Chapter 11-Und alles ging kaputt

Kurz wurde mit heiss und kalt zugleich. Fieberhaft überlegte ich. Was konnte ich tun? Sie davon abzuhalten, irgendwie von dem Bild zu erfahren, war ja wohl ziemlich unmöglich. Sam wusste alles über jeden. Das war ihre Gabe. Sie würde es also früher oder später rausfinden, daran hatte ich keinen Zweifel. Wenn sie es nicht selbst sah, würde es ihr irgendwer anders erzählen oder ihr das Foto weiterleiten. Ich war göttlich am Arsch. „Fuck." ich raufte mir die Haare. Es gab keine andere Möglichkeit, ich musste versuchen, es ihr selbst zu erklären, bevor mir irgend eine Klatsch Tante zuvor kam. Ich musste mit meiner besten Freundin reden und darauf hoffen, dass sie mir ausnahmsweise mal lange genüg zuhörte, um meine Sicht zu verstehen.
Ich riss die Türe vom Klo auf und stolperte raus. Bauchschmerzen machten sich in meinem Unterleib breit, wie immer, wenn ich gestresst, nervös oder ängstlich war.
Sofort trafen mich die Blicke wir Laserstrahlen. Gerne hätte ich mich wieder im Klo versteckt, um den lästernden und tuschelnden Menschen um mich zu entkommen.
Stattdessen rannte ich durch den Gang, drängelte mich ziemlich achtlos für meine Verhältnisse zwischen Schultern und Schultaschen hindurch, mithilfe von Hüfte und Ellbogen. Ich vermied jeglichen Augenkontakt und hoffte so sehr, dass das alles nur ein Traum war, aus dem ich gleich aufwachen würde.
All diese Aufmerksamkeit war schrecklich und noch schlimmer war meine Angst, zu erfahren, wie Sam und Alec darauf reagierten. Eine breitbusige junge Frau quetschte sich neben mit durch die Menge und rüttelte hellauf begeistert an meiner Schulter.
„Oh mein Gott! Habe ich dich gefunden. Ist es Zeit euch zu gratulieren? Ihr zwei? Hätte ich echt nicht erwartet."
Kreischte eine laute Stimme in mein Ohr.
Oh nein, Cindy. Nicht schon wieder.
„Cindy hör zu das kommt alles ganz falsch rüber.."
Sie wollte gar nicht zuhören. Sie wollte nur den Klatsch und Tratsch von mir bestätigt haben.
„Du musst mir erzählen, wie du das angestellt hast, Paige! So eine graus Maus, und dennoch hast du es faustdick hinter den Ohren!"
Grinste sie und wiederholte ihre Aussage von unserem Telefonat. Als ich nicht antwortete, stupste sie mich von der Seite an.
So eine Scheisse!
Ich sah Sam, direkt einige Meter vor mir an ihrem Schliessfach stehen.
„Sorry Cindy, ich muss los."
Murmelte ich und liess die verwirrte Blondine hinter mir zurück, während ich mich die letzten Meter zu Sam durchkämpfte.
„Sam!"
Kam es aus meinem Mund und ich schaffte es geradeso, noch vor ihr anzuhalten, ohne voll gegen sie zu rennen.
Ihre Hand, die gerade ein Buch in den Spint gestellt hatte, erstarrte und sie bewegte sich nicht.
Dann fuhr sie zu mir herum, ihre Haare peitschten gegen meine Wange, so nahe stand ich bei ihr.
„Du..."
Ihre Stimme zitterte und ich konnte eine riesige Wut in ihren Augen glitzern sehen. So ein verdammter Mist.
Ich hob die Hände.
„Lass mich das erklären Sam. Wir sind nicht zusammen, wir sind kein Paar..."
Sie unterbrach mich laut, sodass bereits die ersten Schaulustigen stehen blieben. Zum Teufel mir der High-School.
„Aber du hast ihn geküsst, oder?"
