Chapter 24-Samantha

Die nächsten Tage waren anstrengend gewesen.
Ich war jeden Tag zu Alec ins Krankenhaus gefahren, auch als die Schule wieder begonnen hatte. Ich hatte ihm jeweils Kopien meiner Unterrichtsbeilagen gemacht, damit er nicht zu viel vom Stoff verpasste. Ich machte meine Hausaufgaben bei ihm und erzählte ihm, was in der Schule so ablief.
Zum Beispiel, dass seit sich Alecs Verletzungen herumgesprochen hatten, ich täglich von der halben Footballteam flankiert wurde. Zu meinem Schutz, wie Alec bestätigt hatte. Solange noch nicht alle Täter gefasst worden waren.
Das lenkte natürlich nur noch mehr Aufmerksamkeit auf mich, und davon hatte ich langsam aber sicher die Schnauze voll.
Auf meine Frage hin, wieso sie das täten, hatte Marco nur gemeint, dass es Ehrensache sei.
Cindy und die Mädels vom cheerleading hatten mich ebenfalls von allen Seiten her bemuttert und mich behandelt wie ihre Königin. Es fühlte sich nicht mehr so gut an wie zu Beginn. Aber gerade jetzt war es ganz angenehm, nicht alleine sein zu müssen.
Samantha kam die ersten Tage nicht zur Schule. Und dann tauchte sie ein oder zweimal auf, schien aber ganz in Gedanken zu sein und sah auch sonst nicht gut aus. Ich hätte mir Sorgen machen sollen und mit ihr reden sollen. Versuchen, Kontakt zu ihr aufzunehmen und die Leute davon abzuhalten, ihr die Bücher aus den Armen zu schlagen, einfach weil sie Spass darin hatten. Sie war in die Opferrolle gerutscht und die ganze Schule hatte das einfach akzeptiert und sie dementsprechend behandelt.
Ich hätte wirklich etwas tun sollen. Doch ich war mit der Schule und mit Alec so beschäftigt, dass ich Samantha einfach hinten anstellte.
Während meiner Zeit auf dem Stuhl neben Alecs Bett waren auch seine Eltern ab und zu vorbei gekommen. Seine Mutter war jedes Mal völlig aufgelöst und hatte sich um ihren armen Jungen gekümmert, während sein Vater nur jedes Mal mit den Ärzten diskutierte, ob er jetzt endlich entlassen werden konnte. Ich sah es Alec an, dass er froh war, jedes mal wenn sie sich mit vielen Küssen und Worten verabschiedet hatten und verschwunden waren. Ansonsten lernten wir viel zusammen, ab und zu kamen Felix und Marco vorbei, als Vertreter des ganzen Teams, das nicht zu Alec gelassen wurde. Zu viele Personen. Sie informierten ihn dann übers Training und wie sehr ihn alle vermissten. Er bekam sogar eine Gute-Besserung Karte, wo die Hälfte der Schule unterschrieben hatte. Das war Cindys Idee gewesen und er hatte sich echt gefreut.
Dann war die erleichternde Nachricht eingetroffen, dass alle fünf Täter nun gefasst worden war und sich in Untersuchungshaft befanden. Daraufhin war auch gleich die Polizei im Krankenhaus aufgetaucht.
Sie hatten Alec zum Vorfall und den Hintergründen befragt, wobei er etwa dasselbe aussagte wie ich vor einer Woche.
Danach hatten sie ihm die Gelegenheit geboten, Anzeige zu erstatten. Doch er hatte abgelehnt. Ich hatte es nicht fassen können und auch die Polizisten hatten sich mehrfach vergewissert, ob Alec das auch wirklich ernst meinte. Sie waren sogar ein zweites Mal wieder gekommen um sicherzustellen, dass er es sich gut überlegt hatte. Doch trotz meinen Überredungskünsten und meiner Wut auf die Männer, die das getan hatten, weigerte er sich, Anzeige zu erstatten. Er hatte lediglich darauf bestanden, dass ihnen mitgeteilt werden sollte, dass er auf eine Anzeige verzichtete. Schlussendlich wurden sie wieder freigelassen und die Polizei liess uns wieder in Ruhe. Das war mir mehr als genug Kontakt mit den Gesetzeshütern für eine ganze Weile gewesen.
