Kapitel 20

"Herr Reus? Ihre Anwesenheit wird gewünscht.", lächelt eine Schwester mich lieb an. "Kann ich zu Lia?" Sie nickt und geht los. Schnell schnappe ich mir den Buggy mit Ela und ihre kleine Flasche, die ich neben mir auf den Stuhl gestellt hatte. "Wie geht es ihr?", "Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber der Doktor wird Ihnen weiterhelfen können. Da hinein." Sie deutet auf eine Tür. Ich bedanke mich schnell, ehe ich an die Tür klopfe und hineingehe. "Sie hätten viel früher kommen müssen, Lia.", tadelt ein großer, schlaksiger Mann Lia, während er sie untersucht. "Ich dachte, dass das schon irgendwann von alleine weggehen würde. Es hat schon einmal so ähnlich ausgesehen.", haucht sie entkräftet. "Das haben Sie nun davon. Und was die Ursache dieser Wunden betrifft, muss ich ja nicht viel sagen, oder?" Sie schüttelt den Kopf. Ich räuspere mich kurz, weshalb ich die Aufmerksamkeit von beiden bekomme. "Herr Reus.", sagt der Doktor überrascht. "Hallo.", lächle ich. "Wie geht's dir?" Lia zuckt mit den Schultern. "Ziemlich scheiße." Sie schmunzelt etwas. "Du hast mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt.", "In welcher Beziehung stehen Sie zueinander?", fragt der Arzt dazwischen. Was geht ihn das an? "Lia ist meine Haushälterin.", "Würden Sie kurz mit vor die Tür kommen?" Ich nicke etwas irritiert und folge ihm nach draußen. "Ist Ihnen klar, was das Mädchen getan hat?" Ich seufze und reibe mir die Stirn. "Sie hat mir gesagt, dass sie sich Heroin gespritzt hätte und jetzt aufhören will." Er nickt. "Ich bin ehrlich zu Ihnen, Herr Reus. Lia hat ganz bestimmt nicht aufgehört. Vielleicht hat sie ein paar Tage ausgesetzt aber ich habe auch frische Einstichstellen finden können. Die sind maximal ein paar Stunden alt. Es mag sein, dass sie aufhören möchte aber das wird sie nicht alleine schaffen. Sie sollten sie in eine Klinik einweisen." Ich sehe ihn entsetzt an. Frische Einstichstellen? Klinik?

Er geht an mir vorbei den Flur runter, während ich nicht weiß, was ich nun tun soll. Ohne weiter nachzudenken gehe ich zurück ins Zimmer und sehe Lia wütend an. "Es tut mir leid.", sagt sie leise. "Es tut dir leid? Lia, du hast mir versprochen so nebenbei einen Entzug zu machen und nicht weiterhin dieses Zeug zu spritzen!" Sie nickt und kneift die Augen zusammen. "Ich habe es nicht geschafft. Ich habe versagt.", haucht sie und lässt ihren Kopf kraftlos ins Kissen sinken. "Du hast mich ganz schön enttäuscht, Lia." Sie nickt wissend. "Wieso hast du nichts gesagt? Ich hätte dich abgelenkt.", "Das hättest du nicht geschafft. Die Nacht war grauenvoll. Und dann habe ich nicht mehr denken können. Und dann war es auch schon zu spät. Aber meine eiserne Reserve ist jetzt aufgebracht, wenn es dich tröstet.", "Trösten.", schnaube ich. "Ich bin enttäuscht, Lia. Und wir reden auch noch von genutzter zweiter Chance. Du hast mich belogen und mein Vertrauen missbraucht. Dir muss doch klar sein, dass ich dich nicht mit meiner Tochter alleine lassen kann, wenn du Drogen nimmst!" Eine Träne kullert ihr die Wange hinunter. "Ich habe es verbockt, habe ich recht?", "Ja, du hast recht.", murmle ich noch immer wütend. "Wirst du mich entlassen?", "Ich weiß nicht, Lia. Ich weiß allgemein nicht, was ich tun soll. Klar, du gehst super mit Elaine um aber du hast mein Vertrauen missbraucht. Ich habe dir gesagt, dass mit den Drogen Schluss sein muss. Ich bin bereit, sehr viel für dich zu tun aber da du nicht krankenversichert bist, muss ich die Rechnung für das Krankenhaus hier begleichen und müsste dann auch noch deinen Aufenthalt in der Suchtklinik bezahlen. Ich habe zwar genug Geld, aber irgendwo muss auch eine Grenze sein." Sie schluchzt leise. "Ich möchte, dass du gehst." Ich sehe sie entsetzt an. "Was hast du gerade gesagt?", "Ich will, dass du gehst." Ich schnaube gereizt. "So dankst du mir das alles, ja? Alles klar." Ich stehe auf und nehme Ela mitsamt Buggy, um das Zimmer zu verlassen. Himmel noch eins! Diese ganze Scheiße hier geht mir tierisch auf den Sack.

