Kapitel 55
Lia
"Ich dachte du glaubst nicht an die große Liebe.", "Tue ich auch nicht." Marco lacht kurz auf. "Ach nein?", "Nein, denn damit ich daran glaube, müsstest du meine Gefühle erwidern. Das tust du aber nicht." Wieder sieht er mich an, diesmal liegt in seinem Blick pure Unsicherheit. "Liebst du mich?", "Das sind ziemlich große Worte.", lautet meine Antwort. "Also liebst du mich nicht?", "Ich habe Gefühle für dich, Marco. Gefühle, die über eine Freundschaft hinaus gehen.", spreche ich es nun offen aus. "Gefühle.", schnaubt er und schüttelt ungläubig den Kopf. "Du musst sie nicht erwidern. Setz mich meinetwegen vor die Tür. Aber bitte verbiete mir nicht, Ela zu besuchen. Das überlebe ich nicht.", hauche ich mit Tränen in den Augen. "Wie stellst du dir das vor? Denkst du ich kann dir jetzt noch einfach so in die Augen sehen? Denkst du ich kann jetzt einfach weiter machen wie vorher, wenn ich weiß, dass du Gefühle für mich hast?", "Das ist mir alles egal, Marco! Stoß mich meinetwegen von dir weg aber lass mich bei Ela bleiben.", "Wieso?", "Weil ich Ela in mein Herz geschlossen habe. Ich liebe dieses kleine Mädchen so sehr, als wäre sie mein kleines Mädchen. Sie lässt mein Herz aufgehen. Bitte tu mir das nicht an.", flehe ich. Marco sieht mich erschrocken an. "Sie ist nicht dein kleines Mädchen.", sagt er schließlich und deutet auf die Tür. "Ich möchte, dass du gehst, Lia.", "Nein, Marco, bitte! Tu mir das nicht an, das kannst du doch nicht machen!", schluchze ich leise, um Ela nicht zu wecken. "Du hast keine Ansprüche auf meine Tochter. Und sie ist nicht dein kleines Mädchen! Das wird sie auch niemals sein! Nur Elaine darf Ela auf diese Weise lieben, hast du mich verstanden? Also geh jetzt!", knurrt er mich wütend an. "Marco, ich flehe dich an! Ich kann das nicht, ich brauche dich und Ela.", "Raus!", wird er nun lauter, weshalb Ela leicht zuckt und quengelt. "Sch, Süße, alles ist gut. Ich muss jetzt gehen. Du wirst das schaffen, kleiner Engel, das verspreche ich dir.", flüstere ich und küsse ihre kleine Hand, während sie wieder etwas ruhiger wird und zum Glück nicht aufwacht. "Geh!" Ich nicke und wische mir die Tränen weg. "Es tut mir leid.", hauche ich Ela noch zu, ehe ich mir meine Tasche schnappe und aus dem Zimmer gehe.
Weinend lasse ich mich an der Wand hinunter gleiten. Wie kann Marco mir das denn nur antun? Wie kann er mir nur verbieten bei Ela zu bleiben? Wie soll ich denn mein weiteres Leben ohne sie und Marco meistern? Ich brauche die zwei doch in meinem Leben. Dass Marco meine Gefühle nicht erwidert, hatte ich erwartet. Aber nicht, dass er mich anschließend auch noch von Ela wegschickt. "Hallo? Ist alles in Ordnung bei Ihnen?" Ich zucke und sehe hoch zu der Schwester, die mich besorgt mustert. "Mir geht's gut.", murmle ich schluchzend und quäle mich hoch. "Brauchen Sie etwas? Kann ich irgendwas für Sie tun?", "Für mich nicht, nein. Aber könnten Sie Ela heute Abend zum Abendessen zwei kleine Puddingbecher hinstellen? Sie würde sich sicher über einen zweiten freuen.", schniefe ich. "Ich sehe mal, was sich machen lässt.", verspricht sie mir, mustert mich aber trotzdem noch skeptisch. Um ihrem Blick zu entkommen gehe ich einfach. Ich sollte bei meinem Psychologen anrufen und fragen, ob er für mich Zeit hat. Sollte er keine Zeit haben, dann breche ich heute noch zusammen. Ich brauche Hilfe und zwar sofort.
Ich suche in meinem Handy nach der Nummer der Praxis, welche ich dann auch schnell finde. Es dauert eine Weile, bis Dr. Malow rangeht, doch letztlich hebt er ab. "Guten Tag, Lia.", meldet er sich wie immer mit fröhlichem Ton. "Hallo. Haben Sie Zeit für mich?", frage ich schniefend. "Ist etwas passiert? Weinst du, Lia?", "Ja.", gebe ich weinerlich zu. "Du hast Glück. Mach dich auf den Weg in meine Praxis, ich werde auf dich warten.", "Vielen Dank.", bedanke ich mich leise und lege auf, damit ich mich so schnell es geht auf den Weg machen kann.
"Und dann hat er gesagt, dass ich gehen soll.", beende ich meinen Redeschwall und sehe unsicher zum Doc rüber. "Was hast du empfunden, als er dies sagte?" Ich seufze leicht und zerknülle das Taschentuch, das ich in den Händen halte. "Es hat mir das Herz zerrissen. Ich weiß ja, dass Ela nicht meine Tochter ist. Aber ich liebe dieses kleine Mädchen einfach mittlerweile so sehr. Ich kann da gar nichts gegen machen. Diese Muttergefühle haben sich eben einfach entwickelt. Es fühlt sich an, als wenn man mir verbietet mein eigenes Kind sehen zu dürfen, obwohl sie gar nicht meins ist. Und dass Marco meine Gefühle nicht erwidert bricht mir sowieso das Herz. Auch wenn ich das nur ungern zugebe. Ich kann ohne diese beiden Menschen nicht mehr leben. Sie sind mir so wichtig. Und jetzt weiß ich nicht was ich tun soll. Ich weiß nicht wie ich jetzt klarkommen soll. Ich dachte ich komme lieber her, bevor ich Blödsinn mache." Meine Finger fahren vorsichtig über die Narbe an meinem rechten Handgelenk. Mein Psychologe nickt wissend. "Bitte helfen Sie mir. Ich schaffe das nicht alleine." Ich lasse die Schultern hängen und sinke verzweifelt tiefer in das bequeme Sofa. "Weißt du, Lia, ich bin mir sicher, dass du keinen Blödsinn angestellt hättest. Du bist eine Kämpferin und hast bereits so viel erreicht. Du bist eine starke Frau. Was ich dir jetzt raten kann ist, dass du auf keinen Fall aufgeben solltest. Deinen Erzählungen nach zu urteilen ist dein Marco einfach ein gebrochener Mann, der sich selbst zu schützen versucht, indem er alles von sich abschirmt. Die Angst erneut verletzt zu werden scheint zu groß, um sich auf neues einzulassen. Dass seine Freundin Schluss gemacht hat, macht dies natürlich nicht besser. Aber du solltest ihm zeigen, dass es sich lohnt trotzdem immer wieder für neues offen zu sein. Zeige diesem kaputten Mann, dass du nicht irgendeine Frau bist. Zeige ihm, dass du die Frau bist, die in der Lage ist, ihn wieder so glücklich zu machen, wie er es einst war. Und somit wirst auch du wieder strahlen, Lia, vertraue mir. Versprich mir, dass du all deinen Mut nimmst und deinem Marco die Stirn bietest. Halte ihm eine ordentliche Standpauke und sorge dafür, dass ihr beide wieder lächeln könnt. Und zwar gemeinsam."
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