XXVI. Flucht
Maggi|| Müde und ziemlich gerädert, steige ich aus dem Bus und halte Ausschau nach Trevor. Der Busbahnhof von Phoenix ist brechend voll und es fällt mir schwer mich hier überhaupt richtig zu orientieren.
Als ich erst einen lauten Pfiff und dann meinen Namen höre bleibe ich orientierungslos stehen, lasse mich von einer Seite zur anderen Seite schubsen und bin erleichtert, als ich den Bruder meines Vaters endlich entdecke. Ich kämpfe mich durch das gewusel und bin froh als mich mein Onkel in die Arme schließt.
Es ist nun etwas mehr als anderthalb Jahre her, fast sogar zwei Jahre, seit ich das letzte Mal bei ihm im Cle Elum war. Zu dem Zeitpunkt ist Leo bei einer meiner Schichten in seiner, nun ehemaligen, Bar aufgeschlagen.
In den letzten Monaten war bei uns beiden so verdammt viel los, dass wir lediglich mittels Telefonaten in Kontakt geblieben sind. Dabei ist er, die einzig wirkliche Familie die mir noch bleibt - wenn man von meinem Freunden absieht. Früher habe ich immer zu ihm auf gesehen, denn der Bruder meines Vaters ist gerade Mal neun Jahre älter als ich. Zwischen uns herrschte immer mehr ein Geschwisterliches Verhältnis, als das eines Onkels und seiner Nichte.
Gezwungenermaßen habe ich in meinen letzten zwei High School Jahre bei ihm gewohnt und bin ihm wirklich dankbar dafür, dass er mich zu einen bei sich aufgenommen und sich um mich gekümmert hat und zum anderen mir die Chance ermöglicht hat, in San Diego zu studieren. Er war vor allem in der ersten Zeit eine ziemliche stütze, weswegen mein schlechtes Gewissen, das wir den Kontakt so haben schleifen lassen schon ziemlich groß ist.
Vor zehn Wochen, ist er der liebe wegen nach Phoenix gezogen - daher ist ein Besuch längst überflüssig und war auch, wenn noch nicht konkret, geplant. Seine Freundin habe ich erst einmal gesehen, als ich ihn das letzte Mal besucht habe. Ich hab sie auf anhieb gemocht und fande es auch sehr lieb von ihr, uns ihr Ferienhauses in Solana Beach für ein paar Tage zu überlassen.
Nach den Kuss, welchen ich zwischen Sawyer und Abby beobachtet habe, war mir einfach danach zu verschwinden und ich musste auch gar nicht lange darüber nachdenken wohin es mich verschlägt. Ich brauche einfach Mal ein paar Tage für mich und habe gerade auch einfach keine Lust, mich mit Sawyer auseinander zu setzten - mir seine Erklärungen oder Entschuldigungen anzuhören. Genauso wenig Lust habe ich, mich nun mit Leoni zu befassen, der mittlerweile sicherlich klar sein wir, dass definitiv mehr als nur Freundschaft zwischen ihrem Bruder und mir ist. Oder Lust auf Sam und seinen neunmal klugen Ratschlägen, weshalb ich nicht nur die Anrufe von Sawyer ignoriere.
"Bist du okay?", will Trevor von mir wissen. Wortlos zucke ich mit den Schultern und merke wie sich meine Augen mit tränen füllen. Es ist schon die ganze Fahrt so. "Ich dachte mir schon das irgendwas los sei, als du angerufen hast.", gibt er von sich und macht keine Anstalt seine Umarmung zu lösen, worüber ich aktuelle ziemlich froh bin. "Na los, lass uns von hier Verschwinden. Du bist sicherlich hungrig nach der langen fahrt.", höre ich ihn sagen, nachdem er mir ein Kuss auf die Schläfe gedrückt hat.