Gereizt setze ich Elaine in ihren Kindersitz, anschließend verfrachte ich den Buggy in den Kofferraum. Wie kann sie es wagen mich wegzuschicken? Was fällt ihr ein? Ich tue alles für sie, nehme den ganzen Stress und die Kosten auf mich, nur um mich dann von ihr wegschicken zu lassen? Ich könnte kotzen! Alles verschwendete Zeit gewesen. Ich hätte längst weitersuchen können, um eine andere Frau zu finden, die den Haushalt schmeißt, auf Ela aufpasst und nicht so viele Probleme mit sich bringt! Gott, bin ich sauer! Aber ich muss mich langsam mal beruhigen. Nicht, dass ich mit Ela hinten drin einen Unfall baue. Das könnte ich mir niemals verzeihen.

Noch immer genervt komme ich zuhause an, wo allerdings das Auto meiner Schwiegermutter in der Einfahrt steht. "Oh man.", seufze ich und steige aus. Da Cony einen Schlüssel hat, gehe ich davon aus, dass sie bereits drin ist. "Na komm, Prinzessin, die Oma ist da.", sage ich zu meiner halb schlafenden Tochter, während ich sie aus ihrem Sitz hole. "Oma?" Ich nicke und setze sie mir auf die Hüfte. Ihr kleiner Kopf lehnt schwach an meiner Schulter, ihre Augen sind halb geschlossen. "Cony?", rufe ich. "Wir sind in der Küche.", bekomme ich als Antwort. Wir? Also scheint Schwiegerpapa auch da zu sein. Aber was tun sie denn hier? "Wo wart ihr?", werde ich sofort ausgefragt. Cony steht jedoch auf und lächelt sanft, als sie mein kleines Mädchen in meinem Arm sieht. "Hey, mein Schatz, hast du im Auto geschlafen?" Elaine streckt ihre Arme nach ihrer Oma aus. "Ja, komm her zu Oma." Cony setzt sich mit ihr zusammen an den Tisch und streichelt ihr den Rücken. "Wir wollen es gern wissen, Marco. Hast du eine neue Frau an deiner Seite?", fragt Jürgen. Ich ziehe die Augenbrauen hoch? "Wie bitte? Wie kommt ihr denn darauf? Ich werde mich niemals auf eine neue Frau einlassen. Ich liebe Elaine und werde sie niemals betrügen und ersetzen.", rede ich aufgebracht drauf los. "Naja, wir haben ein paar Frauensachen herumliegen sehen. Wir dachten vielleicht, dass du jemanden kennen gelernt hast.", sagt Cony sanft. "Nein, die Sachen gehören Lia. Sie ist ein Mädchen, welches ich als Haushaltshilfe eingestellt habe. Allerdings gestaltet sich das alles etwas schwierig. Ich werde sie wieder entlassen müssen.", "Was? Aber warum? Passt sie nicht zu unserer kleinen Prinzessin?" Ich sehe Ela an, die an Conys Schulter schlummert. "Naja, sie und Ela sind gut miteinander klargekommen. Aber das Mädchen bringt mehr Probleme mit sich als es beiseite schafft. Sie sollte mir das Leben erleichtern und nicht noch schwerer machen." Ich seufze erschöpft und stehe auf, um mir einen starken Kaffee zu kochen. "Wollt ihr auch einen?" Meine Schwiegereltern nicken, also hole ich zwei weitere Tassen aus dem Schrank. Im nächsten Moment klingelt mein Handy, weshalb ich es aus der Hosentasche krame. "Reus.", melde ich mich und klemme das Handy zwischen Schulter und Ohr, da ich die Hände voll habe. "Guten Tag, Herr Reus, Schwester Nina vom Klinikum Dortmund hier. Ist es richtig, dass Sie die Rechnung für Emilia Leopold begleichen?" Ich runzle die Stirn. "Ja, das ist richtig.", "Wir konnten leider keine Angehörigen benachrichtigen, weil Frau Leopold niemanden angegeben hat. Wir wollten Sie darüber in Kenntnis setzen, dass Frau Leopold das Klinikum verlassen hat, ohne dass jemand etwas gemerkt hat. Sie ist einfach verschwunden. Ihr gesundheitlicher Zustand ist allerdings sehr kritisch.", "Sie hat es einfach verlassen?", "Ja.", wird mir bestätigt. "Schicken Sie mir einfach die Rechnung zu. Ich habe meine Personalien im Krankenhaus angegeben.", "In Ordnung, Herr Reus. Sollten Sie Frau Leopold sehen, sollten Sie sie dringend zurück in die Klinik bringen. Sie braucht medizinische Versorgung.", "Ja, ich werde es versuchen, falls ich ihr begegne.", antworte ich knapp, bleibe dabei aber in einem freundlichen Ton. "In Ordnung, das war's dann auch schon. Einen schönen Tag noch.", "Gleichfalls." Ich lege auf und schnaube wütend. Wieso tut sie so etwas? Versteh mal einer diese Frau.

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