Kämpfen

Kapitel 39

Luna

Luna hatte Liebeskummer, aber es war eher Selbsthass, der sie auffraß als Selbstmitleid. Denn an diesem Punkt war sie schließlich schon mal gewesen und das hätte ihr Warnung genug sein sollen.

„Das ist deine Schuld", maulte sie schlecht gelaunt, während Veronika im Krankenbett lag und auf ihrem Zeichenblock herumkritzelte. Luna saß auf einem Stuhl daneben und hatte ihren Kopf frustriert auf der Matratze abgelegt und funkelte V von unten böse an. Ihre Worte hatte sie natürlich nicht ernst gemeint und das wusste ihre Mitbewohnerin auch, es tat nur gut so herumblödeln, lenkte sie ab während sie sich gleichzeitig mit dem Thema auseinandersetzte.

„Ich hab dir gesagt, dass du nicht so viel Eis essen sollst, weil du sonst Bauchschmerzen bekommst", grinste Lunas Freundin, obwohl sie genau wusste, dass Luna das nicht gemeint hatte. Es ging nicht um das sau leckere Bechereis, das ihr auf Wunsch gebracht worden war. Dieser Service war eigentlich nur für stinkreiche Patienten die sich hier aufhielten, aber da Veronika anscheinend genau das war, nutzte Luna das schamlos in Veronikas Namen aus. Sie fand es immer noch unfassbar, dass V mit ihr zusammen in dieser WG lebte, obwohl sie so viel Geld besaß und alles andere als abgehoben war. Sie war eine Berühmtheit, jetzt noch viel mehr. Der Angriff auf sie hatte ihrer Kunst weitere Aufmerksamkeit eingebracht und die Bilderpreise zu einem Rekordhoch getrieben. Veronika selbst nahm es mit einem Schulterzucken hin und hatte ihren Manager sogar dazu angehalten, diese Sache nicht ausschlachten zu lassen. Ihr ging es um ihre Kunst, aber selbst in der Presse aufzutauchen, mit Gesicht und Charakter, war ihr dann nicht geheuer. Vor allem nicht nach dieser Sache mit ihrem Stalker.

Der Mann war ein Fan gewesen, ein Manager, der sogar einige Bilder von ihr erworben hatte und irgendwie dem Irrglauben erlag, Veronika hätte sich und ihn in dieser erotischen Szene zusammen gemalt. Als Zeichen, dass sie ihn wollte. Als sie ihm erklärte, dass sie mit Absicht die Gesichter lediglich im Schatten hielt, damit jeder denjenigen sehen konnte, denn er wollte, war er dann ausgerastet. Luna hatte sich in den letzten Tagen viel mit ihren Bildern beschäftigt. Veronika war wirklich begnadet und die Art wie sie die die Gesichter im Trüben ließen und man dennoch alles zu erkennen glaubte, war einfach unfassbar. Es war eine optische Täuschung und Luna war entsetzt als sie glaubte auf einigen Bildern Cole oder Zed zu erkennen, weil ihr Verstand ihr das einredete. Es klappte. Selbst bei Leuten die um diese Illusion wussten und genau das schien ihre Bilder so begehrt zu machen.

Psychisch gesehen, schien Veronika den Vorfall gut zu verarbeiten. Sie lächelte seit dem Moment, in dem sie aufgewacht war, als wäre nichts gewesen, allerdings war sie stinkwütend auf diesen Mistkerl, was dann wohl normal war. Eingeschüchtert oder gar ängstlich zu sein, gehörte wohl nicht zu ihrem Temperament. Zudem beschwerte sie sich darüber, dass die Narben an ihren Handgelenken wohl bleiben würden und ab jetzt jeder glaubte, sie hätte versucht sich umzubringen. Davon war sie jetzt bereits genervt. Sie war exzentrisch, ja, aber weit weg davon selbstmordgefährdet zu sein.

„Es war doch deine Idee, nach der ersten Nacht wieder mit ihnen mitzugehen, du hast mich in dieses Kleid gesteckt und mich geschminkt!", meinte Laura und Veronikas Ausdruck nahm etwas Schwärmerisches an.

„Oh ja, dieses Kleid war Mega heiß, ich war furchtbar eifersüchtig, wie deine Brüste darin wirkten, ich habe so ein Glück mit meiner Oberweite nicht", schwärmte sie und drehte ihr dann ihren Skizzenblock hin und Luna konnte sich selbst in die Augen sehen, ihr Kopf mit der Seite in einem Kissen vergraben und ihr Blick irgendetwas zwischen Frustration und Trauer. Es war ein stimmungsvolles Bild und hatte so gar nichts mit dem zu tun, was sie normalerweise malte.