Ich leckte mir unruhig über die Lippen.
„Ja, habe ich, und ich mag ihn auch wirklich, aber es gibt einen Grund wieso wir es dir nicht gesagt haben..."
Sie lachte verächtlich und ein ganz neuer, eisiger Gesichtsausdruck erschien.
„Du hast ihn mir einfach ausgespannt, gib es doch einfach zu! Du wusstest genau, dass ich auf ihn stehe! Und da du einfach eifersüchtig bist auf mich, weil ich eben Jungs abbekomme und du nicht, musstest du ihn mir unbedingt wegnehmen, oder?"
Mir blieb der Mund offen stehen.
„Wie bitte?"
Fragte ich leise.
„Weisst du was Paige, du bist einfach eine Schlampe! Dass du mir so in den Rücken fällst, hätte ich nie erwartet."
Die Worte trafen mich wie eine Ohrfeige und ein Raunen ging durch die Menge, die unterdessen ganz still geworden war.
Das war zu viel des Guten gewesen. In meinen Ohren klingelte es und Wut ballte sich in meinem Bauch zusammen wie ein Geschwür. Jetzt reichte es. Ich hatte die Nase gründlich voll.
„Ich soll eine Schlampe sein, Sam? Ich?"
Jetzt wurde ich ebenfalls lauter und ballte die Hände zu Fäusten. Ich war kurz davor zu explodieren und sah nur noch rot.
„Ja! Eine, die ihrer Besten Freundin den Schwarm ausspannt!"
Keifte sie und ich hob einen Finger.
„Jetzt reichts mir, Samantha. Weisst du, wie viele Jahre ich dich jetzt schon von Partys heim schleppe und auf dich aufpasse, wenn du dich wieder mal abschiessen musst?"
Knurrte ich ausser mir und einige Schaulustige zückten die Handys, um das aufzunehmen. Sollten sie doch, mir egal. Sams Augenbrauen zuckten.
„Und wie oft ich die Typen am Morgen aus unserer Wohnung werfen muss, die du vögelst? Und ich soll die Schlampe sein? Ich Sam, wirklich?"
Ich lachte ironisch, konnte den Spott in meiner Stimme nicht zurückhalten und richtete mich gerade auf, um ihr einigermassen in die Augen sehen zu können.
„Ich war immer deine Freundin, ich habe immer zu dir gehalten, egal was du angestellt hast! Du konntest immer zu deinem reichen Daddy rennen, wenn wieder mal irgendwas passiert ist, aber wem hast du nie gedankt? Mir, Sam, mir!"
Ich tippte erbost auf meine Brust, meine Stimme war hoch und schrill geworden. Jetzt war ich genauso sehr zu einer Drama-Queen geworden wie die restlichen Mädchen hier. Schade.
„Paige.."
Wollte sie ansetzten, ihr Gesicht wirkte plötzlich total verunsichert. Natürlich, sie hatte ja nicht erwartet, dass ich mich jemals gegen ihre Scheisse wehren würde. Aber ich hatte genug davon, von ihr rum geschubst zu werden. Keine Ahnung, wieso ich das so lange ausgehalten hatte und willig davor die Augen verschlossen hatte.
„Nein, Sam. Nein! Weisst du, ich wollte dir das von Alec und mir nicht erzählen, weil ich dich nicht verletzen wollte! Weil ich ihn zuerst kennen lernen wollte und ich wusste, dass du ihn magst und ein fucking schlechtes Gewissen hatte! Doch das hätte ich nicht tun sollen. Denn weisst du, was die Wahrheit ist?"
Schrie ich sie an und bemerkte all die Schüler um uns herum gar nicht mehr. Sie verschwammen zu einer grossen, beigen Masse.
Oh, wie lange brannte ich schon darauf, es ihr endlich mal an den Kopf zu werfen. Und jetzt tat ich es wirklich. Ich hätte mir das selbst nie zugetraut, es war also nicht erstaunlich, dass sie genauso überrascht von dem Schwall an Worten war, der aus mir heraus strömte.