Doch ich hatte es noch immer nicht verstanden.
Alec hatte es mir erklärt.
„Hätte ich sie angezeigt, hätten sich Freunde von ihnen dafür rächen wollen und der ganze Kreislauf hätte sich wiederholt. Glaub mir, ich weiss wie das läuft." ich hatte nicht verstanden, wieso er sie trotzdem ihrer Strafe entgehen lassen wollte.
„Für Barnets Bruder sind wir jetzt quitt. Er wird uns in Ruhe lassen. Ich bin mir sicher."
Ich hielt es noch immer für die falsche Entscheidung und jeden Abend schloss ich zweimal ab, nur um sicherzugehen, das er mich nicht auch noch aufsuchte, jetzt wo er wieder auf freiem Fuss war. Doch das passierte nicht. Zum Glück.
Und dann, am Ende der ersten Schulwoche war es soweit, dass Alec entlassen werden durfte.
Der Doktor hatte mir allerlei Dinge zu seinen Tabletten, dem Korsett für seine Rippe und der Anstrengung, die er auf sich nehmen durfte erklärt.
Ich hatte mir alles notiert und versprochen, dafür zu sorgen, dass sich Alec an die Vorschriften des Arztes hielt.
Jetzt lagen wir auf dem Sofa, das erste mal seit einer Weile und Alec strich sich über seinen Arm, der in einem fetten Verband steckte. Mitsamt Gips.
„Blöder Doktor."
Murmelte er.
„Diese Schonungsfrist brauche ich doch nicht. Ich muss trainieren, nicht einarmig Gewichte stemmen!"
Ich tippte ihm auf die Nase.
„Und genau deswegen hat der Arzt auch mir all das Zeug erzählt. Weil er wusste, dass du dich freiwillig ohnehin nicht daran halten würdest."
Er grinste breit und das bewies mir, dass ich Recht behielt.
„Du bist schlimm Paige. Eine echt schlimme Krankenpflegerin."
Ich lächelte und drückte seine gesunde Hand gegen meinen Busen.
„Sie es so. Wenn du brav bist, bekommst du danach ganz viel hiervon."
Seine Augen glitzerten verdächtig.
„Davon könnte ich auch jetzt schon was gebrauchen."
Murmelte er und ich schlug entschlossen seine Hand weg.
„Der Arzt hat gesagt zwei Wochen lang läuft nichts, bis deine Rippe wieder ganz ist. Danach braucht dein Arm zwar noch eine Weile, aber wir können es dann gerne versuchen."
Ich gluckste und Alec liess sich genervt nach hinten fallen.
„So ein Mist. Ich hasse diesen Arzt. Was hat er nur mit meiner Freundin gemacht."
Scherzte er halb ernst und ich musste kichern.
„Keine Angst. Ich laufe nicht weg."
Murmelte ich dann und kuschelte mich an ihn, während er mir einen Kuss auf die Lippen drückte.
„Das höre ich gerne. Ich wüsste nämlich nicht, was ich ohne dich anstellen sollte."
Ich lächelte und sagte nichts. Solche Worte musste man einfach einsaugen und für immer im Kopf speichern.
Dann schloss ich die Augen für einen Augenblick.
„Ich würde jetzt gerne weg von hier."
Murmelte ich dann und er strich mit den Fingern durch meine Haare. Ein schönes Gefühl, so zärtlich.
„Ha?"
Machte er nur. Ich seufzte und drehte mich in seinem Arm, sodass ich ihm ins Gesicht sehen konnte.
„Ich will weg von hier. Weg von der Schule, von den Menschen und aus dieser Stadt."
Alec grinste schief, auch wenn er mich immernoch nicht ganz verstand.
„Und wohin würdest du wollen, dass ich dich hin bringe?"
Ich lächelte verträumt und blickte aus dem Fenster hinter uns. Draussen war es dunkel und die Sterne glitzerten wie kleine Diamanten durch das Fenster. Sie waren so frei, so weit weg von all dem Hier. So wunderschön.
„Bring mich zu den Sternen."
Flüsterte ich und er lachte herzhaft.