"Ist das dein einziges Gepäck?" Etwas verlegen nicke ich. Da ich mir ziemlich sicher war, das Sawyer sicherlich nicht lange brauchen wird um mir zu folgen, bin ich mit meinem Fahrrad lediglich bis zu meinem Auto gefahren, habe die Übernachtungstasche für alle Fälle rausgeholt und bin dann direkt weiter zum Busbahnhof. Ein kurzen Augenblick hatte ich drüber nachgedacht, dass ich die Strecke vielleicht sogar selbst fahre, habe mich dann aber ziemlich schnell dagegen entschieden. Sechs Stunden reine fahrt können ziemlich lang sein, gerade alleine und im Dunkeln. Selbst nach der sieben stündigen Busreise bin ich kaputt und gerädert, allerdings bin ich nicht Mal Ansatzweise zur Ruhe gekommen - vom schlafen Mal ganz abgesehen.
"Hast du Hunger? Ich lade dich zum Frühstücken ein und du erzählst mir was los ist." Wortkarg schüttel ich den Kopf. "Ich glaube ich bekomme nichts runter, aber ein großen Kaffee würde ich nehmen.", antworte ich ihm. Trevor runzelt die Stirn, nickt dann aber kommentarlos und führt mich zum Auto, nachdem er mir meine Tasche abgenommen hat.
Schweigend fahren wir los und halten nach einer ganz kurzen Zeit schon wieder. "Bleib sitzen, ich hole kurz den besten Kaffee der Stadt und etwas zum Frühstück und dann geht's direkt weiter.", informiert er mich und steigt aus, ohne auf eine Antwort von mir zu warten. Seufzend schließe ich kurz die Augen.
Es dauert tatsächlich nicht lange, bis mein Onkel wieder zurück ist, zwei Tüten auf dem Rücksitz legt und mir zwei große Becher reich. "Der große blaue Becher ist für dich. Milchkaffee mit Karamell - ich hoffe du magst es immer noch so süß." "Jor, wobei ohne Zucker und mit herber Schokosauce trinke ich ihm mittlerweile auch.", lasse ich ihn wissen. "Na immerhin.", gibt er etwas belustigt von sich. "Was ist mit Lila? Hast du für sie kein Kaffee geholt? Sie mag es doch eigentlich auch ziemlich süß.", will ich von ihm wissen. "Sie hat gestern bei einer Freundin übernachtet und kommt wahrscheinlich heute gegen Mittag Heim.", antwortet er mir. "Sie weiß das ich da bin?", hake ich nach. "Natürlich. Sie stand gestern, als du angerufen hast, neben mir und wollte ihre Verabredung eigentlich Absagen, aber ich meinte, dass es dir sicherlich nichts ausmacht, wenn ihr beide euch erst gegen Mittag seht." "Ich wollte eure ganzen Pläne nicht durcheinander bringen.", lasse ich ihn leise wissen. "Hast du nicht. Ich bin morgens um kurz nach sechs eh meistens schon wach und..." - er stockt als ich ihn mit hochgezogen Augenbrauen anschaue. Er arbeitet mindestens drei Mal die Woche bis Nachts um zwei. "Okay, Okay, meine Nacht war ziemlich kurz, aber ich freue mich umso mehr, dass du hier bis - ganz gleich welcher Grund deine plötzliche Flucht von Zuhause ist.", räumt er nun ein, startet den Wagen und fährt los.
Eine dreitiviel Stunde später, sind wir bei ihm und Lila Zuhause. Sie wohnen ein wenig außerhalb von Phoenix. Trevor hat mir kurz mein Zimmer und das restliche Haus gezeigt, bevor ich nur kurz im Badezimmer war und mich nun mit meinem Kaffeebecher zu ihm in den kleinen Garten geselle, und wow die beiden haben sich hier wirklich eine kleine Wohlfühloase hergerichtet. Innen wie außen passt alles aufeinander abgestimmt zueinander.
"Ihr habt es hier echt schön.", gebe ich leise von mir und lasse mich neben ihm auf die Hollywoodschauckel fallen. "Danke. Das Haus hat Lilas Großmutter gehört. Als ich hierher gezogen bin, haben wir ein wenig renoviert und modernisiert und es zu unserem Zuhause gemacht.", erzählt er mir. Ich nicke. "Du meintest ja schon, ihr hättet hier renoviert, aber eigentlich hatte ich gedacht ihr habt ein paar Fliesen ausgetauscht und nicht das ihr ein paar Wände rausgerissen und neu versetzt habt.", gebe ich von mir. "Traust du mir das etwa nicht zu?" Ich ziehe die Augenbrauen hoch und schüttel lachend den Kopf. "Nein, eigentlich nicht." "Na danke!", höre ich ihn, ebenfalls lachend. "Irgendwie gerechtfertigt und ja wir hatten viel Hilfe. Wirklich sehr viel Hilfe."
