«6»

Schon das zweite mal in Folge, wache ich mit extremen Kopfschmerzen auf. Als ich die Augen öffne und mich in unserem Zimmer umschaue, muss ich feststellen, dass es leer ist.

Kein Wunder, ich wurde auch nicht mit mir abhängen wollen. In der einen Sekunde, bin ich total gut gelaunt und kaum lässt man mich mal alleine, betrinke ich mich und hätte mich wahrscheinlich auf diesem Typen eingelassen, wenn Woods nicht gekommen wäre.

Mir ist das ganze nicht nur ultra unangenehm und peinlich, der Schmerz, den ich noch gestern mit Alkohol betäuben wollte, kehrt schlagartig zurück und eine Welle von Tränen bahnt sich den Weg nach draußen an. Ich lehne mich an die Wand, an der das Bett steht, und ziehe meine Beine an meinem Körper. Die Tränen werden immer mehr und ich kann mich einfach nur über mich selber wundern, denn eigentlich bin ich nicht so eine große Heulsuse. Dennoch muss ich ehrlich zugeben, dass es in den letzten Tagen einfach zu viel war.

Es ist ja nicht nur die Tatsache, dass Logan mich ausgerechnet mit Alice betrogen hat, sondern einfach auch, dass mir grade jetzt Klar wird, dass wir oder eher ich die letzten Wochen einfach nicht Glücklich war.

Vielleicht ging es Logan genauso und er war einfach nicht Mutig genug es zuzugeben.

Vielleicht lag es aber auch an mir, vielleicht hätte ich einfach mehr auf die Beziehung eingehen sollen.

Vielleicht hätte ich ein wenig Begeisterung zeigen sollen, wenn wir zu diesen doofen Veranstaltungen gegangen sind.

Vielleicht hätte ich einfach mehr Interesse zeigen sollen.

Als die Türe auf geht und Woods das Zimmer betritt sieht er mich überrascht an, stellt die Tüte hastig auf dem Boden und kommt auf mich zu, nachdem er mit seinem Fuß die Türe geschlossen hat. "Na komm her.", fordert er von mir, als er sich auf mein Bett setzt. Da ich keine Anstalt mache, seiner Aufforderung nachzugehen, setzt er sich einfach ebenfalls an die Wand und nimmt mich ohne zu zögern in den Arm. Irgendetwas löst es in mir aus, denn statt mich zu beruhigen, laufen immer mehr Tränen und ich fange an zu schlutzen. "Hey es ist alles gut.", versucht er mich zu beruhigen und streicht mir immer wieder beruhigend über den Rücken.

Ich habe keine Ahnung wie viel Zeit vergangen ist, aber so langsam habe ich mich beruhigt. Woods hat mich einfach festgehalten und mir immer und immer wieder beruhigend über den Rücken gestreichelt. Langsam richte ich mich auf und habe das Gefühl, dass mir jeder einzelne Knochen weh tut. "Tut mir Leid.", gebe ich von mir und streiche meine Haare aus meinem Gesicht. "Leo...." - "Nein lass stecken. Ich gehe eben duschen und dann können wir von mir aus los.", unterbreche ich ihn, denn das letzte was ich jetzt will, ist mit irgendwem über das eben zu reden.

Schnell nehme ich mir aus meiner Einkaufstüte von gestern, neue Sachen heraus und verschwinde ins Badezimmer. Bevor ich die Türe schließe, schaue ich den besten Freund meines Bruders noch mal an. "Danke Woods für eben und auch für gestern.", gebe ich noch von mit, ehe ich die Türe schließe und verriegel.

Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass ich echt schrecklich aussehe, weshalb ich schnell meine Sachen ausziehe und unter die kalte Dusche springe. Ich habe keine Ahnung was grade in mich gefahren ist, dass ich so hysterisch und hemmungslos geflennt habe. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, ist es mir Woods gegenüber richtig unangenehme, nicht nur weil ich einfach normalerweise nicht der Typ bin, der vor anderen so sehr in ein Loch fällt, wie es grade passiert ist.