„Okay, das ist keine Illusion, das bin ich", sagte Luna und Veronika nickte.

„Bist du. Ich hatte Lust dazu und nur damit zu es weißt. Du bist schön, und smart und gar nicht der Typ der Annahmen tätigt und daran gemessen seine Entscheidungen trifft. Zuviele unsichere Faktoren."

„Was meinst du damit?", fragte Luna, obwohl sie es sich denken konnte. Denn seitdem sie Zed einige Male einen Korb gegeben hatte und er es jetzt anscheinend Leid war, fing sie an sich darüber zu beschweren, dass sie es doch gewusst hätte. Cole hatte sie satt und nun, da Cole mit einer anderen Frau im Noir aufgetaucht war, war auch Zed wieder zu den beiden gestoßen. Luna hatte befürchtet, dass es genau so laufen würde: Cole besorgte ein neues Babygirl und plötzlich war Luna wieder abgeschrieben, von wegen etwas Ernstes. Selbst wenn Luna nicht das Gefühl gehabt hätte es wäre in Ordnung nur mit Zed auszugehen, ohne Cole, hätte sie es genau deswegen nicht getan. Dennoch hatte es wehgetan die Nachricht von Melody zu erhalten – woher sie die Nummer hatte, wusste der Teufel aber es tat gut mit jemanden reden zu können, der im Club war.

„Ich meine damit, dass Cole dir nie einen Korb gegeben hat", meinte Veronika und Luna schnaubte abfällig. Als wäre das nötig gewesen.

„Er war nach unserer zweiten Nacht einfach weg und dann kommt Zed auch noch mit dieser solo-Date-Idee daher. Ich kann eins und eins zusammenrechnen", erinnerte Luna ihre Freundin, denn sie war selbst verwundert wie offen und ehrlich sie mit Veronika über sowas reden konnte. Sie war absolut allem unfassbar unbefangen gegenüber. Manchmal grenzte das an Naivität, aber es passte irgendwie zu ihr und tat Luna gut, die selbst alles immer viel zu ernst nahm.

„Das eine muss mit dem anderen nicht unbedingt zusammen hängen, dass er jetzt allerdings zurück im Noir ist, sehr wohl: Du hast ihn in den drei Wochen, die ich hier bin, fünfmal abblitzen lassen. Ein Wunder, dass er überhaupt so hartnäckig ist, er kommt mir nicht vor als wäre er ein Kerl, der es nötig hat zu betteln"

„Er hat nicht gebettelt", fuhr Luna dazwischen und dachte sofort an die Nachrichten zurück die er ihr dazu noch geschrieben hatte. Doch, er hatte gebettelt.

„Von mir aus, ich will dir da eigentlich nicht hereinreden aber: Moment, doch! Will ich! Reiß dich zusammen, geh in den Club und schubs die Tussi von dem Schoß deiner Männer! Kläre was da auch immer schief gegangen ist und dann sorge selbst dafür, dass du glücklich bist und das mit den beiden zusammen klappt." Wenn Veronika das sagte, klang alles so einfach aber bei dem Gedanken das Noir zu betreten, die beiden zurück zu wollen und dabei eine Abfuhr zu kassieren, wurde ihr schlecht.

„Ich kann nicht", sagte sie leise und wollte wirklich nur noch etwas von dem bisschen Würde behalten, die sie noch hatte.

„Ich kann ihnen doch nicht hinterherlaufen, wie sieht denn das aus?", fragte sie und Veronika zuckte mit den Achseln.

„Sie sind dir auch nachgelaufen, wie hat das für dich ausgesehen?" Luna legte den Kopf schräg und dachte darüber nach. Wie hatte sie sich gefühlt als Cole und Zed auf diesem Fest am Campus plötzlich aufgetaucht waren. Wie hatte das für sie ausgesehen?

„Als wären sie Männer, die wissen was sie wollen und es hat sich großartig angefühlt als ich erkannt, dass ich es war", gestand sie und Veronika lächelte wieder.

„Eben. Männer und Frauen fühlen manchmal genau das selbe. Du bist diesmal dran den Schritt zu machen und zu sagen was du willst. Ich komme auch gerne mit, wenn die Bardame dich hineinschmuggelt vielleicht angle ich mir auch einen sexy Typen", überlegte sie laut und Luna musste sich eingestehen, dass sie sich alleine nie hintrauen würde, aber mit Veronika an ihre Seite? Das würde sie tun.