„Ich liebe deine Fantasie, Bambi. Aber wieso?"
„Weil es da friedlich ist. Wir wären weit weg von alledem hier. Da wäre niemand mehr, der unser Leben versauen will oder uns weh tun will."
Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und er nickte ernst.
„Das wäre schön. Ja. Aber du musst dich nicht mehr sorgen, Paige. Ich passe auf dich auf und lasse nicht zu, dass du nochmals sowas erleben musst wie neulich."
Ich nickte nur und küsste ihn dann. Ein langer, unendlich gefühlsvoller Kuss, den wir beide brauchten. Dann blieben wir einfach liegen, bis lange in die Nacht hinein. Eng umschlungen und den Atem des anderen auf den Lippen spürend. Das war der schönste Weg, um einzuschlafen.

Die ersten Schulwochen vergingen und langsam gewöhnte ich mich wieder an den Ablauf, die Examen und die Fächer wie Chemie, mit denen ich absolut nichts anfangen konnte.
Alecs Rippe war unterdessen verheilt, sein Arm steckte noch immer in einem Gips. Trotzdem liess er es sich nicht nehmen, zu trainieren.
In jeder freier Sekunde. Mittags, wo ich ihm das Essen meistens ins Training brachte, im Sportunterricht, für den er eigentlich dispensiert war, und am Abend.
Jeden Abend nach der Schule trainierte er. Joggte, sprintete, versuchte seine Bein und Bauchmuskeln fit zu halten. Er traunierte sogar mit Hanteln. Obwohl ich ihm davon abriet, versuchte er es auch mit dem kaputten Arm. Mehrmals, bevor er einsah, dass es einfach noch zu früh war. Alec war unglaublich ehrgeizig.
Er wollte dieses Testspiel unbedingt spielen und er wollte das Stipendium.
Und dafür schuftete er härter als für die Schule und mich zusammen.
Zugegeben, die Wochen waren zuhause etwas einsamer für mich, da er meist erst spät am Abend vom Training zurück kam oder dann noch in der Werkstatt arbeiten musste. Aber ich würde es ihm so gönnen, wenn er es schaffen würde, das Stipendium zu ergattern. Und ich unterstützte ihn natürlich so gut es ging. Brachte ihm und den wenigen Mitspielern, die dasselbe durchzogen wie er, Abendessen in die Schule, weil ich genau wusste, dass er es sonst vergessen würde.
Er brauchte mich und mir war das durchaus bewusst. Und ich glaubte ihm auch.
Und so verging Tag für Tag und immer mehr bemerkte ich, wie sich die Muskeln an ihm ausprägten. Und immer bemerkte ich die Proteinshakes auf dem Tisch, im Bad einfach überall. Er liess sie einfach rum stehen. Bis ich ihm mal gehörig die Leviten gelesen hatte, dass ich nicht seine Putzfrau sei und er gefälligst hinter sich aufräumen sollte. Da hatte er es natürlich kapiert und mich sofort in sein Zimmer gebracht, um sich, wie er es nannte, angemessen bei mir zu entschuldigen.
Ja, es lief gut zwischen Alec und mir und die Schule sah das ebenso. Jeden Mittag wollten irgendwelche Mädels bei mir und Cindy am Tisch sitzen. Und jeden Mittag, wenn Alec doch mal Zeit für die Cafeteria hatte, starrten uns die Massen an, wenn wir nebeneinander sassen.
Ich erinnerte mich, dass ich und Samantha früher ebenso zu Footballspielern und deren Freundinnen gestarrt hatten. Und uns an ihre Plätze gewünscht hatten. Und jetzt sass ich tatsächlich da.
Neben Alec, ganz oben an der Spitze der Hackordnung.
Ab und zu suchte ich mit den Augen nach Samantha, doch sie tauchte immer weniger auf und schlussendlich sah ich sie gar nicht mehr.
Ich begann sogar mit dem Gedanke zu spielen, den Direktor nach ihr zu befragen und meine Bedenken zu ihrer Verfassung zu äussern.
Dann erinnerte ich mich aber das Fest nach dem Footballspiel, wo sie mir deutlich gemacht hatte, dass mich das nichts anging. Und das obwohl ich doch sah, wie scheisse die Menschen um sie herum sie behandelten.
