Kapitel 108
Marco
Wie damals sitze ich hier rum und warte darauf, dass mir endlich etwas gesagt wird. Wie damals ist Cony hier. Aber diesmal ist trotzdem alles anders. Lias Eltern sind auch hier und diesemal sind sie es, die Angst um das Leben ihrer Tochter haben, nicht Cony und Jürgen. Cony will mir nicht sagen, was sie vermutet, da sie sich nicht wirklich sicher ist. Und Scott sagt auch nichts. Er ist ebenfalls hier und sorgt sich um Lia. Die beiden sind sehr gute Freunde geworden, was mich nur noch sehr selten stört, da es mir wichtig ist, dass Lia Freunde hat. Er sorgt sich genauso sehr um sie, wie ich es tue und ich vertraue ihm, dass er nichts von meiner Freundin will. Zu Beginn hatte ich sicherlich große Sorgen in Bezug auf diesen Kerl, doch er ist nett, geht gut mit Ela um und ist immer für Lia da, wenn ich es nicht sein kann. Ich bin froh, dass Lia ihn hat und auch dass ich ihn habe. Ohne ihn würde es Ela nicht so gut gehen, er hat viel zu ihrer Genesung beigetragen.
Als ein Arzt in den Wartebereich kommt, springen wir alle gleichzeitig auf. "Herr Reus?" Ich nicke und reiche ihm meine Hand. "Ihrer Freundin geht es den Umständen entsprechend gut. Die Plazenta hat sich etwas gelöst.", "Ach du meine Güte, und was ist jetzt?", fragt Cony erschrocken. Was bedeutet das, wenn sich die Plazenta löst? Ist das schlimm? Scheinbar schon, denn sonst würde Cony nicht so reagieren. "Das Kind wird noch ausreichend mit Sauerstoff versorgt, allerdings habe ich Frau Leopold absolute Bettruhe verordnet und zwar auf Station. Sie muss unter ärztlicher Beobachtung bleiben, damit sofort eingegriffen werden kann, falls es zu weiteren Komplikationen kommt." Entsetzt starre ich den Mann vor mir an. "Bettruhe? Auf Station? Lia? Das ist ein Scherz, oder?", "Leider nicht, Herr Reus. Wenn Ihrer Freundin das Leben ihres Kindes wichtig ist, dann sollte sie sich besser daran halten. Das Ablösen der Plazenta ist außerdem nicht nur für das Kind im Mutterleib gefährlich, sondern auch für die Mutter selbst. Ich rate Ihnen also wirklich, sich an meine Anweisungen zu halten. Das selbe habe ich bereits Ihrer Freundin erzählt.", "Und es geht ihr auch wirklich gut?", fragt Doris weinend. "Ja, es geht ihr gut. Sie können gern zu ihr gehen, es ist alles unter Kontrolle. Aber wie gesagt, Frau Leopold braucht Ruhe.", erklärt er noch einmal mit Nachdruck und wir nicken alle. "Gott sei Dank haben wir schnell genug reagiert.", seufzt Scott und setzt sich zurück auf seinen Platz. "Sag Lia von mir, dass alles gut wird und ich sie morgen besuchen komme. Der Doc hat recht, sie braucht Ruhe und da ist es nicht vom Vorteil, wenn wir alle in ihr Zimmer platzen." Ich nicke. "Danke, Scott." Er winkt ab, steht wieder auf und schlägt mit mir ein, ehe er geht. "Ich werde gleich mitgehen. Grüß sie ganz lieb von mir.", "Mach ich.", verspreche ich Cony und somit geht auch sie. "Lasst uns zu ihr gehen.", sagt Hermann leise und legt seinen Arm um die Schulter seiner Frau. Ich nicke leicht. Noch immer bin ich etwas überfordert in Bezug auf die Diagnose. Vielleicht kann Lia mir etwas Klarheit verschaffen, wenn wir allein sind.
"Hey, mein Schatz.", seufze ich erleichtert, als ich sie wach in ihrem Bett liegen sehe. "Hey.", erwidert sie leise. "Wie geht's dir?", fragt ihre Mama besorgt. "Mir ging's schon mal besser. Aber wir leben, also alles gut." Hermann neben mir seufzt leise. "Wieso hast du denn nicht eher gesagt, dass du Schmerzen hast?", "Weil ich unsicher war. Am Anfang war es wieder so ein Ziehen, dass ich es für normal hielt und dann saßen wir am Tisch und ich habe mich die ganze Zeit auf diese leichten Schmerzen konzentriert, dass ich nachher schon dachte, dass ich mich einfach reingesteigert habe. Aber dann bin ich mit Marco hochegangen, ich denke mal, dass das der Plazenta dann den Rest gegeben hat." Ihre Mama nickt sofort. "Das kann natürlich sein. Und unser Spaziergang vorher war dann ja wohl auch nicht sehr gut." Lia zuckt mit den Schultern und sieht dann zu mir hoch, während sie nach meiner Hand greift. "Ist bei dir alles gut?" Verwirrt sehe ich sie an. "Ich habe deinen Blick gesehen, Marco. Ich weiß ganz genau, woran zu gedacht hast." Ich schlucke schwer. "Ja, es war eine ziemlich ähnliche Situation, da kamen einfach Erinnerungen hoch. Tut mir leid, dass ich nicht voll und ganz bei dir war." Sie schüttelt ihren Kopf und deutet auf den Stuhl neben ihrem Bett, auf welchen ich mich dann setze. "Das muss dir nicht leid tun. Ich bin dir nur dankbar, dass du überhaupt gemerkt hast, dass etwas nicht stimmt.", "Ich habe es an deinem Blick gesehen. Du warst wie weggetreten, als wir am Tisch gesessen haben." Sie nickt wissend und verwebt unsere Finger. "Ist nur etwas blöd, dass du jetzt hier bleiben musst.", "Ich tue alles, um mein Baby am Leben zu erhalten.", "Das weiß ich.", erwidere ich sanft und küsse ihre Hand. "Aber was ist überhaupt 'ne Plazenta?" Lia und ihre Mama kichern kurz. "Die Plazenta versorgt das Baby über die Nabelschnur mit Nährstoffen und produziert die Schwangerschaftshormone. Das ist also der Mutterkuchen, vielleicht hast du das ja schon mal gehört." Ich nicke etwas. Elaine hat damals auch etwas in der Art erwähnt. "Und wenn sie sich löst, dann kann es sein, dass das Baby nicht mehr genug Sauerstoff bekommt und erstickt. In dem Fall hätte man dann einen Notkaiserschnitt machen müssen aber unser Baby wäre noch gar nicht überlebensfähig.", "Dann bleib bloß noch ein paar Wochen liegen.", versuche ich zu scherzen, was tatsächlich auch etwas klappt, denn Lia lacht. "Wir haben uns solche Sorgen gemacht, Kind. Du solltest uns nicht solch einen Schrecken einjagen, mein armes Herz.", beteiligt sich Hermann nun auch an der Unterhaltung. "Tut mir leid, Papa, das hatte ich so nicht geplant. Könnt ihr mir einen Gefallen tun und mir Sachen herbringen?", "Aber natürlich, Kind.", verspricht ihre Mama und lächelt. "Wieso kann ich das nicht machen?", "Weil meine Mama besser weiß, was ich alles brauche, als du es weißt." Ich schnaube. "Da hat sie recht, also los, Hermann, das Kind muss sich schließlich heute noch die Zähne putzen." Lia verdreht ihre Augen, schmunzelt aber leicht. Sie sieht müde aus und etwas blasser als sonst. Hoffen wir, dass das mit etwas Ruhe getan ist.
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