„Typen? Hast nicht noch vor ein paar Wochen auf Frauen gestanden?", fragte sie und wieder zuckte die Künstlerin mit den Schultern.

„Anscheinend bin ich tatsächlich Bi, das ist gut, denn ich liebe Sex und die Wochen hier drin machen mich wahnsinnig, nicht mal ein hübscher Pfleger oder eine hübsche Pflegerin, die sich hat verführen lassen. Gemeinheit!", beschied V was Luna ein Lachen entlockte. War ja klar, dass sie es versucht hatte.

„Um ins Noir zu kommen, musst du hier erstmal raus!", meinte Luna dann noch und Veronikas Lachen erstarb und ihr Blick fiel auf ihre Handgelenke, die noch immer Bandagiert waren. Sie war eigentlich nur noch hier weil alle glaubten, sie würde zusammenbrechen, wenn sie ihre Wohnung betrat und dann alles wieder hochkam. Luna befürchtete auch, dass V ausrasten könnte, aber eher wegen ihren Pinseln, von denen einige wohl nicht mehr zu retten waren und ihren beschmierten Leinwänden. Als sie V davon erzählt hatte, hatte sie geradezu mörderisch ausgesehen.

„Und um hier raus zu kommen, musst du endlich mit dem Psychologen sprechen", machte Luna weiter und plötzlich sah ihre Freundin so aus, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.

„Der alte Sack geht mir auf die Nerven. Er will immer, dass ich meine Eltern anrufe. Quacksalber!" Die Geschichte mit ihren Eltern war komplizierter als sie Luna am Anfang erzählt hatte. Wie es aussah, waren die zwar nicht ganz uninteressiert an dem was ihre Tochter tat, aber sie hatten dennoch kein gutes Verhältnis zueinander. Veronika wollte ihr mit diesem Übergriff einfach kein weiteres Futter liefern, sie zu kritisieren und hatte es den Medien überlassen, ob sie es nun erfuhren oder nicht. Sie hatte niemanden angerufen und auch ihre Eltern hatten sich nicht gemeldet. Es war merkwürdig und etwas das Veronika wohl nicht einmal selbst richtig verstand.

Es konnte nicht jeder so unvoreingenommen sein, wie sie selbst und wenn Luna daran dachte, wie sie Veronika als erstes gesehen und verurteilt hatte, war es leicht zu glauben, das ihre Eltern es auch taten.

„Aber die Ärzte lassen dich erst gehen, wenn er deinen Gesundheitszustand geprüft hat. Bring es hinter dich, dann nehme ich dich mit ins Noir", sagte Luna und Veronika sah sie scharf an.

„Spiel nicht mit mir, Mondkind. Ich würde es sofort tun und dann musst du zu deinen heißgeliebten Dreamteam laufen, deinen Stolz herunterschlucken und dich wohl möglich lächerlich machen!" Das könnte passieren und es würde eine weitere Wund in ihr Herz reißen aber V hatte recht: Luna war nicht feige und hatte immer für das gekämpft als sie wollte und sie wollte sowohl Zed als auch Cole, im Noir und außerhalb. Das hatte sie erkannt und manchmal musste man Risiken eingehen um zu bekommen was man wollte, sich verletzlich machen. Eigentlich fehlte ihr dennoch der Mut dazu, aber sie wusste, dass sie es bereuen würde, wenn sie es nicht versuchte.

„Du hast recht, ich weiß nicht, warum Cole gegangen ist und ich kann nicht dabei zusehen wie die Männer, die ich Liebe, aus meinen Leben verschwinden. Wir hatten eine Verbindung, das fühle ich und ich will nicht wahrhaben, dass ich mich getäuscht haben könnte. Also: ich sage dem Chefarzt Bescheid, dass du dazu beriet bist mit dem Seelendoktor zu reden, dann gehen wir Heim und wenn du dich dann genug über den Zustand deines Zimmers aufgeregt hast machen wir mit Melody einen Termin zum hineinschmuggeln." Beschied Luna und Veronika lächelte bevor sie frustriert stöhnte und sich theatralisch in die Kissen zurücksinken ließ.

„Okay. Tu es! Ich ergeben mich meinem Schicksal", schniefte sie gespielt und Luna lächelte wieder. Was würde sie nur ohne diese Frau machen?

Beta: Geany

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