Sie ging mir trotzdem nicht mehr aus dem Kopf. Und dann kam der Nachmittag.
Dieser eine, verfluchte Nachmittag.
Ich war zuhause, hatte Schule aus und war natürlich ohne Alec auf den Bus gegangen.
Cindy hatte mir zwar angeboten, mich zu fahren, aber ich war nicht gerne ein Schmarotzer, der sich von den reicheren Kids rum fahren liess. Das war mir einfach unangenehm. Gerade stand ich vor dem Spiegel und zupfte meine Augenbrauen. Die hatten es auch bitter nötig. Ich betrachtete meine Haare, die ich zu einem lockeren Dutt gebunden hatte und fuhr mir dann mit den Händen über die leicht gebräunte Haut. Ich war nicht hässlich, ich sah gut aus. Aber Alec sah besser aus. Und ich fragte mich, ob ich in den Augen der anderen überhaupt gut genug war. Klar, mir war bewusst, dass das eine Beziehung zwischen Alec und mir war, und dass niemand anderes da was mitzureden hatte. Aber trotzdem dachte ich manchmal über solche Dinge nach. Einfach weil so viele Augen täglich auf mir lasteten. Einfach nur weil ich Alecs Freundin war. Ich war froh, wenn ich dieses Jahr meinen Abschluss machte und dann für immer hier fortging. Mit Alec zusammen, natürlich. Mein surrendes Handy bewegte sich auf dem Badezimmerschrank neben mir hin und her.
Ich griff ganz nebenbei danach und überflog die Zeilen, die mir als Nachricht angezeigt wurden.
Dann zog sich eine tiefe Furche über meine Stirn.
„Wir müssen uns dringend treffen. Komm zum alten Güterbahnhof, sofort."
Samantha hatte mir das geschrieben und ich runzelte die Stirn. Dafür, dass sie mich komplett gemieden hatte, verwirrte mich diese Message schon etwas. Aber es schien dringend zu sein. Und auch wenn sich ein ungutes Gefühl in mit breit machte wusste ich, dass ich sofort dort hin gehen musste. Weil es Samantha war und ich sie trotz allem noch ein klein wenig lieb hatte. Auch wenn sie das vielleicht anders sah. Dass sie mir irgendetwas antun wollte oder irgendwelche Schläger mitgebracht hatte, traute ich ihr nicht zu. Auch wenn ich kurz daran dachte. Nach all dem, was mir schon passiert war, hätte es mich nicht verwundert. Aber nein, so war Samantha nicht.
Also stieg ich ich kurze Zeit später in den Bus und tuckerte im Schneckentempo in Richtung verlassener Güterbahnhof.
Dort hatte die Schule früher oft Partys gefeiert. Ein guter Ort.
Abgelegen, laute Musik störte niemanden.
Ich brauchte von der Bushaltestelle noch eine ganze Weile, bis ich unter dem Loch im alten Maschendrahtzaun schlüpfte und mich auf dem Gelände befand.
Ich blickte mich um. Es war scheisse heiss und die verlassenen Schienen, die sich überall durchzogen spiegelten die Hitze um ein tausendfaches. Die Luft flimmerte und die Büsche und alten, vollgesprayten Züge weiter hinten auf dem
Grossen Bahnhof, konnte ich fast nicht erkennen, so verschwommen waren sie. Die Lagerhallen vor mir waren gross und aus Ziegelsteinen gebaut. Der Putz war so sehr abgeblättert, dass man die ursprünglich graue Farbe der Gebäude nicht mehr erkannte. Jetzt waren sie rostrot.
Die Fenster waren grösstenteils eingeschlagen, einige spitze Zacken ragten noch aus den Fenstern. Einige Fenster waren auch mit einer Plane angeklebt. Wahrscheinlich wohnten dort Obdachlose, die sich vor dem kühlen Wind schützen wollten oder sowas.
Ich hob die Beine hoch, als ich die Schienen überquerte und auf einer Insel stehen blieb. Zwischen dem zerstückelten und bröckeligen Teer hatte sich Gras und kleine Blümchen breit gemacht. Etwas weiter weg konnte ich das Rauschen von Autos hören, aber hier war es ganz still. Nur einige Vögel zwitscherten und vor mir suchte eine Biene nach Nektar aus den kleinen Blüten.