Frisch geduscht verlasse ich das Bedezimmer und stecke die altem Klamotten in die zweite Tüte. "Geht's dir jetzt besser?", will Woods von mit wissen. "Ja.", gebe ich kurz von mir. "Ich denke wir sollten dann auch los, eigentlich wolltest du ja schon um neun von hier aufbrechen." Ich schnappe mir die beiden Tüten und will grade zur Tür raus als mich Woods stimme aufhält. "Was ist mit Frühstück? Du hast heute noch nichts gegessen und ich denke mal gestern Abend auch nicht." Ich schüttel denk Kopf. "Danke, aber ich habe überhaupt keinen Hunger.", lehne ich ab und verlasse das Zimmer.

Zehn Minuten später sitzen wir in Woods Auto und verlassen die Kleinstadt. "Hast du die Truhe eigentlich verkauft bekommen?", frage ich ihn und lehne mein Kopf gegen die Scheibe. "Ja, der Typ hat allerdings ziemlich auf sich warten lassen und dann wusste er nicht so gerecht ob es die richtige ist, weswegen wir zu seiner Schwester fahren mussten und diese musste dann erst mal in einigen Unterlagen nachschauen ob es die richtige ist. Es war also alles ein ziemliches hin und her.", erzählt er mir. "Tut mir Leid, aber wenigstens bist du sie nun los.", gebe ich von mir und schließe die Augen.

"Du kannst da ja überhaupt nichts für. Mir tut es Leid, dass ich dich so lange allein gelassen habe.", erwidert er. "Du kannst so lange weg bleiben wie du willst, du bist immerhin nicht mein Kindermädchen.", kontere ich etwas zickig.

"Aber du hast doch gestern anscheinend jemanden gebraucht, sonst hättest du dich ja wohl nicht betrunken." Ich runzle die Stirn und öffne die Augen um ihn im nächsten Moment anzuschauen. "Ich war in bester Gesellschaft." "Ach ja? Also hätte ich dich mit dem Typen mitgehen lassen sollen? War es das was du wolltest?", will er nun bissig von mir wissen. "Nein.", antworte ich ohne groß drüber nach zu denken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es spätestens jetzt bereut hätte. "Dafür habe ich mich bedankt, falls du mir zugehört hast."

"Ja habe ich, dass ist es ja was ich nicht verstehe. Gestern Mittag war doch noch alles in Ordnung." "Gestern Mittag hatte ich auch noch die perfekte Ablenkung. Ich habe als du weg warst einfach zu viel Zeit zum Nachdenken gehabt." "Ich hatte mich schon ein wenig gewundert. Als meine beste Freundin die letzte Trennung durchgemacht hat, war sie einfach nur ein Häufchen Elend. Sie hat echt ewig gebraucht, bevor sie sich wieder berapelt hat. Bei dir hatte ich Teilweise das Gefühl, dir würde das ganze überhaupt nichts ausmachen.", lässt er mich wissen. "Hast du eine Ahnung. Ich bin einfach nicht jemand die oft offen ihre Gefühle zeigt. Manchmal kommt es bei den Leuten einfach nicht gut an Gefühle offen zu zeigen.", erkläre ich ihm. "Wenn du von Leuten redest, redest du dann hauptsächlich von Logan und deiner Mutter?", will er von mir wissen. Ich beiße mir auf die Lippen, denn er hat total ins Schwarze getroffen.

Meine Mutter hasst es generell, wenn zu viele Gefühle gezeigt werden - man macht sich so angreifbar, ist ihre Meinung und vielleicht hat sie sogar recht. Bei Logan musste ich immer aufpassen, dass er das alles nicht falsch versteht, außerdem hat er es ebenfalls gehasst Tränen zu sehen, sie seien ein Zeichen von schwäche und er hat es nicht so mit schwachen Leuten.

"Also habe ich recht.", stellt Woods ernüchternd fest. Himmel der Kerl muss mich ja mittlerweile für total steuerbar halten.... "Leoni hör zu, ich bin weder deine Mutter noch Logan. Und auch wenn wir uns erst ein paar Tage kennen, habe ich kein Problem damit, wenn du vor mir heulst, schreist oder einfach schweigst. Schon gar nicht musst du dich bei mir deshalb entschuldigen.", versichert er mir. "Okay." "Wenn du drüber reden willst, höre ich dir gerne zu."