Ich sah Tränen in ihre Augen treten, doch jetzt war es mir ehrlich egal. Sie hatte mich eine Schlampe nennen müssen, und zwar vor der ganzen Schule. Das hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich hatte lang genug die Nebenrolle in ihrem Film gespielt, jetzt reichte es mir. Und deswegen sagte ich das, von dem ich wusste, dass es ihr am meisten weh tun würde.
„Alec wollte nie was von dir! Er hatte deine billige Masche von Anfangs an durchschaut! Ich war also nicht schuld daran, dass es zwischen euch nicht gefunkt hat. Er mochte dich einfach nicht, Sam. Ganz einfach."
Ich atmete nach meinem Redeschwall tief ein und starrte sie an, genauso geschockt von meinen Worten wie sie. Trotzdem bereute ich es nicht. Schliesslich war es die Wahrheit.
Sams Unterlippe zitterte.
„Du bist so eine falsche Schlange..."
Wimmerte sie leise, dass nur ich es verstand und dann verdeckte sie mit dem Arm ihr Gesicht und drängte sich an mir vorbei.
Ich drehte mich um und beobachtete, wie sie sich laut schluchzend durch die Menge drängte, die ihr mit ihren Handys ganz begeistert folgten.
Ich starrte die Jungs und Mädels an, die nun tuschelnd den Fokus wieder mich lenkten, als Sam sich irgendwo verkrochen hatte.
Ich stand nur da, unsicher, was ich jetzt tun sollte.
Dann trat Cindy mit zwei anderen Cheerleadern aus der Menge hervor und stolzierte auf mich zu. Mit einem äussert liebenswürdigen Lächeln auf den aufgespritzten Lippen.
„Wow, einfach Wow, Paige."
Meinte sie laut genug, dass es auch ja jeder hören konnte.
„Du hast endlich die Prinzessin vom Thron gestossen. Wurde ja auch Zeit."
Ihre beiden Jüngerinnen gaben ein synchrones und zustimmendes „Mhm" von sich.
„Und ich denke..."
Sie fuhr meine Schulter vielsagend entlang.
„Dass es Zeit wird, dass du jetzt den Thron an dich nimmst."
Blinzelte sie unschuldig.
„Was?"
Ich begriff nicht, worauf sie hinaus wollte.
Ich hatte gerade das restliche bisschen Freundschaft zwischen Sam und mir kaputt gemacht und wusste nicht, ob das gut war oder nicht. Ich musste jetzt nicht in Cindys Pläne für ihren eigenen Erfolg an dieser Schule mit rein gezogen werden.
Ich war Paige, die immer schön unauffällig durch die Schule kam und keine Probleme hatte. Die diese Art Leben echt mochte.
„Na ist doch klar. Alec ist der angesagteste Junge der Schule und der neue alte Quarterback. Und du bist seine Freundin? Das war bereits bei Monik so und jetzt bist eben du die neue Königin der Newton High."
Sie wackelte mir den Brauen, während sie sich vorgebeugt hatte und mir die Worte ins Ohr flüsterte. Als hätte sie gerade meine Krönung feierlich vorgenommen.
„Und wir sind deine Freundinnen."
Sie klatschte begeistert in die Hände und ich starrte sie entgeistert an. War das ihr Ernst? Funktionierte für die blonde Barbiepuppe das Leben wirklich so? War es für sie so einfach? Eine Monarchie regiert die Senior High School und jeder fügte sich eben so rein? Nein danke.
„Ehm, Cindy, ich und Alec sind nicht zusammen, wir..."
Sie schüttelte mit verdrehten Augen den Kopf.
„Schon klar, ihr wollt unbedingt alles geheim halten, aber ich denke dafür ist es jetzt zu spät."