Es war ganz schön unheimlich hier, wenn man ganz alleine hier war. Aber da sollte ja eigentlich auch noch Samantha sein. Nur war von ihr keine Spur zu sehen. Stattdessen entdeckte ich auf einmal Marco, der ähnlich verwirrt wie ich über die Gleise irrte.
Als er mich sah, winkte er mir zu. Doch an seinem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er auch nicht genau wusste, wieso er hier war. Merkwürdig, hatte Samantha ihm etwa auch eine Nachricht geschrieben? Wieso ihm?
Er kam auf mich zu gejoggt und hielt sichtlich verschwitzt neben mir an.
„Du auch hier?"
Fragte er dann und ich nickte.
„Wieso bist du hier?"
Er hielt mir sein Handy unter die Nase.
„Na weil mir Samantha geschrieben hat. Hat ganz schön abgefahren geklungen, da dachte ich ich komme besser mal hierher."
Ic nickte und kratzte mich am Kopf.
„Ja, merkwürdig. Mir hat sie dasselbe geschrieben."
„Und wo ist sie?"
Ich zuckte die Schultern und suchte den grossen Platz mit den Augen ab.
„Ich habe keine Ahnung." murmelte ich dann.
Hinter uns brachen trampelnd und fluchend zwei Personen durch den Zaun und klopften sich die Beine ab. Meine Brauen schossen hoch, als ich Felix und Cindy erkannte, die uns genauso entgeistert anstarrten wie sie uns.
„Paige? Was machst du denn hier? Und mit Marco!"
„Es ist nicht so wies aussieht, glaub mir."
Eilig hob ich abwehrend die Hände, bevor sie was falsches denken konnte.
„Lasst mich raten, ihr habt auch eine Nachricht von Samantha bekommen?"
Fragte Marco und Felix nickte nur, während Cindy seufzte.
„Jep. Ich wollte ja eigentlich nicht hin kommen aber Felix machte sich ja Sorgen."
Sie verdrehte die Augen und sah dann erschrocken zu Marco. Dieser hatte sie ebenfalls mit zusammen gekniffenen, neugierigen Augen angestarrt. Ach ja stimmte ja. Die beiden hatten vor einer Weile mal was laufen gehabt.
„Was machtest du überhaupt bei Felix?"
Cindy lief knallrot an und sie wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger.
„Ehm, wir haben abgehangen. Als Freunde und so."
Erklärte sie dann bemüht ruhig.
„Er erklärt mir Mathe und so."
Fügte sie hinzu und Marcos Miene entspannte sich, während Felix nur zu Boden starrte.
Das war auch eine merkwürdige Dreiecksbeziehung, wie mir schien.
„Paige?"
Ertönte dann eine Stimme hinter mir.
„Alec?"
Fragte ich perplex und er gesellte sich mit einem unheilvollen Gesichtsausdruck zu uns.
„Sagt nichts."
Murmelte er.
„Eine SMS von Samantha?"
Wir nickten alle und ich fröstelte. Langsam gefiel mir das Ganze nicht mehr so.
„Wo ist sie denn jetzt bitte? Wenn sie und schon hergerufen hat, wieso taucht sie denn nicht auf? Erlaubt sie sich einen dummen Scherz?"
Genervt blickte Cindy über ihre Schultern.
Alec blickte finster drein und ich bemerkte seinen unruhigen Blick.
„Was ist los?"
Flüsterte ich ihm leise zu, während sich die anderen drei vor uns gehörig aufregten.
Er war ganz verspannt.
„Das gefällt mir gar nicht, Paige. Wir sollten gehen."
Ich blinzelte verwirrt.
„Wieso?"
Er zuckte die Schultern.
„Ist nur so ein Gefühl. Aber fragst du dich nicht, wieso sie ausgerechnet uns, ausgerechnet hier zusammengerufen hat?"
Ich kaute auf meiner Lippe rum.
„Ja, doch. Schon, aber wir können doch nicht einfach wieder gehen."
Er nickte.
„Doch, sollten wir wirklich Paige."