"Sei mir nicht böse, aber ich glaube das gestern reichte mir erst einmal. Am liebsten, würde ich einfach einen Knopf betätigen und das ganze vergessen.", erwidere ich. "Sich zu betrinken, ist allerdings auch keine Lösung.", tadelt er mich. "Ich weiß. Schlimm ist vor allem, dass es schon zwei Mal in drei Tagen passiert ist. Eigentlich stehe ich nicht so auf Alkohol."

Ich sehe wie er eine Augenbraue hoch zieht, allerdings keinen weiteren Kommentar von sich gibt.

"Eigentlich sollte ich doch froh sein ihn los zu sein oder?", frage ich. "Natürlich. Nicht nur, weil er dich betrogen hat, sondern weil er dich anscheinend auch etwas verbogen hat. So hört es sich zu mindestens nach deinen und Sawyers Erzählungen an.", gibt er von sich. "Ja du hast absolut recht." "Na also. Dann versuch den Typen zu vergessen und denk ausnahmsweise mal an dich. Ich weiß, dass es schwer ist - aber du schaffst das schon.", ermutigt er mich und drückt meine Schulter.

"Du hast leicht reden. Können wir vielleicht in der nächsten Stadt irgendwo halten, wo ich ein neues Handy bekomme?", will ich von ihm wissen. "Natürlich, dass ist der perfekte Schritt, an dich selber zu denken. Sawyer wird sich freuen, dass du mal wieder erreichbar ist.", antwortet er mir.

"Na das hat ja dann sehr viel damit zu tun, etwas für mich selber zu tun.", kontere ich. "Ja natürlich, immerhin kannst du dann auch immer wenn du willst deinen Bruder anrufen.", erklärt er mir. "Wow." Grinsend schüttel ich den Kopf. "Hey, dass du heute noch lächelst, hätte ich nicht für möglich gehalten.", bemerkt er. Ich verdrehe die Augen. "Ist doch gut, mir tut ja Leid mit heute Morgen."

"Nein so meinte ich das nicht. Ich habe doch gesagt, dass du dich dafür nicht entschuldigen brauchst." "Ich weiß.", gebe ich von mir. "Kommt da nun noch ein aber?", will er von mir wissen. "Ja: aber mir ist es unangenehm vor fremden oder überhaupt Gefühle zu zeigen. Es zeigt das man schwach ist.", gebe ich von mir. "Ja ich weiß was du meinst."

Ich runzle die Stirn. "Ehrlich?" "Ja natürlich. Jeder ist mal an einem Punkt, an dem man seine Gefühle schwer kontrollieren kann, aber alles muss irgendwann mal raus sonst platzt man.", gibt er von sich und hat ein Hauch von Traurigkeit in seiner Stimme. "Klingt als hättest du Erfahrung.", stelle ich fest. "Stimmt, aber sei mir nicht böse, wenn ich dir jetzt sage, dass ich grade nicht drüber sprechen will. Vielleicht ein anderes Mal.", gibt er von sich. "Klar, ist überhaupt nicht schlimm, aber du redest von dem Zeitpunkt an dem deine Eltern gestorben sind oder?", will ich doch noch neugierig von ihm wissen. Ich beobachte seine Reaktion und bin mir ziemlich sicher, dass ich einfache Klappe hätte halten sollen, denn er umklammert das Lenkrad, so doll das ich echt Angst habe, er bricht es gleich auseinander. "Schon gut, vergiss die Frage einfach. Tut mir Leid.", gebe ich schnell von mir. "Ich erzähle es dir vielleicht ein anderes Mal okay, aber nicht jetzt. Vor allem nicht während der Autofahrt." "Nein musst du nicht, ist wirklich schön okay."

"Was hältst du davon, wenn wir das Thema auf etwas anderem lenken? Etwas was nicht so trüb ist?", schlägt Woods vor.

"Ja ich glaube, das klingt ganz gut."

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