Kicherte sie vielsagend und betrachtete das Foto von mir und Alec auf ihrem Bildschirm. Gerne hätte ich ihr mit verzweifelten Gesten und viel herum Geschrei erklärt, dass ich wirklich nicht mit Alec zusammen war. Und auch, dass es nicht sonderlich hilfreich war, was sie gerade abzog. Doch ich kam nicht dazu, denn auf einmal drehte sich die gesamte Menge um, als wären sie Katzen, die mit dem Blick einem neuen Lichtstrahl folgten. Ich getraute mich zwar beinahe nicht, wandte dann aber ebenfalls den Kopf zur Seite. Durch die Menge konnte ich Alec erkenne. Er trug seine Lederjacke, den Rucksack liess er über den Boden schleifen, sein Kiefer war angespannt und sein Blick war...wütend. Sehr wütend und er traf genau auf mich. Oh, oh. Ich rührte mich nicht von der Stelle, konnte ich auch nicht. Ich war viel zu verschreckt davon, wie gefährlich er plötzlich wirkte, als er so aggressiv auf mich zu stapfte. "Wir müssen reden." Meinte er nur knapp, bevor er mich auch schon am Arm packte und hinter sich her, ins nächste, leere Klassenzimmer zog. Dann schloss er, vor en neugierigen Nasen der Schüler, die uns wie Schafe gefolgt waren, die Türe und drehte sich abrupt und aufgebracht zu mir um. "Was soll der Scheiss, Paige?" Ich blinzelte verständnislos. "Was soll was? Ich war genauso geschockt von dem Foto wie du!" Er kniff die Augen zusammen. „Natürlich."
Fassunglos machte ich einen Schritt auf ihn zu und deutete auf mich selbst. „Moment. Denkst du etwa, dass ich das Foto herum geschickt habe?" Fragte ich mit aufgerissenen Augen. Er tigerte vor mir auf und ab, rieb sich die Knöchel an den Fäusten, als ob er jeden Moment zuschlagen würde. "Ja, um ehrlich zu sein schon. Und das obwohl ich dir gesagt habe, dass ich es langsam angehen will. Es richtig machen." Ich schnaubte. Hatte er jetzt auch noch seinen Verstand verloren?
"Und was sollte ich bitte für einen Grund haben, das Foto rum zu schicken? Ich war doch genauso der Meinung, es zuerst mal geheim zu halten, bis wir uns besser kennen? wie du! Ich dachte, ich hätte das klar gestellt!"
Er fuhr sich fahrig durch die Haare.
„Keine Ahnung, vielleicht wolltest du es auch einfach mal allen zeigen. Dass du was mit dem Quarterback der Schule hast und keine Graue Maus bist, was weiss ich."
Angepisst machte er eine wegwerfende Handbewegung.
Wow, okay. Das hatte weh getan.
Ich hatte nicht gewusst, dass er mich auch so sah.
Tränen stiegen mir in die Augen, obwohl ich so sehr dagegen anzukämpfen versuchte. Mein Bauch tat weh und verkrampfte sich. Alecs Blick traf den meine und als er erkannte, dass seine Worte ins Schwarze getroffen hatten, trat ein anderer Ausdruck in seine Augen.
„Paige so habe ich das nicht gemeint..." Begann er, doch ich hob nur die Hände und lachte rau. Meine Kehle fühlte sich staubtrocken an. Ich hatte die Schnauze voll, dass alle immer der Meinung waren, mich wir Scheisse behandeln zu können, und dass ich nach einigen netten Worten wieder einknickte. Das war vielleicht so gewesen, aber damit war ich jetzt ein für alle Mal durch.
„Nein, schon klar Alec", zischte ich, „Ich hab mich ja grade bloss wegen diesem dummen Foto mit meiner besten Freundin zerstritten. Wieso auch nicht, natürlich habe ich irgendwen angeheuert, um uns zu fotografieren. Da ich ja nur auf deinen Fame geil bin. Ich, die graue Maus, die ja sonst niemand bemerken würde."