Er griff nach meinem Arm um mich mit sich zu ziehen, doch ich entriss ihn ihm.
„Was ist los, klärst du mich jetzt bitte zuerst auf?"
Auf seine Geheimnistuerei konnte ich echt verzichten.
Er fuhr sich über die Stirn und blickte dann uns alle an.
„Wir sollten gehen, wirklich. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache."
Marco winkte ab.
„Was kann die uns schon anhaben?"
„Ja, genau. Sie weiss dass sie dran ist, wenn sie uns verarscht."
Meinte Cindy und verschränkte die Arme.
Ich seufzte.
„Ich denke nicht, dass sie das tut. Ich denke dass sie mit uns reden will. Und deshalb sollten wir auch hier bleiben."
Ich sah vielsagend zu Alec, der seinen Kiefer angespannt hatte und jetzt an mir vorbei sah. Hoch in die Luft.
Sein Blick war abgekühlt, beinahe nichts sagend geworden. Als hätte er alle Gefühle abgestellt.
„Ich sagte ja, wir hätten gehen sollen."
Mein Blick folgte seinem und ich hielt den Atem an.
Auf der abgesperrten Brücke über dem Bahnhof, wo die Züge früher verkehrten, stand Samantha. Ganz am Rand. Die Brücke war locker sieben, acht Meter über uns. Doch an ihrer wilden Lockenpracht erkannte ich sie sofort.
Die anderen blickten nun ebenfalls hoch, schienen aber nicht zu kapieren, was hier los war. Ich schon. Und es brachte das Blut in meinen Adern zu einem panischen Anstrom.
„Samantha. Komm da sofort runter."
Ich bewegte mich in die Mitte, sodass ich die Brücke und meine Exbeste Freundin, die gerade so am Rand balancierte gut sehen konnte.
„Nein. Ich habe euch was zu sagen."
Ich und Alec sahen uns an und wir wussten beide, dass wir jetzt irgendetwas tun mussten.
„Dann mach mal hinne, ich bin nicht umsonst hierher getrampt."
Schrie Cindy zu Samantha hoch und ich musste einige Male tief einatmen, bevor ich mein Mund dazu bekam, die Worte in meinem Kopf auszuspucken.
„Halt den Mund Cindy. Lass sie reden."
Diese hob nur pikiert die Hände.
„Fein, dann laufen wir jetzt eben alle nach Sams Pfeife."
Ich mahlte mit dem Kiefer und spürte, dass ich nicht mehr gut atmen konnte. Meine Lungen schienen sich zu verkrampfen wie der Rest von meinem Körper.
„Ihr alle habt dazu beigetragen, dass ich mich jetzt so fühle wie ich mich fühle. Nein, die ganze Schule hat dazu beigetragen."
Samantha lachte kurz trocken auf.
„Aber ihr wart die Schlimmsten von allen. Ihr habt mein Leben zerstört."
Ihre Stimme zitterte und die ersten Tränen rannen ihr übers Gesicht. Das war nicht Samantha da oben. Sie schien völlig aufgelöst und tappte auf dem Brückenrand mit sichtlich zitternden Beinen umher.
„Also sind wir jetzt her gekommen um uns von dir Vorwürfe anhören zu lassen? Ha, das kannst du vergessen."
Schnaubte Cindy. Mir reichte es.
„Cindy halt endlich den Rand! Siehst du nicht, dass das Abschiedsworte sind? Verdammt sie will sich umbringen."
Flüsterte ich ihr zwischen zusammen gebissenen Zähnen zu.
Ihre Augen weiteten sich.
„Sag mal Samantha spinnst du eigentlich? Noch eine dümmere Art von Aufmerksamsgeilheit gibts ja nicht! Komm sofort da runter!"
Blaffte sie das Mädchen mit dem Tränenüberströmten Gesicht an.
Scheisse verdammte.
„Nein, Sam. Du musst das nichts tun. Ich kenne dich doch, du bist eine Kämpfernatur."
Sie schwieg und auch wenn ich sie nur schlecht unter den blendenden Sonnenstrahlen erkennen konnte, fühlte ich ihren Blick auf mir.
„Bitte komm runter, Sam. Wir finden eine Lösung. Zusammen. Wie früher."