Ich trinke ein Schluck von meinem Kaffee und kann
es mir sehr gut vorstellen. Ein wirklicher Handwerker war mein Onkel noch nie.
"Willst du mir erzählen, was dich aus San Diego vertrieben hat?", will Trevor vorsichtig von mir wissen. "Warum glaubst du das mich irgendwas vertrieben hat. Vielleicht wollte ich einfach den Plan umsetzen, dich und Lila endlich zu besuchen.", antworte ich ihm. Er beißt ihn sein gerade ausgepaktes Brötchen. "Ich bin der letzte der sich da beschweren würde, aber du hast gestern ganz kurzfristig angerufen und gefragt ob du herkommen kannst, sofort. Hast den letzten Bus nach Phoenix genommen und bist dann die ganze Nacht gefahren." Ich zupfen an einem Faden des Rückenkissens.
"Sawyer hat jemand andern geküsst oder sich von ihr küssen lassen - wie auch immer.", gebe ich leise und seufzend von mir. "Tut mir Leid.", höre ich ihn sagen und nicke. "Danke, aber du hast nicht mit deiner Exfreundin geknutscht oder dich von ihr Küssen lassen, wenn man Sawyers Worte glauben kann.", gebe ich von mir. "Ihr habt schon drüber gesprochen und trotzdem...." - "Nein, haben wir nicht. Saw hat ungefähr vier Millionen Mal in den letzten Stunden angerufen. Davon mindestens zwei Millionen Mal auf meine Mailbox gequatscht und tausende von Nachrichten geschrieben.", unterbreche ich ihn. "Ich nehme Mal an, du hast alle Anrufe und Nachrichten ignoriert." "Nein, nicht alle Nachtrichten, sonst wüsste ich ja nicht, dass es von ihr aus ging, oder das es Sawyer zumindes behauptet." "Glaubst du ihm nicht?", hakt Trevor nach und erhält ein Schultern zucken zur Antwort. Wie gerne würde ich jetzt Doch, na klar glaube ich ihm sagen, aber nach den letzten Tagen und Wochen in denen sie bei ihm und den anderen beiden gewohnt hat, bin ich mir nicht mehr so sicher. Zu oft stand sie an erster Stelle....
"Lila und ich haben so lange eine Fernbeziehung geführt, sowas funktioniert nur wenn die Partnerschaft aus vertrauen besteht. Das gilt für jede Beziehung." Ich nicke. "Ich weiß. Hättest du mich vor ein paar Wochen gefragt, hätte ich dir auch eine andere Antwort gegeben.", lasse ich ihn wissen. "Was ist passiert?" "Seine Exfreundin?"
Überrascht schaut er mich an. "Sie ist vor etwa drei Wochen bei ihm und seinen Mitbewohnern eingezogen und stand auf seiner Prioritäten Liste vor mir.", erzähle ich ihm. Trevor zieht eine Augenbraue hoch. "Okay Maggi schieß ihn ab, ganz gleich ob der Kuss von ihr aus ging oder von ihm, wenn du ihm nicht wichtiger bist als sie, ist er auch nicht der richtige!", fordert er von mir und hört sich dabei wirklich ernst an. "So einfach ist das nicht.", werfe ich ein. "Wieso? Bist du Schwanger?" Ich schaue ihn mir großen Augen an. "Nein, natürlich nicht! So meine ich das auch gar nicht.", antworte ich ihm direkt. "Okay, wohnen tut ihr auch nicht zusammen, dass hättest du mir längst erzählt. Also was ist es dann? Arbeitet ihr zusammen?" Ich runzle dir Stirn, was hat das denn damit zu tun?