Abscheu trat in meine Augen. Dass er sowas sagen würde, hätte ich von ihm erwartet. Dass er manchmal Mühe mit seiner Selbstkontrolle hatte, das wusste ich. Trotzdem war das keine Entschuldigung, so mit mir zu reden.
Er hätte stattdessen einfach nur fragen können, ob ich es war und dann hätten wir geredet.
Aber dass er mich beschuldigen musste, zeigte mir, was er wohl wirklich von mir dachte.
„Paige, lassen wir uns von dieser ganzen Scheisse hier nicht beeinflussen, okay?"
Meine Brauen schossen hoch.
„Lass uns einfach weiter machen wie zuvor. Unser Ding durchziehen. Wir sind nicht zusammen, aber wir lernen uns kennen. Das muss die Schule einfach akzeptieren. Es tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe. Beim Gedanken, dass dieses beschissene Foto alles zwischen uns kaputt machen könnte..."
Ich lächelte ihn eisig an. "Keine Sorge. Die Schule wird das, was zwischen uns ist nicht kaputt machen. Das hast du auch prima selbst hinbekommen."
Trotz meiner verräterischen zitternden Lippe hob ich den Kopf.
„Keine Angst, die graue Maus wird nicht mehr versuchen, dich zu küssen oder auch nur zu umarmen. Darauf kannst du Gift nehmen!" Schrie ich ihn an und spürte eine Träne, heiss meine Wange runter laufen. Scheisse, was war ich doch für eine Heulsuse.
Ich drehte den Kopf weg von ihm und wischte mir die Träne weg.
„Paige...", ich konnte Reue in seiner Stimme hören. Zu gerne hätte ich mich jetzt in seine Arme geworfen, seinen Duft eingeatmet und einfach seine Nähe genossen. Aber dafür war ich einfach zu stolz. Wenn er mich wirklich so sah, und das tat er, sonst hätte er es nicht laut ausgesprochen, dann musste ich ihn auch gar nicht kennen lernen. Denn dann sah er eine völlig falsche Person in mir.
„Ich muss jetzt in die Klasse, Alec. Such dir eine andere graue Maus, die dich vergöttern kann." Murmelte ich leise und lief dann mit gesenktem Kopf an ihm vorbei, die Haare verdeckten mein Gesicht. Ich riss die Türe auf und zu meinem Glück hatte der Unterricht begonnen und nur wenige verspätete Schüler wurden Zeuge meiner Tränen. Wie peinlich und erbärmlich.
Ich schlich mich möglichst unauffällig in mein Klassenzimmer und setzte mich zusammengekauert an meinen Platz. Was für ein Scheiss Tag. Gleich zwei Menschen, die eine so wichtige Rolle in meinem Leben spielten, hatte ich vergrault. Gut gemacht Paige. Ich würde todsicher irgendwann alleine sterben.

Den Rest des Tages verbrachte ich damit, Alec auszuweichen der immer wieder meine Nähe und ein Gespräch zu suchen schien. Und die Blicke der neugierigen Meute zu meiden. An die zehn Mädels sprachen mich allein bis am Mittag auf Alec an. Und sie alle sagten, wie sehr sie mich beneideten und wie viel Glück sie mir wünschten. Aus unerklärlichen Gründen, schleimten sich plötzlich alle bei mir ein. Ich war ziemlich sicher, dass Cindy und ihre Thronrede dahinter steckten. Irgendwann gab ich es auf, zu bestreiten dass Alec und ich zusammen war und schwieg nur noch. Super. Jetzt dachte die ganze Schule, dass wir ein Paar waren. Dabei konnten wir uns ab jetzt nicht mal mehr in die Augen sehen.
Als es endlich Abend war, war es eine Erleichterung, aus der Schule zu eilen. Alleine, ohne Alec, geschwiege denn Sam. Nur Cindy rief mir nach und eilte mir hinterher. Nicht schon wider. Wie eine lästige Klette.