Ich versuchte, ruhig zu klingen, doch meine Stimme zitterte und brach mehrmals ab.
Sie schüttelte den Kopf, sodass die Locken umher flogen.
„Nichts ist mehr wie vorher. Und das wird es auch nie wieder werden."
„Aber das College ist nicht die Welt. Du kannst es wechseln, an eine andere Schule gehen, neu Anfangen. Du hast noch so viele Dinge vor dir."
Dinge, die sie aber gerade nicht zu sehen schien. Ich verstand nicht, was in ihrem Kopf vorging. Und das sah sie auch so.
„Du hast ja keine Ahnung wie es ist, auf dieser Schule gemobbt zu werden. Wenn du rein kommst und als erstes deine Bücher auf dem Boden verteilt werden! Wenn du im Klassenzimmer keinen Platz findest, weil niemand neben dir sitzen will. Wenn dein Gesicht an der Wandtafel hängt, völlig verunstaltet von dummen Footballspielern. Und wenn du auf dem Klo weinen gehst, dann lauern dort schon die Cheerleader und leeren dir den Müll vom Mittagessen über den Kopf. All dieser Spot, dieser Hass ich kann das einfach nicht mehr."
Ihre Stimme klang ehrlich verzweifelt und ich hatte mir die Hand vor den Mund geschoben. Das war krass, das meiste davon hatte ich gar nie mitbekommen. Cindys betretenem Blick zufolge, sie aber schon.
„Das reicht mir jetzt. Ich rufe die Polizei."
Alec zog sein Handy hervor doch Samantha schrie ein schrilles „Nein", zu uns.
„Ich bin noch nicht fertig mit reden. Wenn du sie anrufst...dann springe ich."
Mein Blick wanderte zu Alec und ich schüttelte nur stumm den Kopf.
„So eine Scheisse."
Fluchte dieser leise und mit fliegendem Atem sah ich wieder zu Samantha hoch.
„Okay. Wir rufen sie nicht an. Wir legen jetzt alle die Handys vor uns auf den Boden. Rede weiter, aber bitte spring nicht."
Ich war nicht sicher, ob sie Notiz von meinen Worten genommen hatte. Aber die anderen taten eilig, was ich ihnen gesagt hatte. Wir mussten jetzt einfach dafür sorgen, dass Samantha sich in keiner Weise mehr bedroht fühlte.
„Du, Marco, bist hier weil du meine Schwäche ausgenutzt hast. Du hast gesehen wie mies es mir ging und mich ausgenutzt, mir das Gefühl gegenen dass es einen Menschen gab, der nicht gegen mich war. Und dann hast du mich einfach fallen lassen, vor allen anderen Fottballspielern."
Sie spuckte die Worte förmlich aus und ich blickte zu Marco, der die Lippen zusammen gepresst hatte und sich am Nacken kratzte. Das wusste ich ja. Ich hatte es gesehen. Doch sie hatte gesagt sie wolle das ich verschwinde. Ich hätte nicht auf sie hören sollen. Ich hätte ihr trotzdem helfen sollen. Ich war doch so dumm.
„Und du Felix, du stehst für all diese scheiss Mitläufer, die an dieser Schule mein Leben zur Hölle gemacht haben! Ihr wusstet alle nicht einmal wieso ihr mich nicht mehr mochtet! Ihr hattet einfach Spass daran, ein Mädchen zum Weinen zu bringen, das euch nie was getan hat."
Felix Hände zitterten, als er sie verschränkte.
„Ich weiss, es war so falsch es tut mir leid Samantha."
Ich war mir nicht sicher, ob er laut genug gesprochen hatte, damit sie ihn gehört hatte.
Denn sie ging einfach weiter.
„Cindy. Du warst vielleicht meine schlimmste Mobberin. Du hast es genossen, die Mädels aus dem Cheereo-Team anzuführen, in eurem Feldzug gegen mich. Weisst du eigentlich, dass ich nicht mehr zur Schule kam wegen dir? Hast du es überhaupt bemerkt? Oder warst du zu beschäftigt damit, den nächsten Müll zusammen zu sammeln und mich damit zu bewerfen und dann Fotos zu machen? Sie auf Instagram stellen und mich zu erniedrigen?"