"Ja, er ist mein Chef, ab...." - "Maggi!", unterbricht er mich. "Was? Das ist doch überhaupt nicht der Punkt.", gebe ich Schulter zuckend von mir. "Sondern?" Ich schaue ihn an und zucke mit den Schultern. "Er ist nicht allein Schuld. Ich bin genauso dafür verantwortlich.", antworte ich ihm und sehe wie er mit den Kopf schüttelt "Wir haben unsere Beziehung so kompliziert gehalten. Bis gestern Abend wusste quasi niemand von unserer Beziehung. Außer Sam. Und April. Und vielleicht Woods, sein bester Freund, aber sonst niemand. Weder seine Schwester, die eine gute Freundin von mir ist, noch irgendwer anderes aus unserem Freundeskreis. Alles zwischen uns war ein riesen Geheimnis."
"Wollte er das so?" Ich schüttel den Kopf, als plötzlich eine dünne schwarze Katze zu uns auf die Hollywoodschauckel springt. Trevor kommentiert das ganze, mit das ist Flauschi. Ich bin ziemlich überrascht, als der Fellknäuel sich bloß einmal kurz von ihrem Herrchen über den Kopf streicheln lässt, bevor sie an meiner Hose schnuppert und dann beschließt, dass mein Schoß ein guter Schlafplatz zu sein scheint. Schnurrend dreht sie sich einmal, bevor sie mich mit einem leisen mautzen auffordert sie zu streicheln. "Sie streunert hier im Garten immer mal wieder herum. Lila füttert sie hier draußen zweimal am Tag und manchmal kommt sie auch ins Haus, wenn die Tür auf ist, aber sie dreht durch, wenn diese geschlossen wird ohne das man sie raus gelassen hat. Wenn wir hier draußen sitzen ist sie aber sehr anhänglich und schmuse bedürftig.", erzählt er mir. "Also gehört sie euch gar nicht?", frage ich ihn und sehe wie er mit den Schultern zuckt. "So halb halb. Wir fühlen uns beide irgendwie für sie verantwortlich, dass Halsband ist auch von uns und den Tierarzt bezahlen wir auch regelmäßig, damit er sie impft, aber sie entscheidet
wie weit wir drei zusammen rücken." "Sehr lieb von euch."
"Ich weiß, aber jetzt noch Mal zurück, zu Sawyer und dir.", fordert er von mir. "Wir beide wollten diese Heimlichtuerei, aber ich war das eine oder andere Mal die führende Kraft da hinter. Seine Schwester, hat Mal erwähnt, dass sie es gar nicht gut fände, wenn ihr Bruder mit einer Freundin von ihr.... Naja jedenfalls wollten wir nicht, dass sie sauer auf uns ist.", versuche ich nun weiter zu erklären, während ich automatisch die Katze streichle. "Das ist Blödsinn. Wenn sie ein Problem mit euch hat, ist es ihr Problem. Nicht deins und auch nicht das von Sawyer.", entgegnet er. "Sie ist mir ziemlich wichtig und ihrem Bruder sowieso.", kommentiere ich. "Okay, das zeigt nur, dass du eine gute Freundin bist und er ein guter Bruder. Wenn sie nur eine halbe so gute Freundin ist wie du....." - "Ist sie!", unterbreche ich meinen Onkel. "Sie würde mich im allem unterstützen und immer hinter mir stehen und.....", ich stocke, weil mir gerade bewusst wird, was ich da gesagt habe und runzle die Stirn. "Okay, siehst du. Ich bin mit ziemlich sicher, dass sie überhaupt kein Problem gewesen wäre. Vielleicht hätte sie ihre bedenken geäußert, was ist wenn ihr euch Mal trennen solltet. Vielleicht wäre sie auch ein paar Tage rum gerannt und hätte lautstark verkündet, wie scheiße sie es findet, aber sie hätte es mit Sicherheit sehr schnell akzeptiert.", versichert er mir. "Und das sage ich, ohne sie zu kennen.", setzt er nach und vielleicht hat er Recht. Vielleicht hätten wir meine Freundin schon viel früher einweihen sollen. Vielleicht wären wir dann gar nicht in dieser Situation.
"Der Rat kommt leider ziemlich spät."
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