„Paige warte doch, wieso bist du denn nicht bei Alec?" Fragte sie ausser Puste und stöckelte neben mir her. In Sachen Kleidung erinnerte sie mich sehr an Sam. "Was willst du, Cindy?" Früher hatte sie sich auch nie gross für mich interessiert. Eigentlich gar nicht. Und jetzt, wo sie das mit Alec gehört hatte, plötzlich schon? Darauf konnte ich gut verzichten. Aus sowas entstanden keine echten Freundschaften.
„Naja ich wollte fragen, ob wir mal zusammen abhängen können. Ich meine wir sind beides Cheerleader und du bist jetzt gewissermassen auch belieb, also ja..." Sie klatschte begeistert in die Hände. "Und ich fand dich ja schon immer mega nett!" Fügte sie hinzu. Ich schnaubte. Das bezweifelte ich stark. "Ich bin nicht beliebt, Cindy. Und das will ich auch gar nicht. Ich bin dieselbe wie letzte Woche und wie vor einem Jahr. Es hat sich absolut nix geändert."
Sie seufzte.
„Hach Paige, so bescheiden." Ich rollte mit den Augen. Die Frau hatte vielleicht Nerven. Felix kam uns entgegen, die schmächtigen Schultern hochgezogen, als wolle er seinen Kopf dazwischen verstecken. Er mied meinen Blick und starrte stattdessen Cindy überaus verträumt an. "H...Hallo Cindy."
Er hob die Hand zögernd und lächelte sie mit seinem grossen, freundlichen Mund an.
Sie verzog nur angeekelt die Lippen und ignorierte ihn. Er blieb wortlos hinter uns stehen. "Was der im Football-Team zu suchen hat, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft."
Wow, ich war erstaunt dass ihr Wortschatz dieses Wort umfasste.
„So schmächtig und unsicher wie der ist."
Ich lächelte nur über ihr Geplapper und war froh über den Themawechsel. Wir liefen weiter auf den Parkplatz zu. Cindy nahm nie die den Zug. Sie hatte ihr eigenes Auto. Mit pinken Felgen. "Ich denke, er steht voll auf dich."
Meinte ich belustigt. Sie zuckte nur die Schultern. "Ich weiss, das tun viele., Aber er wäre absolut der letzte, den ich hier ran lassen würde."
Sie deutet an ihrem schön geformten Körper hinunter. Ich verzog das Gesicht zu einem bemühten Lächeln, auch wenn ich minimal schockiert war von ihrer Arroganz. "Wie dem auch sei, Süsse, soll ich dich mitnehmen?" Fragte sie und öffnete ihr Auto auf der Fahrerseite. Ich hob die Brauen.
„Wirklich? Liegt das denn auf dem Weg?"
Fragte ich zögernd, auch wenn es sehr verlockend war, heute mal nicht einen Tag in dem verschwitzten Zug verbringen zu müssen.
„Na klar doch, Liebes, und selbst wenn nicht. Freundinnen tun solche Dinge füreinander. Und wir sind jetzt doch Freundinnen oder?"
Mit grossen Hundeaugen sah sie mich an und ich blinzelte perplex. Verdammt stelle sich mein schulisches Leben gerade auf den Kopf. Und wieso konnte ich mir das bisschen Luxus, dass sich mir gerade bot nicht einfach annehmen? Andere würden da nicht zweimal überleben.
Also tat ich es auch nicht.
"Ja. Klar. Sind wir." Meinte ich lächelnd und halbherzig ehrlich. Sie quietschte erfreut und stieg ein. Ich öffnete die Türe und bemerkte Sam, die mit gesenktem Kopf Richtung Tram stapfte. Ich sah sie an und sie sah mich an. Aus dieser Entfernung konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber dennoch schmerzte mein Herz. Sie drehte sich weg. Ich stieg ein und schloss die Türe. Dann fuhren wir an Sam vorbei.

