht mehr sehen müssen. Ich will nicht, dass sie so leidet. Meine Kräfte sind am Ende! Der Arzt hat eben angerufen und mir gesagt, dass es Ela schlechter geht. Sie hat hohes Fieber und wird schwächer. Er sagte zwar, dass sie stabil ist aber dass das nicht mehr lange so sein wird, wenn sie nicht in nächster Zeit Stammzellen bekommt. Ich werde meine Tochter verlieren, verstehst du? Ela wird es nicht schaffen! Wie soll ich denn innerhalb der nächsten Zeit an passende Stammzellen kommen?" Sein Schluchzen bricht mir das Herz. Langsam gehe ich zu ihm, um mich neben ihn zu setzen. "Wir werden alles tun, was wir können, Marco. Und sollten wir wirklich niemanden finden, dann müssen wir diesem wundervollen kleinen Mädchen ihre übrige Zeit so unvergesslich gestalten, dass sie diese letzte Zeit, die ihr noch bleibt, unglaublich glücklich ist. Deine Tochter wird nicht unglücklich von dieser Welt gehen, hörst du? Wir dürfen jetzt nicht aufgeben. Wir müssen Ela das Gefühl geben, dass alles gut ist, verstehst du? Wir machen die kleine Maus so glücklich, dass sie friedlich von uns gehen kann. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Wir werden kämpfen und sie am Leben erhalten. Sie wird es schaffen! Elaine ist stark. So stark wie du es bist. So stark wie ihre Mom es war." Marco schnieft und wischt sich über die Augen. "Wie kannst du so hoffnungsvoll sein? Wie kannst du denn noch so optimistisch denken? Wie?", "Ich habe gelernt, dass nach den schlechten Zeiten auch immer mal wieder gute kommen. Man darf nur nicht aufgeben. Ich bin noch so jung, doch ich habe schon viel Scheiß durch. Aber du hast mir gezeigt, dass das Leben wertvoll ist und es sich lohnt zu kämpfen." Er nickt leicht. "Wir schaffen das. Du und ich sind ein Team und wir können alles schaffen. Egal was." Ein leiser Seufzer entfährt ihm, ehe er mich mit feuchten und geröteten Augen ansieht. "Danke, dass du da bist. Ohne dich würde ich das nicht überstehen." Ich schüttle den Kopf. "Das stimmt doch überhaupt nicht. Du bist so stark, Marco. Du hast schon so viel überstanden und hast dich dabei nicht unterkriegen lassen. Immer wieder bist du aufgestanden und hast gekämpft. Egal, ob es der Verlust deiner Frau war oder eine Verletzung, die zu einer Spiel- und Trainingspause geführt hat. Du hast immer weiter gemacht und nicht aufgegeben. Und deswegen wirst du auch jetzt nicht aufgeben, denn das bist nicht du. Du bist ein Kämpfer, kein Verlierer. Ich weiß, dass es im Moment nicht leicht ist. Aber du hast genug Geld, um Ela jetzt Momente zu schenken, die sie glücklich machen können. Lass uns mit ihr raus und das Leben genießen. Sie ist zwar noch zu klein, um uns sagen zu können, was noch ihre letzten Wünsche sind, doch wir können mir ihr zu Orten fahren, wo alle Kinder glücklich sind. An den Strand, in sämtliche Zoos, zu Spielplätzen. Wir können ihr das alles geben. Du kannst die Kosten dafür aufbringen. Wir haben diese Möglichkeit, verstehst du?", "Aber wenn du so etwas denkst, beziehungsweise planst, dann gehst du ja auch davon aus, dass Ela es nicht schafft." Ich seufze. "Marco, ich glaube ganz fest daran, dass Ela ein langes und glückliches Leben haben wird. Ich denke einfach nur, dass ihr das Krankenhaus vielleicht nicht gut tut, verstehst du? Sie ist dort viel alleine und hat nur wenig Lebensfreude. Wie denn auch, wenn sie Tag und Nacht in diesem Zimmer hocken muss? Ich bin nicht sicher, ob die Ärzte erlauben würden, dass sie das Krankenhaus verlässt aber wenn sie darf, dann sollten wir ihr eine schöne Zeit bescheren, findest du nicht auch? Und wenn sie es nicht verlassen darf, dann sorgen wir eben dafür, dass sie sich im Krankenhaus wohler fühlt. Wir dürfen nur nicht aufgeben. Vor allem du nicht. Du bist ihr Papa und sie liebt dich so sehr. Wenn sie merkt, dass du keine Hoffnung mehr hast, dann wird sie auch keine mehr haben. Solange du ihr das Gefühl gibst, dass alles wieder gut wird, wird sie genug Kraft haben, um zu kämpfen. Aber das kann sie nur mit dir, Marco. Ohne dich schafft die kleine Maus das nicht. Sie braucht dich mehr denn je also gib die Hoffnung nicht auf." Er sieht mich ganz lange an, bis er schließlich nickt und mir einfach für eine Weile in die Augen sieht. "Danke.", ist das einzige, was er flüstert. Lächelnd schüttle ich den Kopf, da er mir dafür überhaupt nicht danken braucht. Beste Freunde sind nun mal füreinander da. "Ohne dich würde ich das alles nicht überstehen.", haucht er ganz leise. "Das stimmt nicht. Du bist so stark." Lediglich ein ganz leichtes Kopfschütteln ist seine Antwort. "Du gibst mir den Halt, den ich brauche. Du bist mein Fels in der Brandung." Etwas verlegen senke ich den Blick, doch er legt seinen Finger unter mein Kinn, um es anzuheben. "Danke.", sagt er noch einmal, ehe er ganz vorsichtig seine Lippen auf meine legt.

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