Cindy sah betreten zu Boden und knabberte an ihren Nägeln, als wären sie Popcorn.
Ich hatte nie gewusst, dass Cindy sowas getan hatte. Aber ich hätte es merken sollen. Ich war sprachlos über diese Grausamkeit, die die Schule Samantha entgegen gebracht hatte.
„Alec. Du warst der Anfang von meinem Untergang. Ich weiss dass ich nicht oft ernste Absichten mit Männern hatte. Aber bei dir schon. Ich hatte mir echte Hoffnungen gemacht. Und du hast mit mir gespielt, ohne mir einfach klar zu sagen woran ich bin. Auch wenn du es nie gemerkt hast, hast du mein Herz gebrochen."
Ich sah zu Alec, der nur stumm und mit einem wütenden Blick zu Samantha hoch sah.
„Und dann bist da noch du, Paige. Du warst die Schlimmste von allen. Du hast mir das von dir und Alec wochenlang verheimlicht. Ich musste es durch ein scheiss Foto erfahren!"
Jetzt weinte sie, es war herzzereissend.
Auch mir stiegen die Tränen in die Augen.
„Dann hast du mich vor der ganzen Schule eine Schlampe genannt. Und danach hast du dich einfach abgewandt und zugesehen, wie mein Leben zur Hölle wurde. Du hast die Unschuldige gespielt, dabei wusstest du die ganze Zeit, was mit mir passierte. Und du hast bloss deine neue Beliebtheit genossen! Und mir verdammt nochmal nicht geholfen!"
Ihre Stimme war schrill und ich hatte die Hand zum Mund geführt und die Tränen rannen mir darüber.
Dann sagte sie nichts mehr und mir lief es kalt den Rücken hinunter. Sie hatte mit uns allen abgerechnet. Dafür war sie hierhergekommen, und wenn sie jetzt aufhörte zu reden, dann hiess das...nein, ich konnte das nicht zulassen. Irgendetwas musste ich tun!
„Ich weiss, es war so falsch von mir, es tut mir so leid Samantha. Aber du darfst nicht aufgeben. Bitte, wir finden eine Lösung aber du musst jetzt vom Rand zurück treten."
„Ich will nicht mehr, ich will das alles nicht mehr."
Sagte sie nur und schluchzte.
„Okay, das hört jetzt auf, ich verspreche es dir! Ich komme jetzt hoch zu dir, umarme dich und danach hört all das auf!"
Schrie ich zu ihr hoch und zitterte am ganzen Körper.
„Ich..."
Flüsterte Samantha und ich schluchzte leise. Ich hatte sie fast soweit. Ich dufte einfach nicht aufhören zu reden, weil ich fürchtete, dass sie dann sprang.
„Okay, ich komme jetzt sofort hoch, zu dir Samantha. Und dann helfe ich dir. Ich verspreche es."
Ich wollte los laufen, an den anderen vorbei.
„Nein, ich will nicht mehr. Ich will nicht, dass du hoch kommst."
Kreischte Samantha dann und Alec packte mich, um mich zurück zu halten. Ich wehrte mich und versuchte, von ihm los zu kommen.
„Nein, Samantha bitte tu das nicht. Sam, bitte."
Stiess ich zwischen zwei Schluchzern hervor. Ich bekam keine Antwort. Aber in diesem Moment wurde alles um mich herum plötzlich ganz leise.
Die Autos waren nicht mehr zu hören, die Vögel stoppten mit ihrem Gesang und die Insekten hörten auf, zu brummen. Es war alles ganz leise, als sich Samanthas und mein Blick trafen. Für eine Sekunde sahen wir uns einfach nur an.
„Nein", hauchte ich.
Und dann sprang sie.

Keine Sorge! Das hier wird jetzt keine Verbrecher Geschichte oder so, falls ihr das befürchtet habt, ihr müsst nur umblättern, um weiterzulesen!
Und jetzt freue ich mich auf eure Kommis, was passiert jetzt wohl?
Ich freue mich auch darauf, noch viel mehr von Alecs und Paiges Leben zu erzählen und hoffe, ihr bleibt dabei und seid weiterhin so aufmerksame und tolle Leser angora77

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