Ich kam erst nach Sam und Alec nach Hause. Eigentlich hätte ich ja viel schneller sein sollen. Aber Cindy hatte nicht locker gelassen, bis ich mit ihr noch einen Cheesecake essen gegangen war. Und dann waren noch andere Cheerleader hinzugekommen, die ich bis jetzt nur durch ihren Namen kannte. Ich auf der Ersatzbank hatte nie ihre Aufmerksamkeit genossen und war auch recht froh darum gewesen. Sie waren laut, unsngenehm und strohdumm. Ein wandelndes Klischee, zu dem ich wohl auch gehörte. Und jetzt waren sie alle ganz wild darauf, mich näher kennen zu lernen und meine Haare, meine Augen, einfach alles an mir zu loben.
Die letzte Schulwoche vor den Sommerferien, und so musste sie beginnen.
Super Sache.
Nein, eher nicht.
Wie auch immer, als ich endlich den Schlüssel im Schloss drehte und in die Wohnung trat, erwartete mich Chaos.
Sam hatte zwei Koffer auf dem Boden ausgebreitet und versuchte ihre Kleider, Plüschtiere und andere Sachen rein zu stopfen. Ich hob nur eine Braue und blickte dann zu Alec, der locker am Rahmen der Küchentür lehnte und das alles mit einer Cola in der Hand beobachtete. Dann nahm er schlürfend einen Schluck.
"Ich hole den Rest später mal ab, ich brauch bei Daddy das ganze Zeug sowieso nicht." Fauchte Sam mich an, ohne mich anzusehen.
„Ehm, okay." Machte ich nur.
Sie wollte also ausziehen, wenn ich diese Szenerie richtig erkannt hatte.
Klar, das war ein Problem. Wegen der Miete und so. Trotzdem war ein ziemlich grosser und irrationaler Teil von mir war überaus erleichtert, dass sie ging.
„Dann kann ja jetzt Alec mein Zimmer haben, ihr wolltet mich ja sowieso los werden."
Schniefte sie halb wütend oder traurig. Ich schluckte. Der Gedanke, dass sie wirklich dachte, dass ich das hatte erreichen wollen, bildete sich ein Kloss in meinem Hals.
„Das stimmt nicht Sam, das weisst du." Sie zuckte mit den Schultern und schloss die vollen Koffer. "Ist jetzt ja auch scheiss egal. Dank dir hält mich die ganze Schule für eine Schlampe, und dann noch für eine, die den Jungen, den sie wollte, nicht bekommen hat."
Sie lachte leicht hysterisch.
„Mein Ruf ist am Arsch!"
Alec blickte sie wenig beeindruckt an.
„Das Top hast du vergessen", meinte er und wies auf ein rotes Stück Stoff, das an der Couch hinunter hing.
Sam blitzte ihn wütend an und schnappte es sich, um es dann auch noch in den zum bersten vollen Koffer zu stecken.
„Es tut mir leid, ich wollte das nicht, Sam. Ehrlich. Aber du hast all die Dinge getan, die ich gesagt habe. Es war nur die Wahrheit. Mich als Schlampe zu bezeichnen, war es hingegen nicht." Sie rupfte die Koffer hoch und stapfte an mir vorbei durch die Türe.
Dann blieb sie nochmals stehen und blickte mich giftig an.
„Ich hoffe du geniesst die Zeit mit deinen neuen Freundinnen. Geniess es, solange es anhält. Er wird dich irgendwann auch weg werfen, und dann bist du wieder ein Nichts."
Ich ballte die Hände zu Fäusten und verbarg, wie sehr mich ihre Worte trafen. Ich setzte ein süffisantes Lächeln auf und lehnte mich an die Türe. "Ich war noch nie ein Nichts. Ich habe dir nur immer das ganze Rampenlicht überlassen, weil es mir einfach nicht wichtig war. Aber ich denke, ohne dich wird es mir besser gehen." Dachte ich eigentlich nicht wirklich, aber was solls. Dann schlug ich die Türe hinter ihr zu.

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